Rechte Szene streitet über Russlandkrieg: Putinversteher vs Ukrainefreunde

Trotz Russlandkrieg hält die rechtsextreme Szene zu Putin. Eine Gruppe Neonazis aber steht zur Ukraine – wegen lokaler Nationalisten.

Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer auf einer Corona-Protestkundgebung em Brandenburger Tor in Berlin

Stellt sich klar auf Seiten Putins, und das seit Langem: Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer Foto: Christian Mang

BERLIN taz | Der Angriff Russlands auf die Ukraine setzt auch die rechtsextreme Szene in Deutschland in Wallung – indes mit unterschiedlichen Positionierungen. Während der Großteil der Szene, trotz des Bombardements, weiter zu Putin hält, stellt sich eine Gruppe Neonazis auf Seiten der Ukraine.

Für die NPD ist der Schuldige klar. „Die Kriegshetze der NATO hat es nun geschafft, dass die Brudervölker Russen und Ukrainer aufeinander schießen“, heißt es in einem aktuellen Präsidiumsbeschluss der rechtsextremen Partei. Verantwortlich seien die USA, welche die „berechtigten Sicherheitsinteressen“ Russlands nicht anerkannt hätten – eine eigenwillige Interpretation der eigenmächtigen Invasion Putins in der Ukraine und dessen Großmachtreden. Die zentrale Forderung der NPD nach den Angriffen dennoch: Amerikanische Soldaten müssten „sofortig“ Europa verlassen, „Ami go home“.

Ins gleiche Horn stößt das rechtsextreme Compact-Magazin. Russland sei „nicht der Aggressor“, schreibt deren Chefredakteur Jürgen Elsässer, auch nachdem Putin bereits die Ukraine angriff. „Die Aggression geht von der Nato unter Führung der USA aus.“ Diese würde die Ukraine als „Offensivplattform gegen Russland“ nutzen. Eine erneute „Spaltung“ der Welt in einen US-geführten und einen prorussischen Block wäre „eine gute Nachricht“, offenbart Elsässer, was hinter seiner Positionierung steckt. Denn: „Der zerstörerische Globalismus käme zum Stillstand.“

Deutschland jedenfalls müsse in dem Krieg „strikte Neutralität“ wahren, so Elsässer. Deutsche und Russen dürften sich „nie mehr gegeneinander hetzen lassen“. Und er fordert nicht nur einen Abzug der US-Truppen aus Europa, sondern auch einen Austritt Deutschlands aus der Nato und eine neue Friedensbewegung von rechts.

Aufruf zu Friedensbewegung von rechts

Die Freien Sachsen, die derzeit in Sachsen und darüber hinaus zu Coronaprotesten mobilisieren, machen hier bereits einen Aufschlag. „Friedensbewegung und Coronaprotest verbinden“, appelliert aktuell das rechtsextreme Bündnis. „Nie wieder sollen sich Deutsche und Russen bekriegen“, heißt es auch da. Schon fiel den Freien Sachsen zum russischen Angriffskrieg nur ein: „Stoppt die Hetze gegen Russland.“ Die Nato habe die ukrainische Regierung „regelrecht aufgestachelt und zu fortwährenden Provokationen und Überfällen veranlasst“. Sanktionen gegen Russland seien abzulehnen und die selbsternannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine anzuerkennen. Denn, so die groteske Begründung: „Auch wir Sachsen streben nach Autonomie.“

Zurückhaltender, aber dennoch deutlich gibt sich der AfD-Rechtsextreme Björn Höcke. Der Thüringer fordert aktuell zwar, die Kriegshandlungen in der Ukraine „sofort einzustellen“. Aber auch er nahm sofort die USA in Mitverantwortung für den Russlandkrieg. Die Ukraine sei das Opfer einer geopolitischen Auseinandersetzung. Sowohl Russland als auch die USA hätten sich aus dem Land „rauszuhalten“, so Höcke. Nur zwei Tage zuvor hatte er lakonisch erklärt, Russland tue schlicht, was auch andere Staaten täten – „nämlich seine Pufferzone zu sichern“. Und Deutschland müsse „aufhören, die Interessenpolitik der USA zu betreiben und beginnen, Russland an Europa heranzuführen“.

