Verteidigung, Trump, Wahlkampf: Die nächste Zeitenwende
Nun will er also 5 Prozent Verteidigungsausgaben: Trump treibt die Nato-Verbündeten vor sich her. Für den Bundestagswahlkampf sollte das ein Weckruf sein.
D onald Trump redet schon immer viel, wenn der Tag in Mar-a-Lago lang ist. Das kennen wir seit Jahren. Und die meisten Deutschen reagieren inzwischen abgestumpft: Ja, klar, der spinnt, der hat sie nicht mehr alle. Total crazy. Aber wenn es wirklich darauf ankam, hat er sich doch zurückgehalten. In seiner ersten Amtszeit, sagt man sich gerne zur Beruhigung, hat er zumindest keine neuen Kriege angezettelt. Ein blöder Hund, der dauernd laut bellt, aber im Zweifelsfall nicht beißt.
Schön wär’s, wenn es dabei bliebe. Und so bemühen sich auch jetzt viele, den ersten Rundumschlag des wiedergewählten US-Präsidenten als rhetorisches Getöse abzutun, das man nicht wörtlich und deshalb nicht gar so ernst nehmen muss. Grönland, Panama und Kanada will er haben? Dass er das durchziehen kann, nach eigener Aussage notfalls sogar militärisch, glaubt er doch selbst nicht, oder? Nun ja. Es war jedenfalls sicher richtig, dass Kanzler Olaf Scholz vorsichtshalber an die Unverletzlichkeit von Grenzen erinnerte.
Nicht nur durch Scholz’ Mahnung ist jetzt für alle sichtbar: Das Verhältnis zu den USA wird extrem schwierig. Denn in seinem langen Wortschwall ließ Trump auch eine Zahl fallen, die Deutschland direkt betrifft: 5 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts sollen die Nato-Mitglieder künftig für das Militär ausgeben. 5 statt 2 wie bisher.
Diese Forderung macht Eindruck, weil ihre Erfüllung unfassbar teuer wäre und Trumps Drohung weiterhin im Raum steht, bei Nichterfüllung die Nato-Partnerschaft zu kündigen. Auch das muss man zwar nicht für bare Münze nehmen. Vielleicht sagt Trump morgen wieder 3 oder auch 10 Prozent. Niemand weiß das, wahrscheinlich nicht mal er selbst. Und genau darin liegt das Problem für die deutsche Politik.
Die nächste Bundesregierung wird es mit einem unberechenbaren Nationalisten im Weißen Haus zu tun haben, den man verachten, aber nicht ignorieren kann, weil der Schutz Deutschlands bisher auf dem Beistandsversprechen der Atommacht USA basiert. Trump kann diese seine Macht noch ungehemmter ausspielen als beim ersten Mal. Inzwischen hat er den gesamten Kongress, den Supreme Court und alle Social-Media-Bosse hinter sich, die auf Europa in seinem Sinne aggressiv Einfluss nehmen. Wie soll man da für die nächsten vier Jahre planen?
Fest steht nur die Richtung: Es wird teuer. Trump wird viel verlangen. Und bekommen. Die Grünen bieten bereits 3,5 Prozent fürs Militär. Schon das würde mehr als hundert Milliarden kosten und jeden bisherigen Haushaltsrahmen sprengen. Die Trump-Ära II bedeutet eine weitere Zeitenwende. Wenn sie ehrlich wären, müssten alle Parteien ihre finanziellen Versprechungen jetzt schon ins Altpapier werfen.
Im Grunde geht es im Wahlkampf nur noch darum, wem man am ehesten zutraut, einen kühlen Kopf zu bewahren. Darin liegt auch eine kleine Hoffnung: Eigentlich müsste spätestens jetzt klar sein, dass die EU zusammenhalten muss, um mit Trump zurechtzukommen. Vielleicht gibt das einigen WählerInnen doch zu denken, die mit EU-Feinden liebäugeln.
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