CDU und das Thüringer Debakel: Die Abgrenzung nach links ist überholt
Die CDU-Bundesspitze fordert zu Neuwahlen auf. Dabei würde die Partei deutlich verlieren. Schlauer wäre es, neue Bündnisse zuzulassen.
Noch gibt sich die CDU-Vorsitzende nicht geschlagen. AKK nach einem Treffen der Parteispitze Foto: reuters
Die Bundes-CDU gibt ihren Landesverband in Thüringen zum Abschuss frei. Das war schon die Botschaft, als Kanzlerin Angela Merkel und Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer Neuwahlen in Thüringen forderten. Umfragen legen inzwischen nahe, dass die CDU stark verlieren würde, wenn es zu einem neuen Urnengang käme. Die CDU Thüringen würde fast halbiert und käme vielleicht nur noch auf 11 Prozent der Stimmen.
Rechte Wähler würden gleich zur AfD wechseln, während sich gemäßigte Konservative nun gänzlich heimatlos fühlen würden. Es ist daher kein Wunder, dass die CDU Thüringen gebetsmühlenartig wiederholt, dass sie an einer Neuwahl kein Interesse hat. Wer will schon seine Karriere als Berufspolitiker aufgeben? Die Bundesrepublik erlebt damit eine Premiere: Erstmals bekriegt sich die CDU-Zentrale mit einem eigenen Landesverband bis zur gegenseitigen Erschöpfung.
Bisher war der Standard, dass sich die CDU-Spitze mit den Bayern herumärgern musste. Aber bekanntlich ist die CSU eine eigene Partei, sodass die periodischen Fehden die CDU-Spitze nicht fundamental erschüttern konnten. Diesmal aber geht es ums Ganze: Es entscheidet sich nicht nur das Schicksal von Kramp-Karrenbauer, Merkel oder den Abgeordneten in Erfurt – am Ende wird die CDU eine andere Partei sein. Sie muss nicht nur ihr Verhältnis zur AfD klären, sondern auch zur Linkspartei.
Die Affäre in Thüringen machte schlagartig das Kernproblem deutlich, an dem die CDU im ganzen Osten leidet. Sie hat tendenziell gar keine Machtoptionen mehr. Denn die Bundespartei hat das Prinzip der „Äquidistanz“ ausgegeben: CDUler sollen weder mit der AfD noch mit der Linkspartei koalieren. Das klingt pfiffig und nach „Mitte“, scheitert aber häufig in der Praxis. Erstens ist die CDU zur Daueropposition verdammt, sobald Linke und AfD jeweils mehr Stimmen erhalten – und zweitens kann es schnell passieren, siehe Thüringen, dass gar keine Regierungsmehrheit mehr zustande kommt.
In diesem Dilemma ist Kanzlerin Merkel keine Hilfe, denn sie besteht weiterhin darauf, dass die CDUler in Thüringen den Linken Bodo Ramelow nicht aktiv wählen dürfen. Sie dürfen sich nur enthalten – und damit Ramelow im dritten Wahlgang zur Mehrheit verhelfen. Diese Trickserei war schon immer seltsam, doch jetzt ist sie unmöglich – weil die AfD inzwischen angedroht hat, sie würde Ramelow ebenfalls wählen. So dramatisch der CDU-interne Kampf zwischen Erfurt und Berlin ist: Nicht nur die Thüringer müssen sich bewegen, sondern auch Merkel. Die Abgrenzung nach links ist überholt.
CDU und das Thüringer Debakel: Die Abgrenzung nach links ist überholt
Die CDU-Bundesspitze fordert zu Neuwahlen auf. Dabei würde die Partei deutlich verlieren. Schlauer wäre es, neue Bündnisse zuzulassen.
Noch gibt sich die CDU-Vorsitzende nicht geschlagen. AKK nach einem Treffen der Parteispitze Foto: reuters
Die Bundes-CDU gibt ihren Landesverband in Thüringen zum Abschuss frei. Das war schon die Botschaft, als Kanzlerin Angela Merkel und Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer Neuwahlen in Thüringen forderten. Umfragen legen inzwischen nahe, dass die CDU stark verlieren würde, wenn es zu einem neuen Urnengang käme. Die CDU Thüringen würde fast halbiert und käme vielleicht nur noch auf 11 Prozent der Stimmen.
Rechte Wähler würden gleich zur AfD wechseln, während sich gemäßigte Konservative nun gänzlich heimatlos fühlen würden. Es ist daher kein Wunder, dass die CDU Thüringen gebetsmühlenartig wiederholt, dass sie an einer Neuwahl kein Interesse hat. Wer will schon seine Karriere als Berufspolitiker aufgeben? Die Bundesrepublik erlebt damit eine Premiere: Erstmals bekriegt sich die CDU-Zentrale mit einem eigenen Landesverband bis zur gegenseitigen Erschöpfung.
Bisher war der Standard, dass sich die CDU-Spitze mit den Bayern herumärgern musste. Aber bekanntlich ist die CSU eine eigene Partei, sodass die periodischen Fehden die CDU-Spitze nicht fundamental erschüttern konnten. Diesmal aber geht es ums Ganze: Es entscheidet sich nicht nur das Schicksal von Kramp-Karrenbauer, Merkel oder den Abgeordneten in Erfurt – am Ende wird die CDU eine andere Partei sein. Sie muss nicht nur ihr Verhältnis zur AfD klären, sondern auch zur Linkspartei.
Die Affäre in Thüringen machte schlagartig das Kernproblem deutlich, an dem die CDU im ganzen Osten leidet. Sie hat tendenziell gar keine Machtoptionen mehr. Denn die Bundespartei hat das Prinzip der „Äquidistanz“ ausgegeben: CDUler sollen weder mit der AfD noch mit der Linkspartei koalieren. Das klingt pfiffig und nach „Mitte“, scheitert aber häufig in der Praxis. Erstens ist die CDU zur Daueropposition verdammt, sobald Linke und AfD jeweils mehr Stimmen erhalten – und zweitens kann es schnell passieren, siehe Thüringen, dass gar keine Regierungsmehrheit mehr zustande kommt.
In diesem Dilemma ist Kanzlerin Merkel keine Hilfe, denn sie besteht weiterhin darauf, dass die CDUler in Thüringen den Linken Bodo Ramelow nicht aktiv wählen dürfen. Sie dürfen sich nur enthalten – und damit Ramelow im dritten Wahlgang zur Mehrheit verhelfen. Diese Trickserei war schon immer seltsam, doch jetzt ist sie unmöglich – weil die AfD inzwischen angedroht hat, sie würde Ramelow ebenfalls wählen. So dramatisch der CDU-interne Kampf zwischen Erfurt und Berlin ist: Nicht nur die Thüringer müssen sich bewegen, sondern auch Merkel. Die Abgrenzung nach links ist überholt.
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Schwerpunkt Thüringen
Kommentar von
Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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