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Letzte Generation blockiert ElbbrückenSchlüssel im Brötchen versteckt

Am Samstag sollen auch quergestellte Transporter im Spiel gewesen sein. Es kam zu einem kilometerlangen Stau. Und in Göttingen probierte die Gruppe eine neue Protestform.

Aber nicht nur die Polizei versuchte am Samstag, die Ak­ti­vis­t*in­nen der Letzten Generation von der Fahrbahn zu entfernen Foto: dpa/Jonas Walzberg

Hamburg/osnabrück/göttingern epd/dpa | Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ haben am Sonnabendvormittag die Hamburger Elbbrücken blockiert. Wie das Lagezentrum der Polizei Hamburg mitteilte, hatten sich vier Aktivisten mit schnellbindendem Beton auf der Fahrbahn festgeklebt „Der Verkehr steht“, vermeldete ein Polizeisprecher. Ein dpa-Fotograf berichtete, dass aggressive Autofahrer mit Tritten und Schlägen auf die Blockade reagierten.

Spezialisten der Polizei waren den Angaben zufolge noch am Mittag damit beschäftigt, die festgeklebten Aktivisten von der Straße zu lösen.

Die Aktivisten selbst erklärten, zudem zwei Transporter auf der Straße quergestellt zu haben. Einem Bericht des Hamburger Abendblatts zufolge konnte die Polizei die Autoschlüssel zunächst nicht finden. Die Aktivisten hätten sie in den Brötchen versteckt, die sie mitgebracht hatten. Mittlerweile seien die Mietwagen aber von der Straße entfernt worden.

Stadteinwärts kam es zeitweise zu einem bis zu 17 Kilometer langen Rückstau. Die Elbbrücken mit der Autobahn 255 bildeten am Sonnabend die einzige zentrale Möglichkeit, die Elbe zu überqueren, da die Autobahn 7 und der Elbtunnel wegen Bauarbeiten für das gesamte Wochenende gesperrt worden waren.

Erst am Donnerstagmorgen hatten sich Aktivisten der „Letzten Generation“ auf der Köhlbrandbrücke festgeklebt. Auch dort mussten Spezialkräfte der Polizei die Beteiligten von der Fahrbahn lösen.

Am Dienstag hatten im Hamburger Rathaus Gespräche zwischen SPD und Grünen mit Angehörigen der „Letzten Generation“ stattgefunden. Dem vorangegangen war ein Brief der „Letzten Generation“ an Hamburgs Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sowie mehrere Bürgerschafts-Fraktionsvorsitzende. Die Aktivisten verlangten darin, die Forderung nach Bildung eines Gesellschaftsrates zur Lösung der Klimakrise zu unterstützen. Sie setzten ein Ultimatum bis zum 13. März und drohten mit Störaktionen.

Zwei Stunden Protestmarsch

Auch in Göttingen haben Klimaschutz-Demonstranten der Letzten Generation für Verkehrsbehinderungen gesorgt. Rund 20 Aktivisten seien am Freitagnachmittag bei einem Protestmarsch vom Weender Tor auf der Straße in Richtung Hauptbahnhof gelaufen und wieder zurück, sagte ein Polizeisprecher.

Die Aktion, die nicht als Versammlung angemeldet gewesen sei, habe knapp zwei Stunden gedauert und für Staus in der Innenstadt gesorgt.

Wie die Letzte Generation mitteilte, sei der Marsch eine neue Protestform. „Für viele Menschen ist das Festkleben an der Fahrbahn sehr emotional besetzt“, sagte die Göttinger Sprecherin Rosa Reinisch. „Wir wollen, dass so viele Menschen wie möglich in den zivilen Widerstand kommen.“ Das Ziel der Gruppe ist, die Politik zu mehr Klimaschutz zu bewegen.

Verkehrsminister warnt vor Gefährdung des sozialen Friedens

Unterdessen hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) die Klimaschutz-Bewegung vor einer Gefährdung des sozialen Friedens gewarnt. Ihm mache „die Radikalisierung der Aktivisten-Szene in Wort und Tat Sorge“, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. Auf dem Weg zur Klimaneutralität müssten die Menschen mitgenommen werden, statt sie durch Verbote und Verteuerung auszugrenzen.

