piwik no script img

Politische Debattenkultur in DeutschlandDiskursive Unfähigkeit

Die deutsche Öffentlichkeit verliert sich gern im Klein-Klein. Bis sich in Krisen zeigt: Auf komplexere Fragen ist niemand vorbereitet.

Es fehlen Formate, die große Themen so präsentieren, dass sie zu gesellschaftlichen Debatten werden Foto: Moritz Frankenberg/dpa

P utin ist Putin, und er hat nie vorgegeben, etwas anderes zu sein als Putin. Kein Despot muss sich die Mühe machen, den Westen zu täuschen, der Westen täuscht sich schon selbst. Demokratische Regierungschefs reisen zu Diktatoren und wagen es kaum, Menschenrechts- oder Freiheitsfragen auf die Agenda zu setzen – Diplomatie heißt das dann, der Dialog muss fortgesetzt werden! Fortgesetzt wird jedoch hauptsächlich der Handel, der Dialog reißt ab.

Warum wurde in den letzten Jahren die sicherheitspolitische Debatte nicht aufrichtig geführt: Wo war die breitere gesellschaftliche Debatte darüber, wie abhängig wir uns von Putin machen dürfen? Es gab tatsächlich keinen Plan B für den Katastrophenfall, der jetzt eingetreten ist. Wir sind abhängig; sorry, auf jeden Fall bis zum Winter untergraben wir unsere eigenen Sanktionen gegen Putin! Der beste Rat bisher ist, dass wir Strom sparen sollen, es gibt ja auch Pullis.

Es sind eben solche Vorschläge, die zeigen, wie wenig geübt die deutsche Öffentlichkeit noch darin ist, über die Lage der Welt nachzudenken. Heizung an- und ausdrehen, das können wir anscheinend verarbeiten, aber das Wissen über Geopolitik, die Bedeutung Deutschlands oder gar der liberalen Demokratien in der Welt ist kaum ein Thema in den Alltagsgesprächen dieses Landes. Politik ist in Deutschland eine immer kleinteiligere Frage geworden, und der Umgang mit der Coronapandemie war exemplarisch für unsere diskursive Unfähigkeit: Wir haben uns über Kleinstmaßnahmen von Bundesland zu Bundesland gestritten, wir haben allen mehr oder minder erfolgreichen Ministerpräsidenten die Bühne geboten, obwohl sie nichts zu sagen hatten – gelöst haben wir die Probleme damit noch lange nicht.

In Deutschland lieben wir den diskursiven Nebel. Vier Talkshows bieten uns die Öffentlich-Rechtlichen regelmäßig, alle haben fast zwei Jahre lang ausschließlich die pandemische Lage beackert. Natürlich kann man sagen, das lag an der historischen Herausforderung, es lag aber auch daran, dass es der deutschen politischen Diskurskultur entspricht, das Klein-Klein aufzublasen, so zu tun, als verstehe man in den Redaktionen den armen Michel oder die Luise in Bottrop; ich weiß nicht, wie man diese Kunstfiguren des mittelmäßigen Verstehens im Journalismus sonst noch nennt.

Diese Vorstellung, dass die Bürgerinnen und Bürger im Durchschnitt eben nicht in der Lage wären, strukturelle Fragen in den Blick zu nehmen, Verbindungen zu ziehen und so nach Schaltstellen zu suchen, an denen man Größeres bewegen könnte. Dieses beharrliche Unterschätzen der demokratischen Öffentlichkeit, tausend Nostalgiesendungen wurden in den letzten zwei Jahren produziert, man will uns ja Ablenkung schenken, daher auch die Behauptung: Der erneute Angriff auf die Ukraine kam „plötzlich“ und „unerwartet“.

Strukturelles Denken fehlt. Aber auch der Glaube daran, dass wir gemeinsam etwas ändern können

Wer hätte das ahnen können, fragen jetzt einige, als müsste man sich freisprechen. All das, was Putin jetzt tut, kam mit Ansage. Wir müssen anfangen, das kollektive Wegsehen aufzuarbeiten. Die Ermüdung, wenn es um die komplexen politischen Fragen der Welt geht, die Hintergrundinformationen verlangen. Es fehlen Formate, die große politische Themen auf eine Art präsentieren, dass sie zu breiten gesellschaftlichen Debatten werden. Die „Talkshows“ sollten ergänzt werden durch wirkliche Gesprächsformate – ohne Politiker in der Runde, die sowieso nur das wiederholen, was sie schon in ihren Nachrichtenstatements abgegeben haben.

Es braucht mehr kritische Einordnungen, eine höhere Themenvielfalt und den Abschied von der Idee, dass Menschen, nur weil sie ärmer sind oder weniger gebildet, es nicht nötig hätten, auch komplexere Fragen erläutert zu bekommen. Eine andere Ursache für die Verdrängung ist die krankhafte Fokussierung auf die eigenen Befindlichkeiten. Drei Stunden liefen die Bilder vom Krieg und schon fragen hier alle: Wie halte ich es aus, mir das alles anzusehen? Natürlich ist es legitim, sich selbst zu schützen.

Privatisierung des Kriegs

Doch die Art, wie wir unsere Gefühle über einen Krieg, den andere führen müssen, in den Mittelpunkt unseres Redens stellen, macht mich stellenweise fassungslos. Kaum rede ich fünf Minuten mit Leuten über die Ukraine, sagt jeder Zweite zu mir: „Aber wir müssen auch sehen, dass es uns gut geht.“ Muss man sich bei allem fragen, ob es einem dabei gut geht? Geht es uns denn „schlecht“, wenn wir uns anfassen lassen von einem Krieg und seinen unschuldigen Opfern, oder geht es uns eigentlich angemessen?

Es ist, als hätte das Grauen, das Leben eben auch sein kann, keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft, ohne dass man die emotionalen Reaktionen auf diesen Schrecken sofort pathologisieren oder wegberaten müsste. Man sucht oder gibt sofort Rat, wie das Leiden wieder weggehen kann, statt eben diesen Leidensdruck als etwas zu erkennen, das wieder an die Welt zurück gerichtet werden muss: Wir leiden an diesem Unrecht und sollten das gesellschaftlich zum Ausdruck bringen, nicht nur Ratschläge erteilen, wie es uns gelingen kann, an dem Elend nicht zu leiden. Uns abzulenken.

Es ist diese merkwürdige Verdrängung und Privatisierung von Leiden, die dazu geführt hat, dass zahlreiche gesellschaftliche Missstände nicht mehr angeprangert werden. Das Problem ist nicht, dass wir zu weich sind, sondern dass auch eine solidarische Öffentlichkeit fehlt, die gemeinsam leidet und den Verantwortlichen deutlich macht, dass man diese Inhumanität nicht dulden will. Strukturelles Denken fehlt. Aber auch der Glaube daran, dass wir gemeinsam etwas ändern können. So verdrängen viele dankbar, schlicht weil sie überfordert und vereinzelt sind.

Es wird in der Ukraine keine Geschichte von David und Goliath geben, auch wenn das eine tröstliche Hoffnung ist. Wir müssen lernen, den Schock zuzulassen, Zusammenhänge tiefer zu verstehen. Statt das Leiden zu privatisieren, ist es Zeit zu fragen: Was müssen wir tun?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

29 Kommentare

 / 
  • "Die Deutsche Gesellschaft ist unfähig..."

    das ist mir alles viel zu undifferenziert und selbstgerecht, sorry.

    Putin hat gesagt: "wir machen eine Übung, wir werden nicht einmarschieren" und viele haben gehofft, dass er nicht lügt.

    Betrachten Sie gerne mal die Artikel in der TAZ in der Zeit vor dem 24.2. wenige wussten es, dass es so kommen wird.

    Jetzt wissens plötzlich viele - fast alle- seltsam? oder?



    Sich selbst zu hinterfragen als Journalist und als Medienorgan, wäre vermutlich sinnvoller als über "Die Gesellschaft" zu schwadronieren...

  • "Wir" haben das nicht getan, das haben in der Hauptsache diejenigen getan, die jetzt am lautesten schreien, die Journalisten.



    Öffentlicher Diskurs, was soll das denn bitte sein und von wem soll er getragen und transportiert werden?



    Wer stellt denn Öffentlichkeit her?



    Doch nicht der einzelne Deutsche. Wer wenn nicht Journalisten halten weite Teile der Bevölkerung für unfähig komplexe Sachverhalte zu diskutieren. Das beharrliche Unterschätzen liegt ganz bei Ihrer Zunft.



