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WehrdienstWürde ich zum Bund?

Robert Habeck würde heute Wehrdienst leisten. Doch er ist ein Mann und hetero. Un­se­r*e Ko­lum­nis­t*in ist keins von beidem und hat Fragen.

Stillgestanden: Soldaten auf dem Marinestützpunkt Warnemünde Foto: imago

W äre Robert Habeck noch einmal so jung wie ich, würde er den Wehrdienst vermutlich nicht noch einmal verweigern. Das sagte er neulich in einem Podcast. Jetzt frage ich mich: Würde ich? Würde ich zur Bundeswehr gehen?

Ich bin queer. Das sollte in meinem Leben eigentlich keine Rolle spielen, aber das tut es manchmal. Ich muss mir überlegen, wie ich rausgehe, welchen Bus ich nachts nehme und ob ich bereit bin, mich von Besoffenen in der Bahn bedrohen zu lassen, weil ich nicht so aussehe, wie sie es sich vorstellen. Das nervt, aber ich komme damit klar. Ich arbeite in einem Umfeld, in dem mein Queer-Sein kein Thema ist, und auch mein soziales Umfeld habe ich mir ausgesucht. Es lebt und liebt sich gut in Deutschland, auch wenn wir von gleichen Rechten und Möglichkeiten für queere Menschen noch weit entfernt sind.

Wenn ich an die Bundeswehr denke, fallen mir die Erzählungen meines Vaters aus seinem Wehrdienst ein: sexuelle Übergriffe, Misshandlungen, Hierarchien und Männlichkeitskult. Wäre die Bundeswehr ein Safe Space für mich? Wohl kaum.

Den Kanon an Freiheiten verteidigen

Aber gleichzeitig ist da auch eine andere Wahrheit. Ich lebe in einem Land, das mir als queerer Person einen Kanon an Freiheiten garantiert. Es ist nicht alles perfekt hier, aber es ist die beste Verfassung und der beste Staat, den Deutschland je hatte. Das ermöglicht uns queeren Personen überhaupt unsere Emanzipationskämpfe zu führen – und zu gewinnen.

Was aber sichert das Fortbestehen unserer Freiheiten? Einerseits sind da die Menschen, die daran glauben, dass das hier alles eine gute Idee ist. Andererseits brauchen wir ein Militär, das unseren Staat im Zweifel nach außen verteidigen kann. Irgendwer muss diesen Job machen. Und um ehrlich zu sein, ich fände es auch ganz gut, wenn das am Ende nicht nur AfD-Anhänger und andere selbsternannte Patrioten sind.

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Da wäre es also, mein Dilemma. Würde ich Deutschland im Kriegsfall dienen? Einerseits: Ja. Zwar wohl kaum durch das Abfeuern von Schüssen, sondern mit Nerdkram am Computer. Aber andererseits: Nein. Robert Habeck hat es hier leichter als ich. Er ist ein Mann, weiß und hetero. Ich bin weder hetero noch ein Mann. Und solange die Bundeswehr kein sicherer Ort ist, an dem ich nicht mit übergriffigem Verhalten, sexualisierter Gewalt und allerlei Queerphobie rechnen muss, kann ich es nicht.

Fehlen bei der Bundeswehr also nur ein paar Progressive-Pride-Fahnen? Bräuchte es bloß jeden Morgen um fünf Uhr ein Plenum und eine Runde mit Pronomen und Gefühlen und ich wäre dabei? Wohl kaum.

Ich glaube aber, dass liberale Gesellschaften sich tatsächlich diese Frage stellen müssen: Wie können sie die Verteidigung gegen jene Kräfte, die sie gerne abschaffen würden, attraktiv für Menschen wie mich machen, egal ob am Gewehr oder an der Tastatur? Und nicht nur für die sechs Monate Grundausbildung, sondern langfristig. (Deshalb ist auch die Wehrpflicht so falsch, weil sie keines dieser Probleme löst.)

Denn es wäre in der Tat ganz gut, wenn die Bundeswehr nicht nur Leute anziehen würde, die einen Hang zu Autorität haben, rechtsextrem sind oder auf dem letzten Zweig ihrer Karrieremöglichkeiten sind. Nur so als Gedanke.

