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Proteste in FrankreichSchaut uns an!

Romy Straßenburg
Kommentar von Romy Straßenburg

Mit starken, aber teils auch problematischen Gesten: Der Kampf gegen Macrons Rentenreform erreicht eine neue Dimension.

Mit aller Härte fordern die Feuerwehrleute bessere Arbeitsbedingungen und mehr Lohn Foto: Charles Platiau/reuters

P lötzlich stehen sie in Flammen. Zwei Feuerwehrmänner in Schutzanzügen, umringt von ihren Kollegen. Fernsehkameras und Handys sind auf sie gerichtet – und schon verbreiten sich am 28. Januar die grausigen Bilder in sozialen Netzwerken und laufen in Dauerschleife auf Nachrichtensendern.

In diesen Tagen geht es in Frankreich viel um die Macht der Bilder, um eindringliche Gesten, denn die klassischen, gewerkschaftlich organisierten Demonstrationen gegen die Rentenreform der Macron-Regierung verlieren an Zulauf. Bei vielen herrscht Frustration über eine sich taubstumm stellende Regierung, an der ihre Argumente abzuprallen scheinen.

Doch nicht nur die Rentenfrage erzeugt Ärger: Emmanuel Macron hat mit seinem Reformeifer so viele Bevölkerungs- und Berufsgruppen gegen sich aufgebracht, dass es schwerfällt, bei andauernden Protesten noch den Überblick zu behalten. Da sind neben den Feuerwehrleuten auch Polizist*innen, Lehrer*innen, Mediziner*innen und Jurist*innen, ganz zu schweigen vom harten Kern der Gelbwestenbewegung.

Es geht um den gravierenden Pflegenotstand in Krankenhäusern, um die für 2021 geplanten Änderungen beim Abitur oder die Umstrukturierung des öffentlichen Dienstes. In diesem Dschungel von Interessen und Forderungen wird es immer schwieriger, sich mit den eigenen Anliegen Gehör zu verschaffen.

Fliegende Anwaltsroben

Einigen aber gelingt gerade das hervorragend. Da sind die Attac-Aktivistinnen im Look der amerikanischen Frauenfigur „Rosie“ aus den 40er Jahren, mit angespannten Bizeps und dem Slogan „We can do it!“ Wo die Frauen im blauen Arbeiter­overall, mit gelben Gummihandschuhen und roten Kopftüchern auftauchen und ihre Tanzeinlage und einen umgedichteten Schlager darbieten, ernten sie Applaus: „Wegen Macron werden die Renten sinken, ob für Fatou oder Marion, wegen Macron werden wir die Verliererinnen sein!“

Was fällt noch unter die freie Meinungsäußerung und wann schlägt die symbolische in manifeste Gewalt um?

Getanzt haben auch die Ballerinen der Pariser Oper. An Weihnachten interpretierten sie Szenen aus Schwanensee auf den Treppen des Palais Garnier. Auch der Chor des öffentlich-rechtlichen Radios setzte auf die Eindringlichkeit seiner Kunst, als er mitten in der Neujahrsansprache der Intendantin von Radio France, Sybile Veil, Giuseppe Verdis „Gefangenenchor“ anstimmte.

Und weil die Wünsche zum neuen Jahr ein beliebtes und wichtiges Ritual im Land sind, verliefen sie auch für andere Vorgesetzte anders als geplant. Gerade hatte Justizministerin Nicole Belloubet das Wort erhoben, flogen ihr die schwarzen Anwaltsroben der Umstehenden entgegen, die den Raum verließen.

Ähnlich erging es der Leitung des Pariser Krankenhauses La Salpêtrière,wo am Ende der gutgemeinten Wünsche nur ein Berg weißer Kittel vor dem Rednerpult übrig blieb. Vor Schulämtern schichteten Lehrer*innen alte Lehrbücher zu großen Haufen. Kulturminister Franck Riester sagte seine Neujahrsansprache aus Angst vor Nachahmern schließlich ab.

Flut von Gesten

„Wir beobachten, wie Worte durch Gesten ersetzt werden“, analysiert der Politologe und Rhetorikexperte Clément Viktorovitch, bekannt für seine pointierten Sprachanalysen in der Fernsehsendung „Clique“. Er spricht von einer neuen „Grammatik der Gesten“, mit der die Protestierenden klassische Protestformen ergänzen. Denn mit effektvollen Handlungen könnten heute wenige Einzelne mehr Menschen aufrütteln und mehr Medienaufmerksamkeit gerieren als eine Menschenmasse mit Spruchbändern und Trillerpfeifen.