    Ihre Zunft bläst die Details bis zur Unkenntlichkeit auf und holt jeden abgehalfterten Fachmann auf die Bühne. Da ist die TAZ keinen Deut anders



    Halten Sie sich mal schön den Spiegel vor anstatt der "Öffentlichkeit" mangelnde Diskursfähigkeit zu unterstellen.

  • An dem Text ist Vieles richtig und auch hier täglich gut zu beobachten. In Artikeln, sowie in den dazugehörigen Kommentaren.

    In kaum einer Debatte wird noch versucht von der eigenen Meinung abweichende Positionen und andersgeartete Lebensumstände zumindest zu verstehen. Es wird kaum noch ergebnis- und konsensorientert, schon gar nicht auf Augenhöhe diskutiert. Man will nicht zuhören, man will agitieren.

    Debatten verlieren sich schon am Anfang in gegenseitigen Vorwürfen und endlos wiedergekäuten Maximalforderungen. Schubladisierung, Pauschalisierung, schwarz/weißes Lagerdenken und überhebliche Basta-Argumente sind der Trend. Ein "wir" gibts nur noch, wenn man vom Gegenüber etwas einfordert.

    Das hat viel mit der Zweizeiler-, bzw. Freund/Feind Mentalität der sozialen Netzwerke zu tun, mit dem Zeitgeist moralische Vollkommenheit und argumentative Unfehlbarkeit selbstgerecht selbstgerecht vor sich her zu tragen und den Gegenüber mit Spitzfindigkeiten und plakativen Stempeln von vornherein zu entwaffnen.

    Es geht schlicht nur noch ums Recht haben und nicht ums Vorankommen.

    Was "wir" tun müssen? Uns selbst und unsere kleinkarierten Prinzipien ab und zu mal zurückzunehmen.

  • Nach jahrzehntelanger Fetischisierung des Egoismus erntet die Gesellschaft die Früchte, die sie gesät hat.

    Ich ich ich. Jeder für sich. Kein Verständnis und erst recht keine Solidarität mehr mit Schwächeren (Alte, Arme, Arbeitslose, Kranke, Hartz4-Empfänger, Geflüchtete...) - das sind ja alles "Schmarotzer". Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen, sagte einst ein SPD-Politiker.

    Erst recht keine Solidarität mit dem nicht ganz so schwachen "Nächsten", sei es der fastende Muslim, sei es die alleinerziehende Kollegin.



    Andersgläubige, Andersdenkende werden beschimpft und entmenschlicht, egal welche politische Couleur man betrachtet.

    Die Politik bot über Jahrzehnte eine Bühne für aufgeblasene Selbstdarsteller und Populisten mit Kreißsaal-Hörsaal-Plenarsaal-Lebenslauf, und NUR für diese.

    Wenn Wahlen etwas ändern könnten, wären sie verboten.

    • @Schnetzelschwester:

      Die "Fetischisierung des Egoismus" hat auch positive Seiten. Nämlich dass damit auch Emanzipationsbewegungen einhergehen; dass man sich nicht so leicht diskriminieren lässt. Alles andere, das Sie schreiben, gab es schon vorher - und ich nehme an, weitaus häufiger und brutaler: Alte, Arme, Kranke, "Sozialschmarotzer", Ausländerfeindlichkeit, Frauenunterdrückung.....

      • @resto:

        Da geht es aus meiner Sicht aber schon eher um ein 'wir' als um das 'ich', denn die laute seinerzeitige Einforderung bspw. der Abschaffung des Par.218 und damit einhergehend die Emanzipationsbewegung war und ist eine gemeinsame Forderung der Frauen, die nicht mehr und nicht weniger einfordern als Gerechtigkeit und Gleichberechtigung.



        Der individuelle Egoismus hat damit nichts zu tun und ist berechtigter Kritik auszusetzen.

  • Die Heizung abstellen und sich einen warmen Pullover anziehen … hat das nicht vor Jahren schon ein gewisser Thilo Sarrazin postuliert? Der Mann muss ein wahrer Visionär gewesen sein.



    Nur was damals als zynisch-arrogante Anmutung an Menschen in prekären Lebensverhältnissen galt, ist heute angesichts des Krieges in der Ukraine als erste patriotische Bürgerpflicht zu verstehen. So ändern sich die Zeiten (und politischen Überzeugungen) … und wieder einmal sind die Armen in den Arsch gekniffen.

