Verurteilung zweier Tierschützer: Don’t shoot the messenger
Das Urteil gegen zwei Tierrechtler wegen Videos aus einem Schlachthof ist unverhältnismäßig – ihre Aufnahmen zeigen furchtbare Tierqualen.

D as Urteil des Landgerichts Oldenburg gegen zwei Tierrechtler wegen heimlicher Aufnahmen in einem Schlachthof ist unangemessen. Die Videos haben der Öffentlichkeit vor Augen geführt, wie qualvoll die meisten Schweine in Deutschland vor der Tötung betäubt werden. Damit haben die Aktivisten auf einen eklatanten Missstand aufmerksam gemacht. Um solche Tierquälerei sollte sich die Justiz kümmern, statt jetzt die Überbringer der schlechten Nachricht mit Zahlungen an den Schlachthof zu bestrafen.
In dem Fall aus Niedersachsen geht es um die Betäubung mit Kohlendioxid: Die Tiere fahren in „Gondeln“ genannten Käfigen in eine Grube mit mindestens 80 Prozent CO2. Sie haben Forschern zufolge das Gefühl, zu ersticken, geraten in Panik, reißen die Schnauzen nach oben, knallen gegen die Gitterstäbe, schreien. Auf den Schleimhäuten bildet das Gas Kohlensäure und verursacht schwerste Schmerzen. Diesen Todeskampf dokumentieren die Bilder der Aktivisten eindrucksvoll.
Die Videos wurden im Fernsehen gezeigt. Das ist nötig, damit die Öffentlichkeit sich eine Meinung bilden kann über die Zustände in vielen Schlachthöfen. Die Aktion der Tierrechtler ist auch eine Reaktion auf die fehlende Transparenz der Fleischbranche. Die taz und andere Medien hatten immer wieder Schlachtunternehmen gebeten, die CO2-Betäubung sehen zu können. Und immer wieder gab es Absagen.
Der Grund ist offensichtlich: Die Firmen wissen, dass viele Menschen diese Tierqualen abscheulich finden würden, wenn sie denn von ihnen wüssten. Die Unternehmen wollen auch nicht in tierfreundlichere Alternativen etwa mit dem Gas Argon investieren. Fachkreisen ist all das seit Jahren bekannt, aber das reicht nicht, um genügend politischen Druck für Reformen aufzubauen.
Das Gericht hätte die Videos als wichtigen Beitrag zu einer öffentlichen Debatte anerkennen können, der kaum auf anderem Wege hätte entstehen können. Die Aktivisten haben wohlgemerkt keine Gewalt angewendet, um in den Schlachthof einzudringen. Diese Argumente sollten eine Korrektur des Urteils ermöglichen.
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