Romy Straßenburg

war bis 2017 Chefredak­teurin der deutschen Ausgabe von „Charlie Hebdo“ unter dem Pseudonym Minka Schneider. 2019 erschien ihr Buch „Adieu liberté – Wie mein Frankreich verschwand“.

Die politische Geschichte ist voll von Gesten, meist seitens der Herrschenden, die damit – so der französische Soziologe Pierre Bourdieu – „symbolische Gewalt“ ausdrücken, die sich in ihrem Habitus, ihrer Sprache und vielem mehr versteckt.

In Frankreich erleben die Herrschenden derzeit eine Flut von Gesten seitens der Bevölkerung. Wenn Anwaltsroben oder Ärztekittel abgelegt werden, immerhin Symbole eines Berufsstandes mit Prestige und sozialer Anerkennung, dann geht es um mehr als die zukünftige Finanzierung der Renten: Es geht um die bestehende soziale Ordnung. Dass den Gesten auch Taten folgen können, bewiesen in dieser Woche über 300 Chef- und Oberärzte, die kollektiv von ihren Leitungsfunktionen zurückgetreten sind. Hunderte weitere drohen, es ihnen nachzutun.

Bei den Protesten wird zudem häufig an die lange Geschichte, an die Protestkultur gegen die bestehende Ordnung angeknüpft. So zogen am 23. Januar Reformgegner mit Fackeln durch Paris, einige trugen Lanzen, auf denen sie gebastelte Macron-Köpfe gespickt hatten, begleitet von Sprechchören „Wir haben Ludwig XVI. geköpft, Macron, wir fangen wieder an!“

Repräsentative Demokratie in Gefahr

Was fällt noch unter die freie Meinungsäußerung und wann schlägt die symbolische in manifeste Gewalt um? Inzwischen müssen sich Politiker*innen in Frankreich bei Auftritten in der Öffentlichkeit sorgen, unversehrt zu bleiben. So musste Macron von Sicherheitskräften begleitet aus einem Theater eskortiert werden, auch andere Minister gerieten in brenzlige Situationen.

Ist die repräsentative Demokratie in Gefahr, wenn Aggressionen weiter zunehmen, wie wir es auch in Deutschland beobachten? Ja. Frankreich befindet sich an einem wichtigen Moment für seine politische Kultur. Die Demonstranten riskieren mit einigen Gesten, Sympathien innerhalb der Bevölkerung einzubüßen. Sie brüskieren, sie irritieren, wenn sie fragwürdige historische Zusammenhänge herstellen. Sie gehen auch das Risiko ein, dass statt inhaltlicher Forderungen nur noch die Geste an sich medienwirksam verbreitet wird.

Solange der Politikstil der Regierung Macron sich nicht ändert, ist zu befürchten, dass die Proteste eher noch gewalttätiger werden. Bedauerlich wäre aber auch, wenn sie ganz einschliefen – und Macrons Reform ohne Gegenwind bliebe.

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62 Kommentare

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  • Ich empfehle als andere Sicht auf Macron und die Gelbwesten das Interview mit Robert Badinter im Spiegel 7/2020. (Badinter hat als Justizminister in Frankreich die Todesstrafe abgeschafft. Noch 1972 kamen dort Menschen unter das Fallbeil).



    Es beschämt ihn, dass Leute inzwischen die Abbildung des Kopfes von Macron, aufgespießt auf einem Stock, herumtragen, und spricht über die Verrohung des Internetzeitalters. Und sagt u.a., dass Macron das Bedürfnis nach einem Staatsoberhaupt, der etwas Väterliches (oder Mütterliches wie z.B. Simone Veil) hat, nicht befriedigen könne, da er eher wie ein "wohlgeratener Sohn" wirke, dem zu viele gute Feen an der Wiege gestanden hätten.

  • 0G
    09617 (Profil gelöscht)

    Worum es bei der französischen Rentenreform geht, weiss doch jeder : Die Leute sollen genau wie in Deutschland, Spanien und anderen europäischen Ländern länger arbeiten, um eine geringere Rente zu beziehen. In Frankreich liegt die Altersarmut bei 8% in Deutschland bei 20% und die Kommission in Brüssel sowie alle Neoliberalen deutschen Rentenneider finden das Frankreich Aufholbedarf hat. Nicht das Superreiche Deutschland muss seine Altersarmut verringern, sondern Frankreich muss seine Altersarmut erhöhen, um auf EU-Standard zu kommen. Und da fragen sich noch Leute, dass es in Frankreich immer mehr Euroskeptiker gibt und Deutschland immer mehr in den Verruf gerät. Kurzum: Länger arbeiten, um früher arm zu sterben, dass ist Sinn und Zweck jeder neoliberalen Rentenreform, damit das bisschen Geld, das da gespart wird, auch noch für weitere Abgabenerleichterungen an die Kapitalisten abgezweigt werden kann. Das wird dann nicht etwa investiert, sondern als Dividenden ausgeschüttet und in Steueroasen gewinnbringend angelegt. Bernard Arnault, Frankreichs Superreichster, bekommt ja durch die Abschaffung der Reichensteuer jedes Jahr 500 000 000 € mehr, ohne auch nur einen Finger zu rühren. Und da plappern hier einige von den Privilegien der französischen Eisenbahner.