  • Ja ja, alles irgendwie richtig und irgendwie schon tausendmal gelesen. Leider hebt sich dieser Beitrag in nichts aus der Masse der Pauschal-Anklagen hervor, die in der gegenwärtigen Debattenkultur eben auch ihren festen Plan haben

  • Die Debattenkultur hier lebt von Unwissenheit, Verschwörungstheorien und neoliberalen Bildern. Gemeinsamer Kern: Menschenfeindlichkeit.

    • 6G
      68514 (Profil gelöscht)
      @Gerhard Krause:

      Gemeinsamer Kern? Na ich würde sagen Egozentrismus und Selbstzufriedenheit. Viele gucken schlicht und ergreifend nicht mehr über'n Tellerrand.

      • @68514 (Profil gelöscht):

        Danke für Ihr Feedback. Die Subsumtion verharmlost.

  • Wenn ich mich so umhöre und lese, trifft das Phänomen nicht nur auf Deutschland zu. Es ist eher eine Erscheinung der „satten Klientel“ round the world.

    • @snowgoose:

      Sehe ich genauso. Ich habe noch nie ein Auto besessen, wenn junge Kollegen von der Arbeit Lebensmittel wegschmeissen, bitte ich sie, diese erste einmal mir vorzulegen, lasse mein Schuhe reparieren, auch meine Jeans an den zerschlissenen Stellen von meiner wunderbaren vietnamesischen Schneiderin flicken etc. Immer wurde ich für ein bisschen "merkwürdig" erklärt, Zoni eben, naja.

  • Auf Arte schaue ich gerne mal "Mit offenen Karten".

    Eine Sendung beleuchtet in 20 Minuten kurz und knapp sachlich ein geopolitisches Thema.

    Alles wird einfach erklärt.

    Es ist eine französische Sendung.

    Nicht nur dass es eine Sendung in diesem Format im deutschen Fernsehen nicht gibt.

    Ich kann mir nicht mal vorstellen, dass es sie geben könnte.

    Ich habe gegrübelt, warum.

    Geopolitik - auch die harmlose informative Form - liegt hier in der Schmuddelecke.

    Man redet nicht drüber und hat keinen Zugang zu diesem Denken

    Deshalb kann man nur zu dem Schluss kommen, Putin sei irrational, irre, krank etc.

    Und ist natürlich von seinem Handeln überrascht.

    Frau Marinic hat da durchaus recht.

    • @rero:

      Von der Sendung bin ich auch großer Fan.



      Nur zur Einordnung und Richtigstellung der Fakten dieses Beitrags: auch wenn ARTE France es produziert hat, kommt die Finanzierung durchaus auch (paritätisch wie alles bei Arte) aus Deutschland:



      www.arte.tv/sites/...sere-organisation/

      Die Länder-Produktionslücken in einer globalisierten und vernetzten Nachrichtenwelt anzuprangern ist unergiebig. Fehlt es doch eher an der Medienbildung der Bürger:innen, eben solche Formate zu finden.

      Sich mehr solche Formate neben den Öffentlich-Rechtlichen auch in den Privatsendern und Bürgermedien und auch zu besseren Sendezeiten zu wünschen unterstütze ich absolut. Angebot-und-Nachfrage funktionieren aber bei einer selbstbestimmten Bürger:in jedoch nicht 1:1 (oder auch zum Glück, denn soetwas geht in Richtung Monopolstellung) daher noch einmal wiederholend: Bildung. Medienbildung.



      und um auf den Artikel zu referieren: Debatten-Bildung. Wie führe ich Streitgespräche. Was ist eine Diskussion. Wie denke ich strukturell, wie individuell, was ist der Unterschied. Danke für den Beitrag.

