Nancy Pelosi in Taiwan: Beide spielen mit dem Feuer

Nancy Pelosis Taipeh-Besuch ist verständlich, aber trotzdem ungeschickt. Denn die Sprengkraft des Konflikts zwischen Taiwan und China ist enorm.

Eine Anzeigentafel mit einer Grußbotschaft und dem Portrait von Nancy Pelosi

Willkommen in Taiwan: Grußbotschaft an Nancy Pelosi in Taipeh Foto: Chiang Ying-Ying/ap/dpa

Der Taiwan-Konflikt war viele Jahre eingefroren, auch wenn es immer wieder zu Eruptionen kam. Dabei versuchten meist Politiker in Peking wie Taipeh mit einer Art Salamitaktik, sei es symbolisch, rhetorisch oder real, die eigene Position zu verbessern. Doch in den letzten Jahren haben sich vor allem das Machtgefüge und das Selbstverständnis auf beiden Seiten der Taiwan-Straße wie des Pazifiks stark verändert. Das macht es jetzt so gefährlich.

Die Volksrepublik China ist heute eine wirtschaftlich und militärisch potente Weltmacht. Sie hat den Anspruch und inzwischen wohl auch die Fähigkeiten, die Gewässer weit vor der eigenen Küste zu kontrollieren und Taiwan zu blockieren. Chinas alleinherrschende Kommunistische Partei sieht sich als Vereinigerin und Alleinerbin des Reichs der Mitte. Die Rückkehr zu historischer Größe ist ihr Ziel, ein inzwischen auftrumpfender, arroganter bis aggressiver Nationalismus ein zentrales Element der Herrschaftslegitimation.

In Taiwan hingegen ist heute die Demokratie fest verankert. Die Bewohner der Insel haben eine eigene Identität herausgebildet, mit unabhängigem Denken und Handeln, das nur noch von Peking eingeschränkt wird. Einst versuchte Peking Taiwan mit Hongkongs Autonomiemodell („ein Land, zwei Systeme“) zu ködern. Das verfing nicht, vielmehr hat Hongkong gezeigt, dass Peking nicht zu trauen ist.

Heute isoliert China Taiwan nicht nur immer mehr, sondern droht zunehmend unverhohlen mit Gewalt und hofft, die als geschwächt angesehenen USA von militärischem Eingreifen abhalten zu können. Washington hat Taiwan Sicherheit versprochen, Details aber bewusst unklar gehalten. Das Ansehen der USA hat wegen Irak und Afghanistan stark gelitten, und sie haben, angesichts des Konflikts in der Ukraine, derzeit auch kein Interesse an einem Krieg im Pazifik.

Dort gibt es zudem Zweifel, ob die USA ihre Hegemonie überhaupt noch aufrecht erhalten können und wollen. Denn natürlich geht es bei Taiwan auch um die Vorherrschaft in der Region. Die Situation ist jetzt so gefährlich, weil Peking wie Washington dabei ihr Gesicht verlieren können, was als Schwäche interpretiert würde.

So verständlich es ist, dass Nancy Pelosi das kleine demokratische Taiwan gegen die Drohungen des autoritären Chinas unterstützen will, so ist ihr Timing, wie die Tatsache, dass ihre Reisepläne vorab bekannt wurden, sehr ungeschickt. Doch auch das Regime von Chinas Machthaber Xi Jinping, der kurz vor dem für ihn wichtigen Parteitag nicht als Papiertiger dastehen will, hätte besser diskreter agiert, um sich flexiblere Optionen offen zu halten. Peking und Pelosi spielen mit dem Feuer.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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