Privilegien für Corona-Geimpfte: Grund-, keine Sonderrechte

Nicht jede differenzierende Behandlung ist diskriminierend. Zumal das Kriterium hier für alle das gleiche wäre: ansteckend oder nicht?

Pflegekräfte stehen vor dem Impfzentrum Arena in Berlin Treptow in einer langen Schlange für die Impfung gegen das Corona-Virus an

Pflegekräfte stehen am Sonntag vor dem Impfzentrum Arena in Berlin für die Corona-Impfung an Foto: Kay Nietfeld/dpa

Stellen Sie sich mal ein altes Ehepaar vor: Beide sind über 80, seit Jahrzehnten verheiratet und seit einigen Tagen gegen Corona geimpft. Schöne Sache eigentlich, er wohnt nämlich im Heim, sie in der eigenen Wohnung und seit Monaten dürfen sie sich nur eingeschränkt treffen. Jetzt, da beide immun sind, würden sie sich gerne wieder täglich sehen und einen möglichst großen Teil ihrer verbliebenen Lebenszeit gemeinsam verbringen. Blöd nur: Bis irgendwann im Sommer oder Herbst ein Großteil der Bevölkerung geimpft ist, bleibt es ihnen verboten.

Ungerecht? Darauf läuft aber in letzter Konsequenz hinaus, was von Bernd Riexinger bis Jens Spahn gerade diverse Po­li­tiker*in­nen anmahnen: Eine „Bevorzugung“, „Privilegien“ oder gar „Sonderrechte“ für Geimpfte dürfe es nicht geben. Auch auf den Kommentarseiten der Zeitungen scheint diese Position im Moment Konsens zu sein. Trotzdem ist sie falsch.

Das fängt schon bei der Wortwahl an: Es geht nicht um Sonder-, sondern um Grundrechte. Diese sind derzeit für alle massiv eingeschränkt, mit enormen Folgen wirtschaftlicher, psychischer und sozialer Art. Verhältnismäßig und dadurch legitim sind diese Einschränkungen nur, weil ohne sie die Zahl der Infektionen rasant ansteigen würde. Gesundheit und Leben enorm vieler Menschen wären gefährdet.

Was aber, wenn Studien in den nächsten Wochen bestätigen, dass geimpfte Personen nicht nur selbst gegen die Krankheit geschützt sind, sondern auch niemanden mehr anstecken können? Die Grundrechtseinschränkungen für diese Personen wären dann offenkundig nicht mehr dazu geeignet, Ansteckungen zu verhindern. Sie müssten aufgehoben werden.

„Nicht jede differenzierende Behandlung hat diskriminierenden Charakter“, schrieb der Ethikrat schon im Herbst in einer Stellungnahme zu möglichen Immunitätsausweisen. Auf die Impffrage lässt sich das 1:1 übertragen. Zumal das Kriterium für die Grundrechtseinschränkungen für jeden Bürger und jede Bürgerin das gleiche wäre: potenziell ansteckend oder nicht?

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Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

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