Wiederholungswahl in Berlin: Die polarisierte Stadt

Die Hauptstadt ist gespalten: Teile der Ber­li­ne­r:in­nen wollen eine konservative Wende. In der Mehrheit aber wählten sie links-grün.

Wahlkabine

Wer zieht ein ins Rote Rathaus? Foto: Fabian Sommer/dpa

Viel wurde im Vorfeld dieser Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus spekuliert über eine „konservative Trendwende“ im Roten Rathaus. Nun ist die CDU tatsächlich mit deutlichem Abstand als stärkste Kraft aus dieser Wiederholungswahl hervorgegangen: Die Konservativen um ihren Spitzenkandidaten Kai Wegner liegen vorläufigen Hochrechnungen zufolge deutlich vor SPD und Grünen. Berlin, die Stadt, die in weiten Teilen der Republik wahlweise als failed state oder als „links-grün versifft“ wahrgenommen wird, hat rechtskonservativ gewählt. Wie kann das sein?

Gut möglich, dass die CDU um Wegner davon profitiert hat, dass der noch amtierende rot-grün-rote Senat – der die erwähnte links-grüne Verfasstheit dieser Stadt eigentlich viel besser repräsentiert – seine Erfolge im knappen Jahr seiner Amtszeit nicht richtig vermitteln konnte. Berlin hatte ein bundesweit überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum, trotz Energiekrise. Die Aufnahme der ukrainischen Geflüchteten lief nicht ganz reibungslos, aber sie lief. Berlin schafft das, vermittelten die Regierende Franziska Giffey (SPD) und Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke).

Und doch: Solche Erfolge spielten im Wahlkampf keine Rolle. Es brauchte nur die Silvesterkrawalle und einen Talkshow-Auftritt von Friedrich Merz („kleine Paschas“), um der Republik sofort wieder die nächste Failed-State-Berlin-Debatte zu bescheren. Die Berliner CDU scheint davon profitiert zu haben – trotz einer unsäglich rassistischen Vornamenabfrage der mutmaßlichen Silvestertäter.

Das Wahlergebnis kann auch durchaus interpretiert werden als Ausdruck einer Polarisierung in der Stadt: Dort diejenigen, die sich angesprochen fühlen von den rechten Tönen der CDU. Und dabei vielleicht auch gleich der offensiven Radfahrpolitik der Grünen eins mitgeben wollen, nach dem Motto: Autofreie Friedrichstraße? Also, jetzt reicht’s aber!

Dennoch wird die viel beschworene „konservative Trendwende“ voraussichtlich nicht kommen. Kai Wegner dürfte ein einsamer Wahlgewinner bleiben, die tragische Figur dieses Wahlabends. Die Fortsetzung einer Koalition aus Grünen, SPD und Linken hätte ersten Hochrechnungen zufolge eine Mehrheit. Giffey wird die Chance ergreifen und selbst Regierungschefin bleiben –, sollte ihre SPD vor den Grünen bleiben. Dem linken SPD-Landesverband sind die Grünen und Linken sowieso näher als die CDU.

Klar ist auch: Wenn die Koalition nun gegen diese deutliche Wechselstimmung in der Stadt weitermacht, wird sie unter besonderer Beobachtung stehen. Die CDU steht bereit.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.