  • Ich empfehle den aktuellen "leidens-privatiers" ein wenig Dokumentation des Kalten Krieges - leicht und "eingänglich" z.B. wenigstens 1981-1989 die Folgen "Berlin Schicksalsjahre einer Stadt" anzusehen. Den Aufstieg einer ganz jungen Partei mit dem Slogan: "Schwerter zu Flugscharen" zu sehen, mit einer Dynamik die z.T. mehr als 500.000 Menschen auf die Strasse gebracht haben, um Aufrüstung zu verhindern und eine ganze Generation von Friedens"Propaganda" von Filmen wie "The Day After" - "Wenn der Wind weht" ... natürlich "99 Luftballons" "Cruise Missiles" mit sich führte und vom Volk / Kunst & Kultur ausging - nur so herum funktionieren Änderungen. Was in der deutschen Politik zur Zeit passiert ist offizielles treten mit den Füssen von Friedenspolitik zugunsten vom Leidens-Privatisiertem Populismus. - Jedes Volk bekommt das, was es verdient. Wer jetzt nichts gegen derzeitige Aufrüstungspläne etc. aufsteht, ist für die Konsequenzen mitverantwortlich.

  • Ja die Debattenkultur hat wirklich gelitten, von Vielfalt und Perspektivwechseln ist wenig zu finden. Es herrscht die Fixierung auf ein Thema vor, fast immer im Krisenmodus: "Flüchtlingskrise, Bankenkrise, Coronakrise und jetzt Krieg". Es verwundert fast die Auferstehung des Kriegsbegriffs, der ja ansonsten allenfalls zum bewaffneten Konflikt verniedlicht wurde. Und immer wieder der Rückwurf auf´s eigene Wohlbefinden, also ob dies in einer Gesellschaft individualisierter Egomanen nicht schon genug geschehen würde. Also was hilft, mehr geistige Reife für Personen, die mehrheitlich männlich in der Öffentlichkeit den Ton angeben? Bei der umsich greifenden "Smartphoneepidemie" und der Tendenz zu vereinfachten, schnellen Antworten und Lösungen auf alles, fast Utopie.

  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    Spannend wäre nun aber auch, hier zu lesen, welche konkreten Schlussfolgerungen Journalisten für sich und ihr Medium daraus ziehen. Schon seit einiger Zeit ist die Medienlandschaft, mithin der öffentliche politische Diskurs von individuellen Befindlichkeiten geprägt. Wichtig scheint nicht mehr, was man sagt, sondern in erster Linie wie man etwas sagt und wer etwas sagt. Die Fragen, ob man aufgrund von Herkunft oder sonstiger Gruppenzugehörigkeit überhaupt das Recht habe, sich zu einem Thema zu äußern oder ob man einen ideologisch akzeptablen Sprachgebrauch pflegt, wirken wie Filter auf die Zusammensetzung des Meinungsspektrums noch bevor die Zulassung oder gar die Sinnhaftigkeit eines Arguments verhandelt wird.

    Innerhalb von Redaktionen aber auch in wissenschaftlichen Einrichtungen scheint das Meinungsspektrum stetig abzunehmen, da "Abweichler" anscheinend immer schwerer zu ertragen sind. Wenn die wichtigsten meinungsbildenden Organe einer Gesellschaft Befindlichkeiten über Meinungsvielfalt stellen, ist es kein Wunder, dass Mitglieder dieser Gesellschaft ihrer eigenen Befindlichkeit gegenüber allem anderen den Vorrang einräumen.

    Journalisten, insbesondere aber verantwortliche Redakteure dürften in kritischen Beiträgen zu derartigen Aspekten gerne mal häufiger die Worte "ich" oder "wir (die Redaktion)" verwenden. Ansonsten werden ihre Beiträge irgendwann nur noch von Menschen wahrgenommen, die ohnehin das gleiche denken und lediglich eine Bestätigung ihrer Meinung suchen.

    • @14231 (Profil gelöscht):

      Vor allem „wir (die Redaktion)“ würde ich auch gerne häufiger lesen. Am liebsten in Verbindung mit „sehen bisher die folgenden plausiblen Erklärungen: …“

  • Danke für diesen Beitrag!

  • Der Glaube an grenzenloses Wachstum setzt auch grenzenlose Kurzsicht, Gier und Dummheit voraus. Für ein Plus an Wachstum lässt man sich mit jedem ein. Macht und Kapital sind wichtiger als nachhaltiges ökologisches und humanes Handeln. Anstatt in die Gesellschaft wird als Ergebnis in F35-Atombomber investiert. Mit der ausbeuterischen und wachstumsorientierten Variante des Kapitalismus ist dauerhaft kein Frieden möglich.

