Wegen des Kohleausstiegs: Deutschland geht der Gips aus
Weil die Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, wird der Gips knapp. Die Industrie will deswegen mehr abbauen. Umweltschützer halten das für unnötig.
Die Gipsindustrie will die natürlichen Gipsvorkommen in Deutschland stärker abbauen. Die ziehen sich von Rottweil und Schwäbisch-Hall in Baden-Württemberg nach Nordbayern und dann über Nordhessen bis zum Gipsgürtel im Südharz. Umweltschützer fürchten allerdings, dass einzigartige Landschaften mit zahlreichen Höhlen zerstört werden, derzeit etwa im Südharz.
Dort will die Firma Knauf mit Probebohrungen nach Gips suchen, auch im Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz in Sachsen-Anhalt. Alle Mitglieder des Deutschen Naturschutzrings DNR, des Dachverbands der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen haben sich nun dagegen ausgesprochen. Umweltschützer fordern, stattdessen das Recycling von Gips auszuweiten. Was ist da machbar?
Nachfrage bei Jörg Michael Bunzel, der die Technologieentwicklung des Unternehmens MUEG, Mitteldeutsche Umwelt und Entsorgung nahe Leipzig leitet. Schon vor zehn Jahren hat er mit seinen Kollegen eine Anlage entwickelt, in der aus altem Gips neuer gemacht wird. Ihr Geschäftsfeld sei wegen der kommenden Gipslücke „zukunftsträchtig“, sagt Bunzel. Nur: „Es wird mehr Gips gebraucht, als wir anbieten können.“ In Deutschland würden pro Jahr etwa zehn Millionen Tonnen Gips verbaut. Grob gerechnet brauche es für sechs Millionen Tonnen Gips Ersatz, die aus den Kohlekraftwerken gekommen sind.
Im Südharz bohren?
Den entscheidenden Ausgangsstoff fürs Gipsrecycling könne nun nur der Sektor liefern, der den Ersatz besonders brauche: der Bausektor mit seinem Bauschutt. In Häusern sind zahlreiche Gipskartonplatten verbaut, als Trennwände, Raumteiler. Sie bestehen aus einem Kern aus Gips, umgeben von zwei Kartons. Werden die Gebäude abgerissen, müssen diese entsorgt werden. Kommen sie bei Bunzel und seinen Kollegen an, wird der Karton vom Gips getrennt und der Gips zerkleinert, sodass aus alt wieder neu werden kann.
Noch ist das allerdings selten. Das meiste landet noch immer auf Deponien. Das ist billiger, als die Baustoffe zu recyceln. Skandinavien, Belgien, die Niederlande, alles Länder ohne große Gipsvorkommen, regeln das anders. Dort seien die Gebühren fürs Deponieren höher, erklärt das Umweltbundesamt, so rechne sich das Recycling eher. Allerdings ist es nicht allein das Geld. „Es gibt gar nicht so viel zu recycelndes Material, allenfalls kommen ab 2030 jedes Jahr 1,3 Millionen Tonnen Gipsabfall zusammen“, sagt Bunzel. So kämen am Ende vielleicht gut zehn Prozent des Gipses, der in Deutschland gebraucht werde, aus dem Recycling.
Also doch im Südharz bohren? CDU, SPD und FDP in Sachsen-Anhalt haben sich in ihrem Koalitionsvertrag dafür ausgesprochen. Kai Niebert, Nachhaltigkeitsforscher und Präsident des Deutschen Naturschutzrings, hingegen fordert ein Umdenken: „Deutschland konsumiert mehr Gips als jedes andere europäische Land. Die deutsche Wirtschaft muss Stoffe mehrfach verwenden und auch neue Materialien nutzen.“ Längst gebe es Firmen, die zum Beispiel Wände aus Strohfasern herstellten. Stroh sei gut verfügbar, sorge für ein angenehmes Raumklima, und in hochverdichteter Form sei es auch feuerfest.
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