Diana Kinnert über die Zukunft der CDU: „Der Rückzug ist keine Lösung“

Die CDU muss die offene Flanke zur AfD endlich schließen, fordert Diana Kinnert, Nachwuchstalent ihrer Partei. Alles andere wäre der Sargnagel für die CDU.

„Jede Annäherung an eine rechtsextreme Partei ist ausgeschlossen“, sagt Diana Kinnert Foto: reuters/Fabrizio Bensch

taz: Frau Kinnert, Annegret Kramp-Karrenbauer wird den CDU-Vorsitz abgeben, Kanzlerkandidatin will sie auch nicht mehr werden. Wie bewerten Sie das?

Diana Kinnert: Es ist bedauerlich, aber verständlich, da der Eindruck entstanden ist, sie könne die Partei nicht mehr einig nach vorne bringen. Thüringen hat gezeigt, dass es ihr nicht nur an Autorität und Rückhalt, sondern auch an einem Plan fehlt. Kramp-Karrenbauer und Generalsekretär Paul Ziemiak waren stets klar hinsichtlich der Bewertung der AfD als reaktionäre und rechtsextreme Partei; einzig man kann es einer Partei nicht glauben, wenn sich ein ganzer Landesverband im Widerspruch verhält. Kramp-Karrenbauers Rückzug ist darum auch noch lange keine Erleichterung oder gar Lösung für die Partei. Die Integration der Landesverbände bei gleichzeitig klarer Haltung gen Rechtsextremismus wird enorm herausfordernd. Das Signal, dass Kramp-Karrenbauer daran gescheitert ist, ist fatal.

Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) hat versucht, vor der Abstimmung in Thüringen auf FDP-Chef Lindner einzuwirken, dass die FDP keinen Kandidaten aufstellt. Lindner lässt die Dinge laufen und wird – nachdem der Schlamassel angerichtet ist – vom FDP-Vorstand bestätigt. AKK findet klare Worte und schmeißt jetzt hin.

Das ist ungeheuerlich. Mohring und Kemmerich waren schamlos, skrupellos und verantwortungslos und verantworten einen Kulturbruch in der bundesdeutschen Geschichte. Lindner hat das mindestens gebilligt, lavierte und relativierte anschließend. Drei Männer waren also nicht nur unfähig, sondern lagen ganz klar falsch, – und die Frau, die von Anfang an klar war und der es an Rückhalt fehlte, muss jetzt in einem großen Knall gehen.

29, Unter­nehmerin und Autorin, trat mit 17 in die CDU ein. Als Nachwuchshoffnung war sie Mitarbei­terin von Peter Hintze und Mitglied der CDU-Reformkommission. Derzeit hat sie weder Amt noch Mandat

Es gibt diese Grundsatzfrage, die ihre Partei zu zerreißen droht: Wie halten wir es mit AfD und Linkspartei? Die CDU hat sich – mit Parteitagsbeschluss – für eine Äquidistanz entschieden, die Regierungsbildung derzeit in Thüringen so schwierig macht. War das ein Fehler?

Nein, ich glaube, dass die CDU ihre Werte tatsächlich nur dann glaubhaft vertreten kann, wenn sie eine Zusammenarbeit auch mit der Linken weiterhin ausschließt. Da gibt es viele moderne, vernünftige Leute, wie Bodo Ramelow, den ich immer als konservativen Sozialdemokraten eingestuft habe. Aber solange die Gesamtpartei ein aus christdemokratischer Sicht unaufgeklärtes Verhältnis zur eigenen Geschichte besitzt und noch immer den Unrechtsstaat DDR relativiert, kann es keine Zusammenarbeit geben. Dass jede Annäherung an eine reaktionäre, rechtsextreme Partei mit faschistoiden Elementen wie die AfD ausgeschlossen ist, versteht sich von selbst.

Zugespitzt gesagt bedeutet das eine Gleichsetzung von Björn Höcke mit Bodo Ramelow. Das ist schwer nachvollziehbar.

Nein, das sehe ich anders. Die AfD ist eine demokratiefeindliche Partei und damit Gegner aller aufrechten Demokraten, Björn Höcke noch dreimal mehr. Aber Union und Linkspartei trennt Wesentliches innerhalb des politischen Streitraums. Das ist bei aktuellem Stand nicht zusammenzubringen.

Sollte aus ihrer Sicht trotz der schwierigen Lage in Thüringen ausgeschlossen sein, dass CDU-Landtagsabgeordnete Ramelow, den Sie ja für vernünftig halten, zum Ministerpräsidenten zu wählen?

Ja, weil es dazu einen klaren Parteitagsbeschluss gibt. Wer den aufgibt, gibt auch die Funktionalität des Parteiapparats im Gesamten auf. Und ich halte es auch für falsch, inhaltliche Debatten zu ersetzen mit: Alle Demokraten gegen die AfD. Damit wertet man sie als Anti-Establishment-Partei nur auf. Wir müssen uns um Probleme kümmern, wie soziale Isolation und Einsamkeit, Investition und Infrastruktur auf dem Land, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Und sicherlich war es zu kurz gedacht, die Bewegungen um die organisierte Werteunion unkommentiert zu lassen. Wer sich am Parteirand als Vereinigung aufspielt, Gelder einkassiert und spalterische Kampagnen fährt, verhält sich klar parteischädigend. Daher braucht es einen Unvereinbarkeitsbeschluss.

Die Konsequenz könnten mehrere tausend Parteiausschlussverfahren sein.

Wie das juristisch zu machen ist, kann ich nicht genau einschätzen. Aber ich weiß: Ich kann mir, wie viele in der CDU, nicht vorstellen, in einer Partei aktiv zu sein, die sich nicht unmissverständlich gegen die AfD positioniert. Das haben AKK und Paul Ziemiak auch sehr klar kommuniziert. Aber wenn ein Landesverband sich da querstellt, gibt es ein Glaubwürdigkeitsproblem. Die neuen Umfragen in Thüringen sprechen ja Bände: Die FDP wäre ganz aus dem Landtag raus, die CDU fällt um 10 Prozentpunkte auf 12 Prozent, halbiert sich beinahe. Es wäre der Sargnagel für die CDU, wenn man diese Flanke offen ließe. Ich bin überzeugt, zehntausende Parteimitglieder würden der Union den Rücken kehren, wenn sie offen mit Rechtsextremen kooperierte.

Die CDU steht vor einer riesigen Herausforderung. Wem der Kandidaten, die jetzt für die AKK-Nachfolge im Spiel sind – Armin Laschet, Friedrich Merz, möglicherweise auch noch Jens Spahn –, trauen Sie zu, diese zu bewältigen?

Friedrich Merz ist die falsche Person, das habe ich aber vor einem Jahr noch anders gesehen. Aber inzwischen hat er sich so sehr als Projektionsfläche angeboten und mit Zuspitzungen und Provokationen hat anreichern lassen, dass ich ihm weniger die Einigung als doch die Polarisierung innerhalb der Partei zutraue. Armin Laschet könnte ich mir besser vorstellen. Es sollte auf jeden Fall jemand sein, der sich in der Partei schon als Ministerpräsident oder Ähnliches verdient gemacht hat. Und als Kanzlerkandidaten sollte man Markus Söder nicht ausschließen.

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