Strafbarkeit von Straßenblockaden: Keine Erpressung mit Nötigung

Auch Dringliches erlaubt in einer Demokratie keine Straftaten. Das ist leichter zu verstehen, wenn es um weniger Dringliches geht als den Klimaschutz.

Straßenblockade von der Letzten Generation.

Straßenblockade der Letzten Generation in München im Mai Foto: Aaron Karasek/aal.photo/imago

Stellen wir uns vor, die „Aktion Lebensschutz für alle“ nimmt sich ein Beispiel an der „Letzten Generation“ und beginnt nun ebenfalls mit Sitzblockaden auf den Hauptverkehrsstraßen. Diese Le­bens­schüt­ze­r:in­nen setzen sich aber nicht für mehr Klimaschutz ein, sondern für ein strengeres Abtreibungsrecht. Es könne nicht sein, dass in einem der reichsten Länder der Welt Jahr für Jahr hunderttausend ungeborene Kinder im Mutterleib zerstückelt werden. Das sei ein Massenmord an künftigen Generationen, ein Zivilisationsbruch von unglaublichen Dimensionen.

Die Forderung, so das Gedankenspiel, ist eindeutig: Die „Aktion Lebensschutz für alle“ werde das öffentliche Leben so lange massiv stören, bis der jüngst von der Ampel abgeschaffte Paragraf 219a im Strafgesetzbuch wieder eingeführt wird. Es sei unerträglich, dass über mörderische Schwangerschaftsabbrüche im Internet informiert werden darf, als ginge es um eine Zahnreinigung.

Und natürlich berufen sich die Le­bens­schüt­ze­r:in­nen nicht nur auf Gott, sondern auch auf das Bundesverfassungsgericht, das schließlich schon zweimal entschieden habe, dass Abtreibungen rechtswidrig sind und dass Frauen eine Pflicht zum Austragen von Kindern haben. Die Nötigung von Au­to­fah­re­r:in­nen sei deshalb nicht verwerflich, wenn sie dem Lebensschutz diene. Außerdem bestehe ein rechtfertigender Notstand, weil die Straßenblockaden die einzig erfolgversprechende Aktionsform sind, um Millionen ungeborener Kinder besser zu schützen.

Wie gut, dass Justizminister Marco Buschmann (FDP) auch in diesem Gedankenspiel darauf hinweist, dass sich eine Demokratie nicht erpressen lassen darf. Ein noch so dringliches Anliegen könne es nicht rechtfertigen, dass Straftaten zur Durchsetzung politischer Ziele genutzt werden. Sonst könne schließlich jeder sein Anliegen zum allerdringlichsten erklären und nun ebenfalls die maximale Störung des öffentlichen Lebens propagieren.

Recht hat er. Es fällt aber natürlich viel leichter, das einzusehen, wenn man das Anliegen der Klimaschützer nicht teilt. Klimaschutz ist wirklich sehr dringlich.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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