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14 Kommentare

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  • Vielen Dank für diesen Artikel!

    Das gilt ja auch nicht nur für die Bundeswehr, sondern auch für die Polizei. Auch dort gibt es allerhand Gehorsamskultur und Männlichkeitsgehabe mit dem ich nichts anfangen kann. Zudem erfordert es eine körperliche Fitness, die ich nie entwickeln werde. Trotzdem will ich weder Bund, noch Polizei den Autoritären überlassen.

    Für mich stellt sich da oft die Frage, ob die Art wie Militär organisiert ist, zwingend so sein muss. Natürlich muss man im Ernstfall den Druck aushalten und jeden Handgriff wie im Schlaf kennen. Aber ist Drill und Gehorsam und Kasernierung wirklich der einzige Weg, um eine erfolgreiche Landesverteidigung zu garantieren?

  • Mit Rechten gehen Möglichkeiten und Macht einher. Diese Verpflichtet wie es so schön heißt. Ich war bei dem Verein als die Pflicht noch eingefordert wurde. Die Strukturen waren damals Verbesserungswürdig und in der heutigen Zeit wäre blinder gehorsam zwei mal nichts. Ganz im Gegenteil: die meisten Leute nutzen eh schon das Smartphone zum Denken und nicht das Gehirn.

    Wehrdienst ist ne gute Idee, wenn die Leute dabei Ethik und die Übernahme gesellschaftliche Verantwortung lernen.

    Das ist seit jeher Teil der Emanzipation. Eltern geben Verantwortung an die Kinder ab und die Kinder erhalten durch die Selbstverpflichtung Freiräume. Ist genau dasselbe Spiel.

  • Ich ahne, was Sie sagen wollen. Schließlich bin nichtbinär und hätte in der Bundeswehr wohl kein leichtes Leben gehabt - wenn die mich denn nicht ausgemustert hätten. Und das, obwohl ich eigentlich den Wehrdienst leisten wollte.

    Allerdings stört mich ihr Fazit: "es wäre in der Tat ganz gut, wenn die Bundeswehr nicht nur Leute anziehen würde, die einen Hang zu Autorität haben, rechtsextrem sind oder auf dem letzten Zweig ihrer Karrieremöglichkeiten sind."

    Das nämlich ist ein reines Vorurteil und diskreditiert alle Soldat:innen die nicht diesem Schema entsprechen. Ich gehe davon aus, daß es sich dabei um die Mehrheit handelt.

  • Eigenverantwortung



    Zum einen ist es natürlich Wahlkampfgetöse



    Robert Habeck möchte der SPD in Verteidigungsfragen Stimmen abjagen.



    Schließlich ist Pistorius als Verteidigungsminister sehr beliebt.



    Es wäre natürlich viel schwieriger, gegen CDU Positionen vorzugehen, wenn der Plan ist, bald deren Juniorpartner zu werden.



    Inhaltlich ist das Ganze heiße Luft, von "was wäre wenn gewesen " zu quatschen.



    Die Grünen und die FDP sind ja führend im Fordern von Waffenlieferungen, und gleichzeitig führend im Ablehnen einer Wehrpflicht.



    Eine Gesellschaft ändert sich nicht von selbst, Menschen müssen sie bewirken.



    Das gilt für die Akzeptanz von Minderheiten ebenso, wie für andere politische Entwicklungen.



    Wer möchte, dass eine Armee nicht zu einem Staat im Staate heranwächst, muss dafür sorgen, dass die gesamte Gesellschaft darin vertreten ist.



    Ein Wehrdienst ist das beste Mittel dafür.



    Natürlich sollte heutzutage ein Zivildienst und Klimadienst gleichberechtigt dazu beitragen, aktuelle und kommende Probleme zu lösen.



    Einen "Zeitverlust" für junge Menschen und die Wirtschaft kann ich hier nicht erkennen, da hier ein Heranführen an die Arbeit und andererseits eine Orientierungsphase stattfindet.

  • Endlich mal wieder ein richtig wertvoller Artikel in der TAZ.