Der III. Weg hält zu ukrainischen Nationalisten

Anders positioniert sich hingegen die rechtsextreme Splitterpartei „Der III. Weg“. Zwar heißt es auch da, man lehne sowohl „den russischen Imperialismus“ als auch den „US-amerikanischen Globalismus“ ab. Dann aber spricht die Partei klar von einer „russischen Invasion“ und stellt sich auf Seiten der Ukraine – offensichtlich wegen dort aktiver nationalistischer Bataillone. Die Partei bejubelt die „ukrainischen Brüder“ und „nationalen Aktivisten“, deren „Widerstandswillen noch lange nicht gebrochen“ sei.

Nach eigener Auskunft beteiligten sich Anhänger des III. Wegs auch an einer Friedenskundgebung am Donnerstagabend vor dem russichen Generalkonsulat in Frankfurt/Main. Ein Foto zeigt einen Aktivisten mit einem Asow-Emblem – einem rechtsextremen ukrainischen Freiwilligenbataillon. Tatsächlich hält der III. Weg schon länger Kontakte zu Asow, berichtete schon vor Jahren von Besuchen bei dem Bataillon. Und erst vor wenigen Tagen lobte die Partei Asow als „bewaffneten Arm der nationalen Bewegung“ in der Ukraine, der sich in einem „heldenhaften Kampf um die Freiheit ihres Landes“ befinde.

„Ideologische Kolonnen über Moskau hinaus“

Für den Rechtsextremismusforscher Matthias Quent sind die Szenereaktionen keine Überraschungen. Er erwartet, dass extreme Rechte und Antidemokraten den Russlandkrieg auch in Deutschland ausnutzen werden, „um die liberale Demokratie weiter zu destabilisieren“. Schon länger existiere ein „Wirkungsbündnis“, das auch hierzulande Desinformation und Aufstachelung verbreite. „Moskaus ideologische Kolonnen und Helfer reichen weit über die Ukraine hinaus.“

Auch sei zu erwarten, dass die Szene schnell wieder zu prorussischen Protesten wie den montäglichen Friedensmahnwachen vor einigen Jahren zurückkehren werde, so Quent. Dies könnte „ein Comeback von Relativierung und Revisionismus“ bedeuten.

Ausreise deutscher Rechtsextremisten verbieten

Die Bundesregierung kündigte derweil an, Ausreisen deutscher Rechtsextremisten ins ukrainische Kriegsgebiet unterbinden zu wollen. Würden solche Reiseabsichten bekannt, werde die Bundespolizei Fahndungsnotierungen und Ausreiseuntersagen prüfen, erklärte das Bundesinnenministerium auf eine Linken-Anfragen, die der taz vorliegt. Die Bundespolizeidirektionen seien in dieser Frage bereits „sensibilisiert“ worden. Bei Verdachtsfällen werde es „intensive Kontrollmaßnahmen“ geben.

Auch die Linken-Innenexpertin Martina Renner forderte die Sicherheitsbehörden auf, hier wachsam zu bleiben und Ausreisen deutscher Neonazis in die Ukraine und nach Russland „besonders im Blick zu haben“.

Zuletzt hatte etwa der frühere NPD-Funktionär Baldur Landogart auf Telegram zum Krieg in der Ukraine erklärt, er werde, wenn es ihm möglich sei, „an den Kämpfen teilnehmen“. Gleichzeitig offerierte er: „Wer anstelle von einem 1000ten Corona-Spaziergang einmal an einem richtigen Kampf teilnehmen möchte, kann sich melden.“ Anschließend verschickte Landogart Kontaktadressen des rechtsextremen National Korps in der Ukraine. Und an Putinversteher in der eigenen Szene gerichtet erklärte er: „Ihr seid nicht mehr meine Kameraden und Ihr gehört auch nicht mehr meinem Volk an.“

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