Geplanter rechter Anschlag in Essen: „Womöglich Alptraum verhindert“

In Essen soll ein 16-Jähriger einen Anschlag auf seine Schule geplant haben. Die Polizei findet Rohrbomben und rechtsextreme Aufzeichnungen.

Mehrere Polizeiwagen stehen vor einem Backsteinbau

Die Polizei in Essen ermittelt wegen möglicherweise geplanter Straftaten gegen einen 16-Jährigen Foto: David Young/dpa

BERLIN/DÜSSELDORF taz | Herbert Reul, Innenminister von Nordrhein-Westfalen, gibt sich am Donnerstagmittag erleichtert. „Möglicherweise hat die Polizei einen Alptraum verhindert“, erklärt der CDU-Mann. Dies sei der Zivilcourage eines Hinweisgebers und der Polizei zu verdanken. Im Raum stehe der „dringende Verdacht eines geplanten Anschlags“.

Bereits am sehr frühen Donnerstagmorgen, gegen 4.20 Uhr, war ein Spezialeinsatzkommando der Polizei bei einem 16-jährigen Schüler in Essen-Borbeck angerückt und hatte dessen Kinderzimmer und Wohnhaus durchsucht. Ebenfalls durchsucht wurde seine aktuelle und frühere Schule, das Don-Bosco-Gymnasium und die Realschule am Schloss Borbeck. Laut Reul ging zuvor ein Hinweis bei der Polizei ein, dass der Jugendliche in einer der Schulen Bomben platzieren wolle. Nach Medienberichten kam dieser Hinweis von einem Mitschüler.

Tatsächlich fand die Polizei bei dem 16-Jährigen eine selbstgebaute Schusswaffe, eine Armbrust sowie 16 vorbereitete Rohrbomben, mit Uhren und einige auch mit Nägeln präpariert. Laut Reul wurden auch Explosivstoffe gefunden, die sehr wahrscheinlich für die Rohre vorgesehen waren. Die Sprengsätze seien damit funktions-, aber noch nicht einsatzfähig gewesen.

Ebenfalls gefunden wurde ein Notizbuch mit gezeichneten SS-Runen sowie rechtsextremen, antisemitischen und antismuslimischen Aufzeichnungen. Reul sprach von „eindeutig ausländerfeindlichem und rechtsextremem Material“. Nach taz-Informationen war der 16-Jährige den Sicherheitsbehörden zuvor allerdings nicht bekannt.

Durchsuchung mit Sprengstoffspürhunden

Reul betonte aber zugleich, dass auch Hinweise auf schwere psychische Probleme und Suizidgedanken des 16-Jährigen vorlägen. Womöglich sei der angedrohte Anschlag auch „ein dringender Hilferuf eines verzweifelten jungen Mannes“, so der CDU-Politiker.

Der 16-Jährige wurde am Donnerstag ausführlich von der Polizei verhört. Die Ermittlungen übernahm am Nachmittag die Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft, die auch für Terrordelikte zuständig ist. Die Vorwürfe lauteten Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und Verstöße gegen das Waffengesetz, sagte ein Sprecher der taz.

Die beiden betroffenen Schulen wurden am Donnerstag von gut 100 Polizeibeamten und zehn Sprengstoffspürhunden durchsucht. Sprengsätze wurden dort zunächst nicht gefunden. Die Schulen blieben am Donnerstag geschlossen.

Der Direktor des Don-Bosco-Gymnasiums, Pater Otto Nosbisch, erklärte: „Die Schulgemeinschaft ist schockiert und bestürzt über den offenkundig geplanten Anschlag und die ersten polizeilichen Erkenntnisse.“ Noch blieben die Ermittlungsergebnisse abzuwarten, man sei aber „froh und dankbar, dass durch die Hinweise auf die geplante Tat Schlimmeres verhindert werden konnte“. Nosbisch bedankte sich bei der Polizei für das „umsichtige und besonnene Vorgehen“.

Auch Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) zeigte sich bestürzt. „Der Schrecken über den verhinderten Anschlag von Essen sitzt tief“, teilte er mit. Der Hinweisgeber und die Polizei hätten „mit ihrem konsequenten Handeln wahrscheinlich eine Horrortat und eine schlimme Tragödie verhindert“. NRW stehe „im Kampf gegen Menschenhass fest zusammen“. Rechtem Terror trete man „mit aller Entschlossenheit“ entgegen.

Auch Vize-Ministerpräsident Joachim Stampp (FDP) dankte der Polizei für die „Verhinderung eines mutmaßlichen Nazi-Terroranschlags“. Thomas Kutschaty, SPD-Spitzenkandidat zur Landtagswahl am Sonntag, twitterte, die Berichte „schockieren mich zutiefst“. „Es ist wohl hoher Zivilcourage und dem beherzten Eingreifen der Polizei zu verdanken, dass Lehrerinnen, Lehrern, Schülerinnen und Schülern nichts passiert ist.“

Schon beim Hanau-Attentat 2020 hatten sich rassistische Motive und psychische Probleme des Täters vermengt. Das BKA stufte die Tat letztlich aber als klar rassistisch ein. Der Rechtsextremismusexperte Matthias Quent betonte am Donnerstag zu dem Essener Anschlagsverdacht, Amok und rechter Terror schlössen sich nicht aus. Eine Tat könne beide Elemente beinhalten. Diese Komplexität müsse man aushalten.

Im April hatte es zwei Großrazzien in der rechtsextremen Szene gegeben. Dabei waren vier Reichsbürger festgenommen worden, die eine Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach geplant haben sollen. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen die Bildung einer terroristischen Vereinigung vor. Zuvor schon gab es Durchsuchungen von 46 Rechtsextremen im gesamten Bundesgebiet, die unter anderem der Atomwaffendivision angehören sollen. Auch ihnen wird teils die Bildung von Terrorgruppen vorgeworfen.

Aktualisiert am 12.05.2021 um 14:55 Uhr. d. R.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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