Die CO –Emissionsziele, die die Vorgängerregierung zusätzlich zum Paris-Prozess für einzelne Sektoren gesetzt hat, würden „sozialen Sprengstoff“ bergen, warnte Wissing. Beim Bauen und Wohnen würden rapide Emissionsminderungen Millionen Haushalte zwingen, ihre Gasheizungen auszubauen, umzuziehen oder im Kalten zu sitzen. Im Verkehr würde es ebenfalls auf Einschränkungen und Verbote hinauslaufen. „Beides würde zu massiven Verwerfungen führen, extremistische Parteien stärken, die Demokratie schädigen und damit nicht dem Klimaschutz helfen.“

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25 Kommentare

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  • Mal völlig davon abgesehen, dass das hohle Gelaber Wissings über die angebliche Radikalisierung der Klimaaktivist:innen (er wollte wohl nicht Klima RAF sagen, hat aber vermutlich genau das gemeint) und Übergriffe auf Leute, die wehrlos auf der Straße sitzen, daneben sind - die Aktionen der LG sind es auch.

    Anstatt sowas wie ne echte und nachhaltige Organisation aufzubauen, die die Menschen mitnimmt, sitzen da Menschen aus dem bildungsbürgerlichen Milieu und sorgen effektiv dafür, dass lohnabhängig Beschäftigte nicht zum Feierabend können.



    Wo ist die basisdemokratische Organisierung? Wo ist das offensive Bündnis mit den Streikenden im ÖPNV? Wo ist in der Aktion Kritik daran, dass der Lakei des nationalen Kapitals Wissing das Fahrverbot für Lkw an Sonntagen aufweicht, um einen Streik die Effektivität zu nehmen?



    Nirgends. Und genau das ist das Problem.

  • Der Wissing… Kein Interesse an Sektorzielen, keine intellektuelle und sonstige Kompetenz, sie umzusetzen, null Bock - also sind die Ziele falsch. Was eine Niete.

  • Ich befürchte, dass die besinnungslose Hetze gewisser "Leit.edien" über herbeifantasierte "Klimaterroristen" bald mörderische Früchte trägt! Der erste selbsternannte "Rächer der Brummifahrer" ( AFD-Applaus zur Tat) hat bereits in Hamburg zugetreten - bald wird einer Stechen oder Schiessen. Dann hat die Klimabewegung ihren Benno Ohnesorg und das ganze politisch-mediale Deutschland wird sich schwer betroffen geben...



    Will jemand dagegen wetten?

  • taz:" Unterdessen hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) die Klimaschutz-Bewegung vor einer Gefährdung des sozialen Friedens gewarnt. Ihm mache „die Radikalisierung der Aktivisten-Szene in Wort und Tat Sorge“, sagte er."

    Unser Verkehrsminister von der sogenannten Freiheitspartei natürlich wieder. Mir macht eher Sorge, dass deutsche Politiker (z.B. Alexander Dobrindt, CSU) - die als Abgeordnete gut von unseren Steuergeldern leben - schon im Schwarzbuch 'Autolobby' aufgeführt werden, einem von Greenpeace im April 2016 veröffentlichen 'Schwarzbuch' über Verflechtungen zwischen Politik und Autoindustrie auf deutscher und europäischer Ebene. www.greenpeace.de/...AAYASAAEgLpKvD_BwE

    taz: "Ein dpa-Fotograf berichtete, dass aggressive Autofahrer mit Tritten und Schlägen auf die Blockade reagierten. [...] Verkehrsminister warnt vor Gefährdung des sozialen Friedens."

    Wenn der Verkehrsminister eine Gefährdung des sozialen Friedens sieht, dann sollte Minister Wissing vielleicht mal solche durchgeknallten Autofahrer aus dem Verkehr ziehen, denn normal ist das sicherlich nicht, das Autofahrer auf junge Klimaaktivisten einschlagen und mit Fußtritten traktieren, nur weil diese Autojunkies eventuell mal einen Umweg von 5 Minuten fahren müssen. Eine Radikalisierung ist wohl eher bei einigen Autofahrern zu beobachten und nicht bei den friedlichen Klimaschützern.

  • Ich würde mir wünschen, dass Herr Wissing und zuständige PolitikerInnen sich klar und deutliche von gewalttätigen Bürgern ditanzieren, die Demonstranten angreifen. Die Art der Kommunikation vieler Politker radikalisiert momentan immer mehr die Autofahrer.

    • @StefanMaria:

      Ich würde mir wünschen, dass Herr Wissing seine Position verantwortlicher ausfüllen und nicht weiter ignorieren würde, wie ernst die Lage ist.



