Deutsche Panzer in der Ukraine: Lula blockiert Gepardenfütterung
Deutschland hat keine Munition für die an die Ukraine gelieferten Panzer. Der Hersteller Schweiz blockt und Brasilien hält seine Bestände zurück.
Es ist wie ein Sinnbild der pannenreichen deutschen Militärhilfe für die Ukraine: Die Bundeswehr liefert der Ukraine Gepard-Flugabwehrpanzer zur Selbstverteidigung – aber sie hat nicht mehr genügend Munition dafür, also muss die in anderen Ländern erbeten werden. Diejenigen, die gefragt werden, wollen nicht – und die, die könnten, werden nicht gefragt.
Unwillig zeigte sich am Montag Brasiliens Präsident Lula da Silva, als er Olaf Scholz empfing. „Brasilien hat kein Interesse am Verkauf von Munition, die in diesem Krieg verwendet werden kann“, erklärte der neugewählte linke Präsident auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem angereisten Bundeskanzler, „Wir sind ein Land, das dem Frieden verpflichtet ist! Wir wollen nicht einmal eine indirekte Teilhabe an diesem Krieg!“
Gepard-Panzer, weltweit auch unter dem englischen Namen Cheetah bekannt, sind im Grunde fahrbare Flugabwehrkanonen: eine Leopard-Panzerkarosserie mit einer radargesteuerten 35-Millimeter-Zwillingskanone zur Flugabwehr obendrauf anstelle der üblichen Panzerkanone. Entwickelt und gebaut wurden sie ursprünglich von Krauss-Maffei in Deutschland, die 35-Millimeter-Kanone samt Munition lieferte die Schweizer Rüstungsschmiede Oerlikon, heute ein Teil von Rheinmetall.
Seit die letzten Bundeswehr-Gepards 2011 ausgemustert wurden, verkauft Deutschland sie an weniger anspruchsvolle Länder – Rumänien, Brasilien, Jordanien, Katar. Brasilien hat vor der Fußball-WM 2014 dreizehn Stück erworben, zur Abwehr von Drohnen. Da sie nie zum Einsatz kamen, ist die Munition aus der Schweiz noch da.
Hervorragend gegen Drohnen
Deutschland hätte sie nun gerne, um seine Gepard-Panzer-Lieferversprechen an die Ukraine zu erfüllen: Von insgesamt 50 im April 2022 zugesagten Panzern wurden im vergangenen Jahr 30 übergeben, mit Munition in unzureichender Menge. Demnächst sollen sieben weitere Folgen; ihre Ausstattung hängt noch in der Luft.
Die Gepards gelten als hervorragend geeignet für den Abschuss iranischer Shaheed-Drohnen, mit denen Russland vorzugsweise zivile Ziele in ukrainischen Städten bombardiert. Unter Präsident Jair Bolsonaro war Brasilien noch bereit, seine Gepard-Munition abzugeben. Lula ist dazu nicht mehr bereit. Einen außenpolitischen Fortschritt darin zu erkennen, den Schutz ukrainischer Zivilisten zu behindern, fällt schwer, was auch den Scholz-Besuch in Brasilien belastet hat.
Verwirrend ist, dass laut Brasiliens Regierung keine förmliche Ausfuhranfrage der deutschen Bundesregierung vorliegt. Aber die wäre erst sinnvoll, wenn Brasilien diese auch mit Ja beantworten könnte. Das ist nicht der Fall: Da die Munition aus der Schweiz kommt, müsste die Schweiz ihre Weitergabe genehmigen. Die Schweizer Neutralität verbietet das nach bisheriger amtlicher Lesart.
Deswegen konnten auch die bereits von Deutschland gelieferten Geparden nicht ausreichend ausgestattet werden. Zweimal wies die Schweiz entsprechende deutsche Anfragen im vergangenen Jahr ab. Am Schweizer Veto hängt auch Katar, das vor der Fußball-WM 2022 ebenfalls Gepard-Flugabwehrpanzer erwarb und diese dann ebenso wenig brauchte wie Brasilien acht Jahre zuvor; Deutschland wollte sie nun zurückkaufen, aber kann damit ohne grünes Licht aus der Schweiz nichts anfangen.
Ein Parlamentsausschuss in der Schweizer Hauptstadt Bern stimmte zwar vergangene Woche erstmals dafür, das strikte Verbot von Lieferungen Schweizer Rüstungsgüter aus Drittländern in die Ukraine zu lockern, wenn „die Wiederausfuhr des Kriegsmaterials an die Ukraine im Zusammenhang mit dem russisch-ukrainischen Krieg erfolgt“. Aber ein abschließender Parlamentsbeschluss steht aus. Es sei unklar, ob er noch in diesem Frühjahr erfolgt, meldete am Montag die Basler Zeitung und schrieb, Deutschland „erhält den Druck auf die Schweiz aufrecht“.
Deutschland könnte produzieren
Deutschlands Rüstungsindustrie könnte durchaus selbst Gepard-Munition herstellen. Rheinmetall baut in Celle eine Produktionsanlage auf, aber sie dürfte nicht vor Juni den Betrieb aufnehmen.
Norwegens Rüstungskonzern Nammo wäre nach einem Bericht des Fachjournalisten Björn Müller ebenfalls dazu fähig. Aber die nötigen technischen Daten aus Deutschland seien bislang nicht übermittelt.
Südafrikas Rüstungsfabrikant Denel, eine Rheinmetall-Tochter, stellt 35-mm-Kanonen her und könnte einspringen. Angeblich war dies bei den ersten Gepardenlieferungen der Fall. Aber dafür müsste in Berlin jemand eine neue Bestellung in Südafrika aufgeben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung