Größenwahn im Kreml: Putins Volk und Glaube

Der Kreml hat die jährliche Pressekonferenz abgesagt, auch die Fernsehsprechstunde fällt aus. Putin isoliert sich zunehmend in seiner zusammengelogenen Welt.

Ein Musiker in Uniform

Es gibt immer weniger zu feiern: Militärparade in Moskau im Mai 2022 Foto: Maxim Shemetov/reuters

Wenn rund 2.000 Jour­na­lis­t*in­nen sich teils in traditioneller Kleidung zusammenfanden, allerlei Plakate mit aberwitzigen Aufschriften in die Höhe hielten und „Wladimir Wladimirowitsch, ich, ich, ich!“ hinausschrien, dann war es wieder Zeit für die jährliche Pressekonferenz mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Stets zum Jahresende, stets bis ins Detail inszeniert. Dass der Kreml seine Politshow in diesem Jahr abgesagt hat, ist fast schon eine Wohltat – und zeigt doch, welche Haltung hinter der Abkehr nicht nur von dieser Tradition steckt.

Auch den „Direkten Draht“ will Putin nicht mehr, die Fernsehsprechstunde, bei der sich die Menschen mit ihren Problemen direkt an den Präsidenten wenden konnten. Putin will sich nicht mit den Sorgen seiner Bür­ge­r*in­nen befassen oder sich unbequemen Fragen stellen, schon gar nicht zum Krieg in der Ukraine. Er sieht das Große, das Übergreifende, will den Lauf der Dinge verändern.

Zu solchen Dingen äußert er sich gerade in letzter Zeit oft. Er holt gegen den Westen aus, gegen die liberalen Werte, die er für verdorben hält, gegen Gender, wovon er, wie er selbst sagt, nichts versteht. Er hat sich in einem riesigen Potemkin’schen Dorf eingerichtet, das auf Lügen gebaut ist, das eine Scheinwelt einer „Spezialoperation“, einer „Teilmobilisierung“, einer „Importsubstitution“ vorgaukelt, und in dem er behaupten darf, alles laufe „nach Plan“.

Putin schwebt über den Dingen und hat sich längst von dem Gedanken verabschiedet, er schulde jemandem irgendeine Art von Rechenschaft. Nicht einmal seinem Volk, das er lediglich dafür braucht, seine irren Pläne von einem Großrussland zu verwirklichen. Das Offensichtliche, was in seinem Land und auch in der Welt durch seine Politik geschieht, übergeht er und fühlt sich dabei ausgesprochen stark. „Glauben kann man niemandem, glauben kann man nur mir“, sagte er vor wenigen Tagen tatsächlich bei einer Pressekonferenz.

Sein Volk, ergeben und verängstigt, setzt tatsächlich auf diesen Glauben und lebt, in immer größerer Armut, weiterhin sein Leben, als sei nichts passiert.

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