Lindner-Hochzeit auf Sylt: Punks zum Polterabend
Christian Lindner heiratet auf Sylt. Wie praktisch, dass es gerade das Neun-Euro-Ticket gibt – so können auch Punks dabei sein. Beobachtungen vor Ort.
Die mediale Aufregung ist groß, wie häufiger in den vergangenen Wochen, wenn es um die billige Fahrkarte und Sylt ging. Bereits vor der Einführung im Juni wurden alle Klassenkampf-Klischees beschworen: Horden von Prolls und Punks würden die Insel der Reichen und Schönen überfallen und verwüsten. Einige Linke sprangen bereitwillig auf den Zug auf und riefen zu Chaostagen auf der Insel auf.
Die Wirklichkeit sieht anders aus, vor allem harmlos, wie ein Sylt-Besuch Anfang Juli zeigt. Eine Gruppe junger bis mittelalter Leute hat sich in Westerland vor der Edeka-Filiale niedergelassen, am Brunnen mit der Bronzestatue der dicken Wilhelmine.
Ein paar Punks sind darunter, jemand hat einen St.-Pauli-Pulli an, mehrere tragen Piercings. Ja, einige trinken schon morgens Bier. Einmal ist jemand auf einem aufgeblasenen Einhorn im Brunnen herumgeschwommen, davon gibt es ein Video. Ein andermal hat jemand in den Brunnen gepinkelt. Anarchie!
Ansonsten ist alles wie immer. Der Lange Christian steht noch (das ist der Leuchtturm im Schickeria-Idyll Kampen), niemand randaliert in den Heckenrosenbüschen rund um die Reetdachhäuser. Das Meer kracht bei Westwind an die Küste, die Dünen duften wie eh und je, und die Cabrio- und Polohemd-Dichte ist nach wie vor frappierend hoch.
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Unangenehme Begegnungen gibt es natürlich. Zum Beispiel mit Quallen, da kann der Nahverkehr tatsächlich mal schmerzhaft sein. Und auch an Land ist es mit dem Verkehr so eine Sache. Wer auf einem analogen Rad gegen den Wind strampelt, wird ständig von braungebrannten Rentnern auf E-Bikes überholt.
Irgendwann kann man da schon nervös werden. Vor allem, wenn auch ältere Ehepaare hurtig vorbeifahren, die offensichtlich gar keinen Elektroantrieb am Rad haben. Dagegen ist der Anblick von ein paar angetrunkenen Neun-Euro-Tourist*innen geradezu erholsam.
Hier die Schnösel, dort die Schluffis: Wahrscheinlich ist das alles ohnehin zu sehr in Schubladen gedacht. Womöglich sind es eigentlich die sportlichen Rentner, die mit dem Neun-Euro-Ticket in Horden auf die Insel kommen; so ein Schnäppchen lässt man sich schließlich nicht entgehen. Man könnte sie fragen. Wenn sie nicht so schnell vorbeifahren würden.
Allzu große Sorgen müssen sich Christian Lindner und Franca Lehfeldt wohl nicht machen. Zwar erfüllen ihre Hochzeitspläne (über die die Bild berichtet, und die dürfte in dem Fall ja gut informiert sein) mit Übernachtungen im 5-Sterne-Spa-Resort (ab 390 Euro pro Nacht) und Kotelett (rund 50 Euro) nun wirklich einige Schnösel-Klischees. Und es meldeten sich auch schon einige Punks, die Lindner beim Polterabend persönlich zur Trauung gratulieren wollen.
Aber so richtig Ernst machten die potenziellen Klassenkämpfer*innen auf Sylt bislang nicht. Schon Anfang Juli wurde zur Demo mobilisiert, angemeldet war ein Protestzug mit 100 Teilnehmer*innen vom Bahnhof bis nach Kampen, mit dem Ziel, die Insel zu „entbonzifizieren“. Es kam jedoch kaum jemand.
Am Ende spazierte ein gutes Dutzend fröhlicher Gestalten einfach eine Runde durch Westerland.
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