    • @09617 (Profil gelöscht):

      "Worum es bei der französischen Rentenreform geht (...)" (Angel Jo)



      Sie haben vollkommen Recht! Es geht den französischen KollegInnen nicht um die Verteidigung vermeintlicher "Privilegien", wie das hier ein paar deutsche Neidhammel denunzieren, sondern um die Abwehr des Diebstahls von sozialen Besitzstand zur Steigerung der Ausbeutungsrate, zugunsten von ohnehin schon Stinkreichen.



      Die Tatsache dass die Altersarmut in Deutschland deutlich höher ist als in Frankreich ist ein deutsches Schandmal deutscher Schlafmützigkeit deutscher Arbeitnehmer. Deutsche waren es, sich das von deutschen Regierungen gefallen haben lassen ohne sich zur Wehr zu setzen. Es gibt keinen vernünftigen Grund für Franzosen sich ebenfalls derart tranig-devot zu verhalten.

  • 0G
    09617 (Profil gelöscht)

    Das Problem de französischen Linken ist, dass sie keine politische Macht mehr hat und auf absehbarer Zeit auch nicht mehr den Präsidenten stellen wird. Macron wird es aber auch nicht mehr gelingen, nach Polizeigewalt und autoritärem Regieren, 60% auf sich au vereinigen. Denn viele von den zusätzlichen 40%, die er hat manipulieren können, um Präsident zu werden, werden zu Hause bleiben, und das wäre Marine Le Pens grosse Gelegenheit.

  • Die deutsche Linke, nun ja Teile der Linken des taz-Forums empfiehlt den kämpfenden Genossinnen und Genossen in Frankreich, die Arbeitskämpfe auf der Stelle einzustellen.

    Sie sind unsolidarisch, also falsch.

    Im Ernst: Natürlich sind solidarische Kämpfe besser als partikulare. Partikulare sind immer noch besser als gar keine.

    Und deutsche Linke sind als Berater in Sachen Klassenkampf denkbar ungeeignet.

    Insofern es Linke sind, weiß ich jetzt gar nicht so genau.

  • "EM" hier für "En marche", nicht für den Präsidenten - letzteres hat @Bigred bereits erläutert.

  • "Aber die Mehrheit im Parlament und die Wahl müssen nun mal als politischer Konsens im Land auch akzeptiert werden. "

    Gewissensfreiheit, Koalitionsverträge, Lobbyarbeit... na?



    Extremwertbestimmung: Zentrum und DStP waren nicht für die Entmachtung des Parlaments und für ihre eigene Auflösung gewählt worden.



    So einfach ist Demokratie dann doch nicht. EM hätte übrigens keine Mehrheit, wenn die Vorhaben bekannt gewesen wären. Das war die Katze im Sack - ups, sie kratzt übel.

  • Ich frage mich, warum die Menschen nicht hierzulande auch auf die Straße gehen, um gegen dieses beschissene deutsche Rentensystem zu protestieren, in das man so viel reinsteckt und von dem sehr viele danach nicht leben können. Niedrige Gehälter, niedrige Renten. So sieht die Realität in Deutschland 2020 aus.

    • 0G
      06313 (Profil gelöscht)
      @Jossi Blum:

      Gut erkannt. Das Demokratieverständnis in Deutschland beschränkt sich darau, alle 4 Jahre ein Kreuzchen auf einen Wahlzettel zu setzen. Wenngleich die Proteste gegen die Thüringen-Wahl gezeigt haben, dass das Volk die Macht hat, Dinge zu ändern.

    • @Jossi Blum:

      Ein wichtiger und richtiger Hinweis, dem ich mich nur anschließen kann.



      Die Deutschen kapierens nicht schon bei der jährlichen Rentenkontostandsmeldung, sondern erst wenn sie tatsächlich selbst in Rente sind und die erste Rentenzahlung auf dem Konto eingegangen ist. In dieser Hinsicht sind die Deutschen schlichtweg "Schlafmützen".

