Streit über AKW-Laufzeitverlängerung: Die FDP argumentiert unterkomplex

Die FDP macht mit der Laufzeitverlängerung Hoffnung auf billigeren Strom. Die ist unbegründet – aber verfängt, weil die Grünen schlecht kommunizieren.

Das Areal eines Kernkraftwerks aus der Luft

Das Kernkraftwerk Isar 2 bei Landshut Foto: Marco Hadem/dpa

Atomkraft ist keine Technologie der Zukunft. Man muss dafür nicht im Wendland geboren sein oder Tschernobyl und Fukushima miterlebt haben, um das so zu sehen. Es reicht ein Blick in das Nachbarland Frankreich, wo ein Großteil der AKWs gerade aufgrund von Trockenheit und Sicherheitsmängeln nicht funktioniert. Atomkraft ist und bleibt eine Hochrisikotechnologie.

Noch vor einem Jahr war das eigentlich auch Konsens in der FDP. Jeder der möchte, kann sich ein Video von Christian Lindner anschauen, in dem er erklärt, dass Kernenergie zwar „CO2-frei sein mag, aber alles andere als nachhaltig ist“. Von dieser Position ist die FDP inzwischen abgerückt, sie will den Weiterbetrieb bis mindestens 2024.

Für Bür­ge­r*in­nen ist die derzeitige politische Diskussion der Koalition ein Trauerspiel. Eine Regierung sollte in einer Krise nicht verunsichern, sondern Vertrauen schaffen. Während sich FDP und Grüne nun gegenseitig Ideologie vorwerfen, haben Privathaushalte sowie Un­ter­neh­me­r*in­nen mit zwei Dingen zu kämpfen: steigenden Energiepreisen und der Angst vor einem Blackout. Was der Weiterbetrieb der AKWs jeweils bringen würde, ist für Laien nicht einfach zu verstehen. Will sich die FDP nur profilieren oder können die Grünen nicht über ihren Schatten springen? Dass jetzt auch noch Landtagswahlen in Niedersachsen anstehen, macht die Gesamtgemengelage nicht einfacher.

Der Stresstest zur Stromversorgung sollte die aufgeheizte Diskussion eigentlich versachlichen. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat nun seine Konsequenzen gezogen. Im Worst-Case-Szenario können zwei Atomkraftwerke bis April weiter betrieben werden. Doch die FDP gibt sich damit nicht zufrieden – und sie bemüht sich nicht einmal um die angemessene Komplexität. So behauptet sie etwa, dass der Weiterbetrieb der drei Atomkraftwerke den Strompreis senken würde.

Damit macht sie der Bevölkerung aber falsche Hoffnungen. Der Strompreis wird vor allem durch das Kraftwerk bestimmt, das am teuersten produziert – das sind derzeit meist Gaskraftwerke. Davon profitieren aber auch Kohlekraftwerke oder Windkraftanlagen. Gegen diesen nicht nachvollziehbaren Mechanismus möchte die Regierung mit einem Strompreisbremse reagieren, um die Bür­ge­r*in­nen zu entlasten. Das ist richtig – auch wenn die Umsetzung noch völlig unklar ist. Ein Weiterbetrieb der AKWs wird den Strompreis hingegen nicht signifikant beeinflussen, argumentiert etwa das Öko-Institut in Freiburg.

Die FDP ist derzeit hoch nervös. In Umfragen steht sie nicht gut da, die Union sitzt ihr im Nacken. Der Hang zum Populismus ist deshalb schon länger zu beobachten. Doch diese Botschaften sind eben auch so verfänglich, weil Robert Habeck ihnen kommunikativ diese Lücke gelassen hat: Immer wieder hat er behauptet, es gebe kein Stromproblem. Das mag für die Versorgungssicherheit stimmen; die Bür­ge­r*in­nen leiden trotzdem unter steigenden Strompreisen. In der Sache behalten die Grünen recht, dass Atomkraft keine vielversprechende Lösung ist. Sie haben aber den Fehler gemacht, die Ängste der Menschen nicht ernst zu nehmen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1984, ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.