Caroline Rosales über Schulschließungen
: Im Kopierkrieg

Am ersten Tag nach den Weihnachtsferien scheitert das Homeschooling an der Witterung. Die Kisten mit den DIN-A3-Umschlägen auf dem Schulhof sind klamm. Um sie herum, dicht an dicht, Schüler.innen und Eltern, die das passende Kuvert aus Hunderten heraussuchen. Während wir (eine Mutter, drei Kinder) wenig später zu Hause die feuchten Arbeitsblätter fönen, hören wir in den Nachrichten, dass sich nun auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für eine weitere Schließung von Schulen ausspricht.

Hier wird es für Millionen Eltern irre. Denn eins der wichtigsten Argumente für Schulschließungen war doch, dass die Personenzahl im öffentlichen Nahverkehr dezimiert und mögliche Menschenansammlungen wie an Schulen vermieden werden sollten? Wie schon in den vergangenen Monaten prescht die Politik hier vor und lässt dabei völlig außer Acht, dass sich die normale deutsche (Grund-)Schule noch im Zeitalter von Kreide, Tafel und Papier befindet. Digitale Unterrichtsstunden via Smartphone und Laptop sind noch immer rar gesät, während noch immer Hunderttausende Oberstudienrät.innen vormittags am Kopiergerät stehen, statt virtuell vor ihren Schüler.innen.

Am Ende scheitert damit jede politisch geplante Lockdown-Reißbrettstrategie am Abgleich mit der Lebensrealität von Millionen deutschen Familien. Die täglichen Auswirkungen sind dabei filmreif bis tragisch: Eltern, die während ihres Zoom-Meetings die Kamera ausstellen müssen, weil sie eine Matheaufgabe erklären, einen Streit schlichten, ein Kleinkind füttern oder Küchenrolle aus der Toilette fischen. Eltern, die Kinder ganztags aus Verzweiflung vor den Fernseher setzen, weil der Arbeitgeber kein Verständnis für Homeschooling hat. Und Kinder, die tagsüber nicht homeschoolen, sondern auf ihre jüngeren Geschwister aufpassen müssen, damit die Eltern arbeiten gehen können. Dazu hagelt es Floskeln. „Es ist für alle leichter, jetzt eine Woche länger die Schulen zuzuhaben, als sie aufzumachen und dann wieder vor Debatten zu stehen“, sagt Jens Spahn.

Mit Verlaub, Herr Minister: Sie mich auch.

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