  • Solange Macron noch 37 Milliarden für die Modernisierung der "Force de frappe" übrig hat, sollten ihn seine Landsleute teeren und federn, wenn er ihnen an die Rente geht. (www.tagesspiegel.d...men/25522348.html)

  • Die Verlagerung auf solche visuelle Aktionen nicht überraschend: jegliche Versuche, mit Argumenten allein etwas zu erreichen, sehen sich einer Phalanx von Zeitungen und Fernsehsendern gegenüber, die fast ausschliesslich die Regierungspartei und orthodoxe VWLer zu Wort kommen lässt.



    Zu der von Frau Straussenburg beklagten "manifesten Gewalt": abgesehen davon, dass die strukturelle Gewalt (in Form von Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, Kürzungen von Sozialleistungen und Arbeitslosenunterstützung, Absenken der Renten etc) vom Staat ausgeht, hat die frz. Regierung auch verlässlich mit Polizeigewalt auf Proteste reagiert, sowohl unter Hollande, als auch jetzt unter Macron (passend dazu bezieht sich der Link auf Balmers Artikel zur Polizeigewalt).



    Und als Macron im Theater war, hat sich eine Handvoll Demonstranten vor dem Theater versammelt, um ihren Unmut auszudrücken. Am Betreten des Saales wurden sie von Personenschützern gehindert, dann traf die Polizei mit Aufstandsbekämpfungsausrüstung ein. Macron hat die Aufführung unbehelligt zu Ende angesehen, bevor ihm die Polizei einen Korridor durch die Demonstranten schuf. Der Journalist, der über Macrons Anwesenheit tweetete, wurde erstmal festgenommen. Das ist die "manifeste Gewalt", die Frau Straussenburg gegenüber Macron beklagt - dem gleichen Macron, dessen Polizei Augen rausschiesst, Hände absprengt und fliehende Demonstranten von hinten niederschlägt und ins Krankenhaus verfrachtet.

    • 0G
      09617 (Profil gelöscht)
      @BigRed:

      Genau, Frankreich steht inzwischen auf der schwarzen Liste bei Menschenrechtsverletzungen. Selbst in Algérien ist die Polizei nicht so hart gegen Demonstranten vorgegangen wie in Frankreich.

  • Für all die, die sich über fas frz. Rentensystem auslassen, ohne es zu kennen:



    Die grossen Verlierer dieser Reform wären Menschen mit niedrigem Einkommen und mit zerstückelter "Erwerbsbiographie", also vor allem die, die immer mal wieder erwerbslos sind und Frauen, die wegen Kindererziehung nicht arbeiten.



    Aber grundsätzlich verliert so gut wie jeder, denn die Berechnungsperiod wird ausgeweitet, so dass aus Jahre mit niedrigerem Einkommen mit einbezogen werden, und das abschlagslose Eintrittsalter wird hochgesetzt (und kann weiter hochgesetzt werden).



    Um die Proteste zu unterlaufen, hat die aktuelle Regierung der Armee, der Polizei, der Feuerwehr, den Ballerinen (die das Angebot ausgeschlagen haben) bereits angeboten, dass sie ihre "Privilegien" behalten können.

    • @BigRed:

      Was ist mit dem Anstieg der Rentner in den nächsten zwei, drei Jahrzehnten. Aus welchen Kassen, wollten die jetzigen Rentner die neu hinzu kommenden Rentner finanzieren? Sollen dafür Unternehmen ans Ausland verkauft werden? Junge Arbeiter weniger verdienen? Wie stellen die Gewinner ener Status Quo Lösung das vor?

      • 0G
        09617 (Profil gelöscht)
        @Rudolf Fissner:

        Ganz einfach ab 2024 wird die RDC( remboursement de la dette sociale) eine Abgabe, die auf allen Einkommen lastet, in die Rentenkassen umgeleitet, um den Reservefond aufzufüllen, das sind jährlich ungefähr 24 Milliarden €. Desweiteren vergessen Sie nicht, dass Frankreich eine wesentlich höhere Geburtenrate hat als Deutschland. Es geht deswegen vornehmlich darum, die hohe Jugendarbeitslosigkeit zu verringern, damit mehr eingezahlt wird. Bei gleicher Arbeitslosenrate wie Deutschland, würde Frankreichs Rentenversicherung einen Überschuss erwirtschaften. Die vordringliche Aufgabe ist es also nicht, das Rentensystem zu reformieren, sondern die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen mit wirksamen Mitteln. Die Leute länger für weniger schuften zu lassen, kann eh nicht das Ziel linker Sozialpolitik sein. Aber wo gibt es in Europa noch eine linke Regierung ausser in Spanien?

      • @Rudolf Fissner:

        Ich würde auf Geld verzichten, wenn ich dafür soziale Sicherheit erhielte.



        Die Alten wählen das Alte und hemmen die Entwicklung umso stärker, je unsicherer sie sich fühlen.



        Wir haben aber bereits Reformstau.



        Und der demographische Wandel wird dieser Bevölkerungsgruppe noch mehr Einfluss in der quantitativen Demokratie verschaffen.

  • Dieser Beitrag hat eine lange Geschichte. Man muss nur mal "Fatou ou Marion" googeln. Mich hatte interessiert, was das bedeuten soll. Ich habe auch nichts gegen aufgewärmte und mehrfach verwendete Artikel, aber übersetzen ist trotzdem kein Journalismus. Da muss man dem Leser schon etwas mehr bieten.

  • Als Vorbild taugt Frankreich jedenfalls nicht. Erstmal: die Franzosen lieben ihre Protestfolklore. So richtig ernst nimmt man sich dabei nicht, Gesten neigen zum Selbstzweck und Selbstberauschung und dazu sich selber zu entwerten. Der Protest hat Züge des Unpolitischen. Zweitens ist das aus meiner Sicht kein allgemeiner sozialer Protest, sondern ein Kampf von Gruppen für eigene Interessen, gelegentlich miteinander, strukturell aber wohl eher gegeneinander. Das ist kein solidarischer Protest, das ist ein Protest mit viel Hang nach rechts. Drittens kann die Lähmung der parlamentarischen Demokratie eigentlich niemandem gefallen, völlig unabhängig davon, ob man Macrons Politik etwas abgewinnen kann oder nicht.

    • @Benedikt Bräutigam:

      +++



      Man muss sich da mal die Finger lecken. Mit 52 in die Rente bei der Staatsbahn!



      Frankreich zählt zu den wenigen Ländern der Welt, in dem Rentner höhere Einkommen haben als die Gesamtbevölkerung: 103,2 Prozent des Durchschnittseinkommens (DE Rentner 88,6 Prozent) www.sueddeutsche.d...-problem-1.4718860

      • @Rudolf Fissner:

        "Man muss sich da mal die Finger lecken. Mit 52 in die Rente bei der Staatsbahn!" (R. Fissner)



        Was die französischen KollegInnen haben wurde Ihnen nicht geschenkt, sondern ist die Frucht jahrzehntelanger engagierter Kämpfe um soziale Errungenschaften.



        Sich heute als deutscher Seppel hinzustellen und darüber zu greinen ist nix anderes der pure Neidreflex ob der eigenen Schlafmützigkeit. Pfui!

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Rudolf Fissner:

        Geh doch rüber!

        • @76530 (Profil gelöscht):

          Wenn das alleine ausreichen würde, hätten wir dort schon vor Jahren mit 103% vom Lohn ab 52 losgelegt; dann würden man sich in Bistros zanken, statt diesem öden virtuellen Ersatz „Internet“

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @Rudolf Fissner:

            Ò la la, Fronkreisch.

            Nichts gegen Bistros, Pastis, richtige Croissants und persönliches Zanken.

            Was das Auswandern angeht, habe ich jämmerlich versagt. Die dumpfe Streitkultur Ds: geschenkt.

            Mer könne ja eh nix mache ...

          • @Rudolf Fissner:

            Man braucht schon etwas Zeit, um wirklich gut im Pétanque zu werden ;)



            Gönnen Sie den französischen Rentnern doch ihren auskömmlichen Ruhestand und arbeiten Sie mit daran, daß wir uns auch hier nicht mit flächendeckender Altersarmut herumschlagen müssen.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Sie sollten Ihren Kommentar einmal ernsthaft mit der französischen Realität konfrontieren. Sie verbreiten hier lediglich die Angst des Michels vor demokratischem Engagement und politischem Selbstbewusstsein. Wirklich böse ist allerdings die plumpe Unterstellung, dass die französischen Demonstrantinnen und Demonstranten reine Egoisten sind.

      Es gibt durchaus Medien, die mit französischen Soziologen, Protestierende, Künstlern, Schriftstellern wie Didier Eribon über die sozialen Proteste reden. Seltsam, dass deren Aussagen doch sehr im klaren Gegensatz zu Ihren Wunschvorstellung stehen.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Was ein Haufen Unsinn. Wenn Sie sich die Protestzüge mal ansehen, finden Sie, dass sich dort feministische, soziale und politische Anliegen vermischen, die i.W. von den Gewerkschaften und linken Kollektiven getragen werden.



      Zusätzlich ist es so, dass die angestrebten Veränderungen für die Renten fast *alle* schlechter stellen würden und deswegen auch alle dabei sind.



      Das ist ja auch das entlarvende an dieser "Reform": unter dem Deckmantel des Abbaus von Privilegien (von denen durchaus einige sehr wohlbegründet sind) wird das Rentenalter *für alle* angehoben, die Renten *für alle* gesenkt und die Kapitalisation der Rente *für alle* vorangetrieben.

      • @BigRed:

        „Tatsache ist aber, dass Gewerkschaften wie die CGT, SUD Rail und Unsa vor allem im öffentlichen Dienst und auch beim staatlich dominierten Energiekonzern EdF stark sind, wo das Privileg der Frühverrentung mit Anfang bis Mitte 50 auf dem Spiel steht.“ ( www.zeit.de/politi...rm/komplettansicht )



        Darum geht es, um Privilegien. Nicht um Feminismus oder Solidarität. Nicht um ein einheitliches Handling aller Rentner oder die Bewältigung des Anstiegs neuer Rentner aus der Pillenknickgeneration.

        • @Rudolf Fissner:

          Sie meinen, die Leute sollten einfach sagen:

          Ach was soll's. Verzichten wir eben. Das Geld wird schon bei den richtigen Leuten ankommen.

  • Wenn in Deutschland Unternehmer mit Hilfe ihrer Lobbyisten und Abgeordneten ihre Interessen durchsetzen, findet das der Michel in Ordnung. Wenn Arbeitnehmrgruppen in DE konsequent um ihre Interessen kämpfen, schimpft der Michel über Ungerechtigkeiten, weil er selbst nicht willens ist, für seine Interessen ebenso einzutreten.

    Ich habe mit Argwohn beobachten können, wie hier im Michelland die Gelbwesten teils erheblich verunglimpft wurden. Ich bewundere meine französischen Freunde, die uns wiederum als willfährige, autoritätshörige Untertanen betrachten.

  • 7G
    7363 (Profil gelöscht)

    Nichts gegen protestieren. Aber die Mehrheit im Parlament und die Wahl müssen nun mal als politischer Konsens im Land auch akzeptiert werden. Und dieser Konsens ist nun mal grundsätzlich für alle diese Reformen. Auch wenn die Umsetzung im Detail verhandelt werden muss. Ich finde es anti-demokratisch wenn Menschen erwarten parlamentarische Prozesse durch streiken grundsätzlich zu stoppen. Dadurch entgeht ihnen letztlich jegliche Glaubwürdigkeit und Verhandlungsraum.

    • @7363 (Profil gelöscht):

      Gegenargument:



      1) Macron hat in der erste Runde der Präsidentschaftswahl 24% der abgegebenen Stimmen gekriegt und die zweite Runde war keine Entscheidung für ihn, sondern eine gegen Le Pen. Die Parlamentswahlen werden nach einer Art first-past-the-post-System durchgeführt, auch da ist die Legitimierung durch die Mehrheit mehr als fragwürdig.



      2) Eine Regierung, die eine Politik macht, die von ~70% der Bevölkerung abgelehnt wird, kann sich nicht ernsthaft demokratisch nennen.

  • 0G
    07324 (Profil gelöscht)

    Jede Woche sind die auf der Strasse und nicht nur in Paris.

    Twitter zb. @AnonymeCitoyen

    • 7G
      7363 (Profil gelöscht)
      @07324 (Profil gelöscht):

      Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.



      Die Moderation

  • Gesegnetes Frankreich: Die Ballerinen streiken.

    Ich sehe da kein Problem, die Aggression scheint mir stärker von der militarisierten Polizei auszugehen. Sie hat schon mehrere Demonstranten getötet, anderen Hand oder Augenlicht weggeschossen. Und wenn man in Videos sieht, wie Polizisten auf Feuerwehrleute einprügeln, dann sieht man wer zur entgrenzten Gewalt neigt.

    Wobei man sagen muss, dass die pompiers auch austeilen können.

  • Würde auch Demonstrieren wenn ich nicht mit 60 Jahren in Rente kann bei vollen Bezügen. Hauptsache die da oben oder alle anderen Zahlen 😬

    • @Andi S:

      Auch Frankreich hat seit 1910 eine Rentenversicherung, in die die Arbeitnehmer einzahlen.

      Sie werden weder in Frankreich noch in der BRD eine Rente erhalten, bei der nur "die anderen" zahlen. Arbeiten müssen sie schon irgendwie.

      Das deutsche System ist aber großzügiger angeblich bei Berufsunfähigkeiten als das französische.

    • @Andi S:

      Schreibt der deutsche Michel.

      Die Französinnen und Franzosen haben eben eine andere Tradition im Klassenkampf, auch im militanten.

      Man lässt sich nicht einfach alles gefallen, sondern setzt sich zur Wehr.



      Was nicht selten zum Erfolg führt.

      • @Jim Hawkins:

        Na ja, man geht dort ja nicht auf die Straße für die Verdammten dieser Erde sondern für Privilegien, die man gegenüber anderen Rentnern hat (Frühverrentung mit 52). Mit Klassenkampf hat das wenig zu tun.

        • @Rudolf Fissner:

          Ich habe es oben schon geschrieben. Sie würden es also so machen:

          Na gut, gehen wir eben später in Rente. Das Eingesparte kommt ganz bestimmt den Richtigen zugute.

          • @Jim Hawkins:

            Nein Hawkins. Sie wissen doch! Nie die eigenen Fantasien anderen überstülpen!

      • @Jim Hawkins:

        Die Frage ist, ob dann aber auch eine gerechte Lösung rauskommt oder nur der bedient wird, der am lautesten schreit.

        Letzteres geht typischerweise auf Kosten der anderen.

        Wenn die Privilegierten, wie Ärzte, Ballerinen und Lehrer protestieren, ist das nicht unbedingt der Klassenkampf, der Karl Marx vorschwebte.

        • @rero:

          Das heißt, als nur die Gelbwesten demonstrierten, waren Sie dafür?



          Nicht ehrlich, oder?

          • @MontNimba:

            Da verstehe ich Sie leider nicht.



            Der aufgeworfene Gedanke war, ob ein Sich-zur-Wehr-setzen - per se gut ist. Das würde ich verneinen. Die Sache, um die es geht, zählt für mich auch.

            Und Klassenkampf ist für mich definitiv nicht, wenn Lehrer, Ärzte und Rechtsanwälte um finanzielle Privilegien kämpfen.

            Bei Protestbewegungen in anderen Ländern bin ich mit einer Meinung sehr zurückhaltend. Ich kann nicht beurteilen, wer da warum demonstriert. Ich bin da voll von der Sichtweise der Journalist_innen abhängig.



            Und die interpretieren bei sowas gern mal ihr persönliches Wunschdenken in ihre Artikel hinein, so mein Eindruck.



            Deshalb leiste ich mir auch bei den Gelbwesten kein Dafür- oder Dagegensein. Wenn das für Sie "nicht ehrlich" ist, kann ich damit leben. :-)

            Und den Gelbwesten wäre es ohnehin egal.

        • @rero:

          Also erst einmal, sollten die Ballerinen alles bekommen, was sie wollen. Nur aus Prinzip.

          Und generell gilt: Wer nicht kämpft, hat schon verloren.

          Und kämpfen tun in Frankreich, wie mir scheint, fast alle.

          Das ist auch wieder so ein deutscher Gedanke: Oh, ich verzichte lieber auf Gehaltsforderungen, dann bekommt ja jemand anderes weniger.

          Und wer lacht sich dann ins Fäustchen?

          Das ist doch Bullshit. Das Prinzip sollte doch vielmehr Solidarität lauten.

          • @Jim Hawkins:

            Ist noch viel schlimmer hier. Es wird auf Lohn verzichtet, weil Unternehmer und Politik ihnen einreden, dass sie durch Lohnerhöhungen ihren Arbeitsplatz verlieren und der Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet ist. Hier wird gleich der Zusammenbruch gepredigt und die Arbeitnehmer so eingeschüchtert sind, dass sie mit weniger zufrieden sind. Die Streitlust der Franzosen, auch wenn es vielleicht manchmal nach hinten los geht, bewundere ich. Mit "Wer nicht kämpft, hat schon verloren" haben sie den Nagel auf dem Kopf getroffen.

            • @Andreas J:

              In Frankreich haben die Rentner 103% des Durchschnittseinkommen des arbeitenden Teils der Bevölkerung in der Tasche. www.sueddeutsche.d...-problem-1.4718860

              • @Rudolf Fissner:

                Was regen sie sich auf? Da steht aber auch das sie höhere Beiträge zahlen 11,2% und der Arbeitnehmeranteil bei 16,3% liegt. Auch der Anteil armer Rentner ist viel geringer. Würden sie als Franzose zustimmen ihre Rente zu kürzen? Wohl kaum. Ich gönne es den Leuten.

                • @Andreas J:

                  Ich rege mich nicht auf. Ich bin selbst bald einer und eher auf der Seite wir Rentner sollen es einmal besser haben als die Jugend statt umgekehrt.

                  • @Rudolf Fissner:

                    Konkurrenzdenken. Warum soll es einer Gruppe besser gehen als der anderen? Kinder, Junge und Alte haben alle das gleiche Recht auf ein Leben ohne Not und in Würde.