      Ich würde mir wünschen, dass all die "ICH muss aber schnell irgendwohin" schreienden "radikalen" Autofahrer auch mal den Ernst der Lage begreifen würden.

  • Wissing warnt vor sozialem Sprengstoff wegen Sektorenzielen und wird hier unkritisch zitiert.

    Ich hätte dazu gerne eine Stellungnahme der Letzten Generation gelesen.

    Denn Wissing ist doch derjenige, der sozialen Sprengstoff produziert — sogar Koalitionssprengstoff! — , indem er die Zukunft unserer Zivilisation gefährdet.

    Wissing will mehr Autobahnen bauen und blockiert den Deutschlandtakt der Bahn. *Er* ist die Ursache der Probleme, weil er den Aufbau von Alternativen zu Verboten blockiert.

    • @Arne Babenhauserheide:

      Das stimmt, allerdings wird er hier nicht unkritisch zitiert, es wird nur neutral berichtet, was er geäußert hat.

  • Es passiert, was zu befürchten war: Die Form/Mittel des LG-Protests liefert den Gegnern des Klimaschutzes Argumente, um UNSERE Inhalte/Ziele zu diskreditieren!

    Wissing hat recht, dass man die Menschen abholen und mitnehmen muss, und er hat Unrecht, weil die Verteuerung und die "Verbote" auch das Werk der FDP in der Regierung (wie ebenso der SPD und der Union zuvor) ist.

    Die Energiewende bei den Bestandsgebäuden muss von der öffentlichen Hand mitfinanziert werden, im Verkehr und in der Landwirtschaft ebenso. Das wird aber nur mit einer verfassungskonformen Erbschafts- und Vermögenssteuer gehen, die auch vollzogen werden, mit dem Ende direkt oder indirekt umweltschädlicher Subventionen und einem Ende von Verbotseinrichtungen wie z.B. der BauNVO oder Abstands- und Einspeise-Richtlinien für Erneuerbare.

    Das setzen wir nicht durch Blockaden durch oder einfach gehaltene Forderungen wie nach einem Tempolimit.

    • @Zangler:

      Ja klar, bloß bis man Menschen wie Wissing abgeholt und mitgenommen hat, ist es halt viel zu spät...die Lage erfordert schon etwas radikaleres Handeln. Wir können ja versuchen, mit jedem Betonkopf auszuhandeln, was zu tun wäre und was zu lassen, aber währenddessen wird das dann unnötig, weil die Ereignisse uns überholen.



      Klimakatastrophe ist ja übrigens kein übertriebener Ausdruck.

    • @Zangler:

      Was soll das Tempolimit bringen? Die UBA Studie vermischt Wissenschaft und Politik in unzulässiger Weise, methodisch sehr unsauber! Ich sehe keinen Sinn darin an der Freien Fahrt etwas zu ändern, bei der jeder seine Fahrgeschwindigkeit frei(!) wählen kann, was wirklich gut funktioniert.

      • @Flocke:

        Ein Tempolimit bringt folgendes: wenn ich 120km/h fahre verbraucht mein Auto im Schnitt 4,9l und wenn ich 140 fahre 6,4l. Niemand kann ernsthaft behaupten ein Tempolimit bringe gegen das Fortschreiten der Klimakatastrophe nichts. Auch Freiheit ist an Regeln der Solidarität geknüpft.

  • Ich verstehe immernoch nicht warum die Proteste der letzten Generation so emotional belastet sind und alle Welt dieAkivisten beschimpft. Was diese meist jungen Leute machen ist doch nichts anderes als das, was Greenpeace macht.

    • @Goyo:

      Verkehrswege sind kritische Infrastruktur: sie werden gebraucht damit Rettungskräfte, Lebensmittel, Medikamente, etc. die Orte erreichen wo sie gebraucht werden. Das ist eine Tatsache auch dann, wenn sie nicht nur zu solchen Zwecken verwendet werden, sondern auch zu Vergnügunsreisen wie Urlaub, etc. Ebenso wie die Stromversorgung kritisch ist um in Läden und auch zu Hause die Kühlschränke zu betreiben, welche die Lebensmittel frisch halten. Oder Essen zu kochen. Auch dies ist eine Tatsache, auch wenn Sie den Strom außerdem zum Computer spielen oder fernsehen verwenden.