  • Ein sehr interessanter Artikel. Ich selbst war beim Militär und kann bestätigen, selbst weiß und hetero sein schützt vor Repressalien nicht.



    Die Kamerad*innen die einen in der Kaserne schräg anmachen würden als queere Person, würden dies auch in ihrer Freizeit machen. Natürlich ziehen Berufe wie Polizei/Soldat ein gewisses "Klientel" von Menschen an. Aber wenn man möchte, dass sich dies ändert, müssen andere mutig voran schreiten. Dies war bei allen Veränderungen der Fall.

    Aber es ist schön die Dankbarkeit zu lesen für die Freiheiten, die die Soldaten im Notfall auch mit Leib und Leben verteidigen.

  • "Denn es wäre in der Tat ganz gut, wenn die Bundeswehr nicht nur Leute anziehen würde, die einen Hang zu Autorität haben, rechtsextrem sind oder auf dem letzten Zweig ihrer Karrieremöglichkeiten sind."

    Genau dazu braucht es die Wehrplicht. Sie sorgt dafür, dass die Armee aus Staatsbürgern in Uniform, also einem Querschnitt der Bevölkerung besteht und nicht nur aus Söldnern, die Bock auf ballern haben.

  • Die Wehrpflicht ist der einzige Weg weil nur so die Massenmobilisierung möglich ist die ein großer Krieg erfordert. Wenn der Großteil aller Bundesbürger die Grundausbildung durchlaufen hat kann man schnell mal 100.000 weitere Soldaten mobilisieren.

  • Wehrpflicht ist auch ganz schlicht eine Klassenfrage. Tod und Verstümmelung von der Wählerschaft der FDP und der Grünen fernhalten zu wollen, war schon immer perfide.

    • @Claude Nuage:

      Naja, die Aussetzung der Wehrpflicht war ein reines CDU/CSU Projekt. Aber man kann natürlich keine Gelegenheit zum Grünen-Bashing auslassen, sei sie auch noch so hirnrissig, gell?

  • Verteidigung ist nicht attraktiv (was soll daran attraktiv sein, das Töten zu übern?) , sondern notwendig. Wehrpflicht ist der einzige Weg, genügend Infanterie aufzustellen - wie bitter nötig das ist zeigt der Ukraine-Krieg. Wehrpflicht ist auch die einzige Chance, ein Militär demokratisch zu kontrollieren. Denn nur wenn die eigene Familie betroffen ist, interessiert sich der satte Konsumbürger für das Militär. Außerdem kommen nur so die Informationen über die Zustände im Militär in die Öffentlichkeit und Politik. Wie völlig nutzlos parlamentarische Komitees und Wehrbeauftragte sind, haben die desaströsen 20 Jahre in Afghanistan gezeigt. Mit Wehrpflichtigen wäre das nicht so lange durchzuhalten gewesen.

    • @Claude Nuage:

      Berechtigter Punkt.



      Wobei die Wehrpflicht an Kosten, nötiger Trainingsdauer und kaum noch Wehrgerechtigkeit krankte. Wie würden Sie das auflösen wollen?

    • @Claude Nuage:

      Wehrpflicht in verschiedenen Ausprägungen ist deutlich älter als die moderne Demokratie.



      Und die moderne, technische Kriegführung hat viele "klassische" Bedingungen des Kriegseinsatzes verändert. Napoleons Soldaten brauchten wenig Fachwissen jenseits des Gehorsams...



      Heute siegen die Armeen mit der besseren, kriegstauglichen Technologie, die wenig eigene Verluste haben, weil der einzelne Soldat aufgrund seiner Fähigkeiten wertvoller geworden ist. Das gilt für Kampfpiloten und Panzerbesatzungen.



      Taktiken, wie die Russlands in der Ukraine, auf eigene Verluste an Menschen und Material wenig bis gar keine Rücksicht zu nehmen, kann man sich nur noch in sehr speziellen Konstellationen wie dem Ukrainekrieg leisten. Eine ähnliche Konstellation wäre die China vs Taiwan. Da kann China 1 Mill. Soldaten den Strand rauf schicken.