    • @Andreas J:

      Und der Kauf der F-35 völlig aktionistisch erfolg und man sich ein Flugzeug einkauft, das exorbitante Folgekosten für Wartung erzeugt und selbst in den USA als Pannenflieger und Fass ohne Boden bezeichnet wird. Hauptsache die BW hat ein Spielzeug um mit den Großen mitspielen zu können.

    • @Andreas J:

      Und das obwohl gerade Frieden Wachstum durch effizientere Verfahren und wissenschaftlichen Fortschritt ermöglicht.

      Aber im Frieden fällt Ausbeutung stärker auf.

  • RS
    Ria Sauter

    Ich gebe die Frage zurück:



    "Was müssen wir tun?"

  • Die Deutsche Öffentlichkeit hat auch das Coronavirus-Update mit Drosten gehört, und Arte und ZDF Info haben in den letzten Jahren immer wieder über Putin berichtet:

    - vor 5 Jahren www.youtube.com/watch?v=GAFjtg4iA-s



    - vor 4 Jahren www.youtube.com/watch?v=Ax_QV4if-3k)



    - vor 3 Jahren zweimal www.youtube.com/watch?v=zANNPnqbu0o www.youtube.com/watch?v=vozrWKyiywY und



    - letztes Jahr www.youtube.com/watch?v=erOn8Km2PSg www.youtube.com/watch?v=U3YUBfL85M0

    Es stimmt schon was nicht, dass das nicht im Fokus stand, aber besprochen wurde das. Wir hatten alle Infos; statt sie zu diskutieren wurden seit weit mehr als zwei Jahren die großen Talkshows als Plattform für die AfD bereitgestellt.

    • @Arne Babenhauserheide:

      "...Wir hatten alle Infos; statt sie zu diskutieren wurden seit weit mehr als zwei Jahren die großen Talkshows als Plattform für die AfD bereitgestellt."

      Sie haben aber eine seltsame Perspektive. Ich schaue schon regelmässig Talkshows und kann mich kaum an AfD-Gäste erinnern und die Partei selber beklagt sich ja laufend, dass sie als "größte Oppositionspartei" (zumindest in der Merkel-Zeit) viel zu wenig Präsenz im öffentlich- rechtlichen TV bekommt. Nicht dass ich die AfD dort vermissen würde aber die Aussage, die Talkshows wären eine Plattform für die AfD, ist schlicht Unsinn.

      • @Stefan L.:

        Beachten Sie das „weit mehr als 2 Jahre“. Erst kurz vor Beginn der Pandemie haben die Talkshows nach jahrelangem AfD-Einladen gemerkt, dass sie damit aufhören müssen.

        Es gab jahrelang in den meisten Sendungen eine Einladung für ein AfD-Mitglied, selbst als die AfD noch klein war. Man brauchte ja noch die Meinung der Menschenfeinde — sonst gäbe es vielleicht zwei wirklich gleichwertige Standpunkte für eine echte Diskussion.

        (ich befürchte, ich bin hier etwas sehr frustriert von Sendungen wie Hart aber Fair, die in allen Sendungen, die ich davon bisher gesehen habe, weder hart hinterfragt noch fair diskutiert haben)

  • Gut! Vielen Dank!

  • "Es ist diese merkwürdige Verdrängung und Privatisierung von Leiden, die dazu geführt hat, dass zahlreiche gesellschaftliche Missstände nicht mehr angeprangert werden. Das Problem ist nicht, dass wir zu weich sind, sondern dass auch eine solidarische Öffentlichkeit fehlt, die gemeinsam leidet und den Verantwortlichen deutlich macht, dass man diese Inhumanität nicht dulden will. Strukturelles Denken fehlt."

    Nun, Frau Wagenknecht hat genau das in ihrem Buch ganz hervorragend gemacht.

    Die deutsche Öffentlichkeit hat dieses klar erkannt und dankbar angenommen. Das Buch war über eine Reihe von Monaten auf den Top-Platzierungen der Sachbuchbestsellerlisten.

    Too much für gewisse Teile der Linken, die sich demaskiert sahen und nur Galle spuckten. Eine auch nur halbwegs überzeugende sachliche Kritik hat keiner von denen hingekriegt.

    Es sieht so aus als hätten gewisse Teile der Gesellschaft ein virulentes Interesse daran, diese in Unwissenheit zu halten.