      Wenn die letzte Generation so weiter macht, wird irgendwann jemand noch sterben oder einen bleibenden Gesundheitsschaden erleiden - weil die Blutkonserven nicht rechtzeitig geliefert werden können, oder weil der Operatur vom Rufdienst oder die Gebärende im Stau stecken bleibt und nicht rechtzeitig im Krankenhaus eintrifft.



      Sie müssen es nur oft genug probieren, irgendwann geht es in die Hose.

      Wenn es bei Protest darum geht aufmerksamkeit zu erregen, sollten die sich an Colin Kaepernick ein Beispiel nehmen: er hat eine Protestform gefunden, die keinem schadet.

      Wenn sich letzte Generation schon irgendwo festkleben will, dann an einer Stelle, wo es keinen gefährdet.

    • @Goyo:

      Nun ja, Greenpeace hindert nicht massenhaft Leute daran zur ungeliebten Arbeit zu kommen.

      Stellen wir uns einen Amazon-Lieferfahrer vor.



      Stressiger Job, lausiger Lohn, keine Alternative. Herzlich willkommen im Niedriglohnsektor. Vierzig Prozent haben einen Migrationshintergrund.

      Dann sitzen da die jungen Kartoffeln, zumindest dem Augenschein nach sind keine Migranten dabei, müssen nicht arbeiten, sondern nur ihrem bürgerlichen Gewissen folgen, was für sie über allem anderen steht und greifen in das prekäre Leben unseres Liederfahrers ein.

      Und der kotzt logischerweise ab.

      Das wiederum haben die Bürgerkinder nicht auf dem Schirm, weil sie sich für alle halten.

      Und schon haben wir den Schlamassel.

      • @Jim Hawkins:

        Naja, die typischen Letzte-Generation-Hasser, die gewalttätig werden und die angeklebten Menschen böse angehen, sind eher keine Lieferfahrer mit Migrationshintergrund, sondern klassische biodeutsche Kleinbürger am Steuer.

    • @Goyo:

      Auch Greenpeace wird ja beschimpft …

    • @Goyo:

      Das ist ein sehr gewaltiger Unterschied!



      Greenpeace achtet darauf, niemanden von aussen zu befährden.Das ist oberstes Gebot.



      Nach dem unglücklichen Absturz eines Gleitschirmes in ein Fussballstadion hat das sofortige Konsequenzen nach sich gezogen.



      Die Kleber allerdings blockieren Strassen und dadurch auch notwendige Krankentransporte und Feuerwehrfahrten.



      Sehr gefährlich auch das Abseilen von Autobahnbrücken.



      Da ist eine enorme Gefahr.



      Unfälle werden billigend in Kauf genommen.Unverantwortlich!



      Würde Greenpeace nie machen.



      Bitte zuerst informieren bevor solche Vergleiche kommen.



      Greenpeacegruppen suchen immer neue Mitglieder. Dann gibt es auch Schulungen dazu.



      Vielleicht ist da ja auch etwas für Sie.

    • @Goyo:

      Greenpeace blockiert Straßen und hindert Pendler an der Heimfahrt?



      Wusste ich ja gar nicht.

  • Wenn die Transporter da zum Brötchen holen geparkt waren ist das aus Autofahrer Sicht sicher völlig in Ordnung. Die parken deswegen ja auch ständig auf unseren Radwegen.

  • Der soziale Frieden ist sehr viel mehr durch Unterfinanzierung von Erziehung und Bildung, Pflege- und Krankenversorgung, Vernachlässigung, ja Verhinderung einer wirksamen Klimapolitik oder einer Eindämmung der Mieten. Doch alle diese Themen sind keine, die der Klientel der Lobbygruppierung (aka FDP) in den Kram passen. Deren sozialer Frieden ist der eigene Profit. Sonst nix...

  • Ihm mache „die Radikalisierung der Aktivisten-Szene in Wort und Tat Sorge“, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung.



    Mir macht die Passivität dieses Politikers Sorge, um es ganz vorsichtig auszudrücken.

    • @Acadrian:

      Er ist nicht passiv. Gerade hat er sehr aktiv neue Umweltschutzgesetze bei der EU blockiert und letztlich unwirksam gemacht.

  • Eine geschickte aber durchsichtige Täter-Opfer umkehr.



    Kriminell sind die Politiker die der folgenden Generationen die Zukunfts- und Lebenschancen vorenthält bzw. massiv einschränkt.