Vorfall bei Polizeieinsatz in Düsseldorf: Mit Knie am Kopf zu Boden gedrückt
Ein Video im Internet zeigt, wie Düsseldorfer Polizisten brutal gegen einen 15-Jährigen vorgehen. CDU-Innenminister verspricht Aufklärung.
Offenbar erinnerte die Szene, die sich am Samstagabend auf der Partymeile der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt abspielte, auch Passant*innen an das Ersticken des 46-jährigen Floyd: „Mach mal dein Knie runter“, fordert ein Mann in einer 15-sekündigen Filmsequenz mehrmals von dem Polizisten. „Das ist nicht lustig“, warnt er den Beamten – während ein dritter Beamter offenbar verunsichert danebensteht.
Selbst die Polizei sieht bei dem harten Vorgehen den „Verdacht eines Beamtendelikts“. Aus „Neutralitätsgründen“ sei die Untersuchung des Falls an die Kolleg*innen in der Nachbarstadt Duisburg abgegeben worden, heißt es in einer Stellungnahme des Düsseldorfer Polizeipräsidiums.
Nach Auskunft der Polizei seien die drei Polizisten am Samstagabend gegen 19:30 Uhr zunächst zu einem Fast-Food-Restaurant gerufen worden, wo eine Gruppe von circa zehn Randalierern Ärger gemacht habe. Der mit Gewalt zu Boden gedrückte Jugendliche, der erst 15 Jahre alt sein soll, sei nicht an der Randale beteiligt gewesen.
Innenminister zeigt sich entsetzt
Allerdings habe er den Polizeieinsatz gestört und die Beamten angegriffen. Nach seiner Festnahme sei er zur Identifizierung zur Polizeiwache Stadtmitte gebracht und danach in die Obhut seiner Erziehungsberechtigten übergeben worden. Ob der 15-Jährige verletzt worden sei oder einen Migrationshintergrund habe, sei noch nicht bekannt, sagte der Sprecher der zuständigen Düsseldorfer Staatsanwaltschaft, Julius Sterzel, der taz. Man warte auf die Ermittlungsergebnisse der Duisburger Polizei.
Allerdings ist schon heute klar, dass der gewaltsame Polizeieinsatz ein parlamentarisches Nachspiel haben wird: Auf Antrag von SPD und Grünen wird sich der Innenausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags am Donnerstag mit dem Fall befassen. „Der Polizeieinsatz in Düsseldorf muss aufgeklärt werden. Dass Polizisten sich auf Kopf/Hals einer am Boden liegenden, bereits fixierten Person knien, kann nicht verhältnismäßig sein“, twitterte die parlamentarische Geschäftsführerin der grünen Landtagsfraktion, Verena Schäffer, am Montagmorgen.
„Wir hatten gehofft, dass wir solche Bilder nach dem tragischen Tod von George Floyd in Deutschland niemals zu sehen bekommen würden“, erklärten für die Sozialdemokraten Landtagsfraktionsvize Sven Wolf und der innenpolitische Sprecher Hartmut Ganzke. „Ein starker Staat muss verhältnismäßig mit seiner Macht umgehen.“
Auch Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul, der seit Jahren versucht, mit einer „Law and Order“-Politik einen starken Staat zu symbolisieren und damit die rechte Flanke der Christdemokraten abzudecken, versprach Aufklärung. „Auch ich habe mich erschrocken“, sagte Reul über seinen ersten Eindruck von dem Video, das in verschiedenen Längen im Internet kursiert.
Der Innenminister erklärte allerdings, die Einsatzvorgaben seiner Polizei erlaubten, dass Beamte ihr Knie oder Schienbein „auf dem Ohr“ einer am Boden liegenden fixierten Person hätten. Ein Zusammenpressen des Halses sei dagegen nicht gestattet. SPD und Grüne erwarten in der Innenausschusssitzung am Donnerstag einen umfassenden Bericht aus Reuls Ministeriums – und erste Ermittlungsergebnisse der Duisburger Polizei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja