Zu wenig Frauen in den Parlamenten: Keine Sympathie für Parité
Das BVerfG sieht keine Pflicht, Wahllisten mit gleich vielen Frauen wie Männern zu besetzen. Ob gesetzliche Vorgaben überhaupt möglich wären, ist offen.
![Drei Handtaschen liegen auf Plaetzen der FDP-Fraktion im Bundestag Drei Handtaschen liegen auf Plaetzen der FDP-Fraktion im Bundestag](https://taz.de/picture/4659066/14/Parlament-Bundestag-Wahl-Frauen-wahllisten-1.jpeg)
Das Münchener Aktionsbündnis Parité um Anwältin Christa Weigl-Schneider fordert schon seit 2014, dass die Parteien bei der Kandidatenaufstellung gesetzlich zur Parität verpflichtet werden sollen. „Wenn wenig Frauen aufgestellt werden, werden auch nur wenig Frauen gewählt“, betont Weigl-Schneider.
Tatsächlich lag bei der Bundestagswahl 2017 der Anteil der Frauen an den DirektkandidatInnen bei nur 25 Prozent. Und auch auf den jeweils ersten fünf Listenplätzen der Parteien waren nur 34,7 Prozent Frauen vertreten. Das Aktionsbündnis hält deshalb das geltende Wahlrecht, das keine Paritätsvorgaben macht, für verfassungswidrig. Zehn Frauen griffen das Ergebnis der Bundestagswahl sogar mit einer Wahlprüfungsbeschwerde an. Die Kasseler Rechtsprofessorin und Paritätsvordenkerin Silke Laskowski hat den Schriftsatz verfasst.
Nun lehnte jedoch der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts die Wahlbeschwerde als „unzulässig“ ab. Laskowski habe sich nicht ausreichend mit den Rechtsproblemen auseinandergesetzt. Der Karlsruher Beschluss lässt zwar keinerlei Sympathie für Paritätsgesetze erkennen, schließt jedoch nicht alle Türen, da es formal nur um die mangelhafte Begründung der Klage ging.
In den Ländern scheiterten Paritätsgesetze bisher
Federführend war der Richter Peter Müller, ehemaliger CDU-Ministerpräsident des Saarlands. Die Entscheidung fiel jedoch einstimmig. Der Zweite Senat ist mit fünf Richterinnen und drei Richtern besetzt.
Der Grundton des Beschlusses ist eindeutig. Die RichterInnen können im Demokratieprinzip keinen Auftrag erkennen, Parlamente möglichst hälftig mit Männern und Frauen zu beschicken. Abgeordnete seien „Vertreter des ganzen Volkes“ und nicht nur eines Wahlkreises oder einer Bevölkerungsgruppe. Deshalb müsse das Parlament kein verkleinertes Abbild des Wahlvolks sein – dies gelte auch für den Anteil von Männern und Frauen im Parlament.
Auch aus dem Auftrag des Grundgesetzes zur „tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung“ (Artikel 3) ergebe sich wohl nur eine Garantie der „Chancengleichheit“, nicht aber der „Ergebnisgleichheit“, so die RichterInnen. Jedenfalls müsse der Gesetzgeber immer auch andere Verfassungswerte im Blick haben. Konkret nennen die RichterInnen die Freiheit der Parteien, ihre KandidatInnen selbst auszuwählen, sowie die Freiheit von BewerberInnen, auf jedem Platz einer Landesliste kandidieren zu können.
Die RichterInnen hielten auch die Zahlenvergleiche der Wahlbeschwerde für wenig überzeugend. Es genüge nicht, den Anteil weiblicher Abgeordneter und Kandidaten mit dem Frauenanteil in der Bevölkerung zu vergleichen. Zu berücksichtigen sei auch der niedrige Frauenanteil unter den Parteimitgliedern. Oft sei der Frauenanteil in einer Fraktion höher als unter den Mitgliedern der gleichen Partei.
Die RichterInnen betonten, dass sie nicht über die Zulässigkeit von Paritätsgesetzen zu entscheiden hatten. Aus den Argumenten des Senats ergibt sich jedoch eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Karlsruhe ein Paritätsgesetz für Bundestagswahlen beanstanden würde.
Bisher gab es in Deutschland in zwei Bundesländern Paritätsgesetze für Landtagswahlen: in Thüringen und in Brandenburg. In beiden Ländern haben die Landesverfassungsgerichte diese Gesetze voriges Jahr für nichtig erklärt. Nur nach einer Änderung der jeweiligen Landesverfassung könnten solche Paritätsgesetze zulässig sein.
Christa Weigl-Schneider will sich aber weiter für Paritätsgesetze einsetzen. Sie hat voriges Jahr den bundesweiten Verein „Parité in den Parlamenten“ gegründet und ist dort auch Präsidentin. An ihrer Seite hat sie die Rechtsprofessorin Silke Laskowski als Vizepräsidentin.
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