                    • @Andreas J:

                      Eben das ist die Frage bei den Rentnern in Frankreich untereinander.

                      • @Rudolf Fissner:

                        Sie vertreten hier das Prinzip, dass es gerecht ist wenn es allen gleich schlecht geht. Ich rede davon das es allen gleich gut gehen soll. Es geht Macron nicht um Umverteilung sondern um Kürzung.

            • @Andreas J:

              Streitlust per se ist kein Wert. Die hatte auch Pegida und hat die AfD.

              Wollen Sie sich jetzt hier beide als Pegida-Fans outen? ;-)

              • @rero:

                Blöder sinnfreier Vergleich.

                • @Andreas J:

                  Sehen Sie, so unterschiedlich wird Sinn gesehen. Ich fand es komplett sinnfrei, Streitlust per se als Wert zu begreifen.

                  • @rero:

                    Wo habe ich Streitlust als "Wert" bezeichnet? Das ist ihre Interpretation zu meinem Kommentar.

          • @Jim Hawkins:

            Ich habe das Thema auch nur gegooglet und weiß nicht, welche Seite davon nun herausragend vetrauenswürdig ist.

            Aber alle kamen zu dem Schluss, dass der aktuelle Stand des Rentensystem extrem unsolidarisch ist.

            Die Angestellten der Staatsbetriebe sind offenbar besonders privilegiert und sehr motivitiert, diese Privilegien zu behalten.

            Es liest sich eher so, als wäre weniger Vielfalt im Rentensystem ein Mehr an Gerechtigkeit.

            Außerdem spielt anscheinend die Generationengerechtigkeit eine Rolle.

            • @rero:

              Und zur "Generationengerechtigkeit": die, die jetzt bereits in Rente sind oder es bald sein werden, werden nach dem alten System beziehen. Die, die nach 75 geboren wurden, werden vom alten ins neue übergehen, die, die nach 2000 geboren wurden, werden komplett deutlich weniger Rente beziehen.

            • @rero:

              Googlen reicht halt nicht.

              Als Beamter oder öffentlicher Angestellter wird man in Frankreich niederiger bezahlt, als in vergleichbaren Stellen in der freien Wirtschaft. Begründet wird das mit der besseren Arbeitsplatzsicherheit. Um das bei den Renten auszugleichen, werden nur die letzten 6 Monate als Bezugsgrösse genommen. Wenn man jetzt die gesamte Laufbahn nimmt, sinken die Renten deutlich, vor allem angesichts der Tatsache, dass die gesetzlich vorgesehenen Angleichungen der Gehälter an die Inflation seit 2010 eingefroren ist.



              Ausserdem würden auch die Renten im Privatsektor sinken: aktuell ist die Bezugsgrösse die 25 Jahre, in denen man am besten verdient hat, in Zukunft alle Jahre. D.h., dass Perioden, in denen man arbeitslos war oder zwecks Kindererziehung daheim blieb (was leider immer noch vor allem Frauen betrifft), die Rente senken.



              Zu guter Letzt soll das Alter, ab dem man ohne Abschläge in Rente gehen kann, a) auf 64 angehoben und b) variabel sein. Das erklärte Ziel der Reform ist, den Anteil der Rentenzahlungen am BIP konstant zu halten, obwohl der Anteil der Rentner steigen wird. D.h., das eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters bereits vorprogrammiert ist (die Regierungssimulation selbst rechnet mit 65) und das in einem Land, in dem es (wie in Deutschland) so gut wie unmöglich ist, mit 60+ eine neue Stelle zu finden. Altersarmut, vor allem für Menschen mit niedrigem Einkommen, ist also, wie im deutschen System nach Schröder, vorprogrammiert.

            • @rero:

              Was ist nun "besonders privilegiert"? Sollen ihre Renten gekürzt werden weil es anderen Schlechter geht? Ein gerechtes Rentensystem bedeutet nicht das alle gleich wenig haben, sondern das alle genug Geld im Alter für ein Leben in würde haben. Was bedeutet Generationengerechtigkeit in Zeiten des Neoliberalismus? Reichtum ist genug da. Er ist nur nicht gerecht verteilt.

              • @Andreas J:

                Der durchschnittliche Rentner in Frankreich hat bereits 103% des Durchschnittseinkommens in der Tasche. Sie können sich ausmalen, was dann, neben der Frühverrentung mit 52 „besonders privilegiert“ bedeutet. www.sueddeutsche.d...-problem-1.4718860

        • 7G
          7363 (Profil gelöscht)
          @rero:

          Oh oui!

          Oder die bedauernswerten Juristen und Anwälte, diese gebeutelten der Gesellschaft.