Urteil gegen Aktivistin: Fußtritt in 15 Metern Höhe

Eine Aktivistin aus dem Dannenröder Wald muss für zwei Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Noch im Gericht kommt es zu Protesten.

Baumhäuser

Baumhausdorf „Nirgendwo“ im Dannenröder Forst im Oktober 2020 Foto: Golejewski/Adora Press

HAMBURG taz | Es ist ein hartes Urteil: Für zwei Jahre und drei Monate muss die Aktivistin aus dem Dannenröder Wald ins Gefängnis, sollte es rechtskräftig werden. Das Amtsgericht Alsfeld sieht es als erwiesen an, dass sie bei der Räumung des hessischen Waldes, wo Um­welt­schüt­ze­r*in­nen im vergangenen Jahr gegen den Ausbau der A 49 protestiert hatten, einen Polizisten verletzte. Auf einem Seil in 15 Metern Höhe stehend, soll die junge Frau Beamten mehrfach ins Gesicht getreten und einem anderen das Knie ins Gesicht gestoßen haben. Der Richter verurteilte sie wegen gefährlicher Körperverletzung, Widerstands und tätlichen Angriffs.

Seit ihrer Festnahme Ende November sitzt die „unbekannte weibliche Person 1“, kurz „UWP1“, bereits in Untersuchungshaft. Während der ganzen Zeit und der sechs Verhandlungstermine schaffte sie es, ihre Identität geheim zu halten. Ihre Un­ter­stüt­ze­r*in­nen nennen sie „Ella“, was auf Spanisch einfach „sie“ heißt.

„Ella“ hatte sich im November während der Räumung des Baumhausdorfs namens Nirgendwo aus dem besetzten Wald tragen lassen, allerdings nicht widerspruchslos. Auf einem unveröffentlichten Video, das der taz vorliegt und auch im Gerichtssaal gezeigt wurde, sieht man die mit Karabinerhaken gesicherte Person auf einem Seil zwischen den Bäumen stehen. Auf der Höhe ihrer Füße befindet sich der behelmte Kopf eines Kletterpolizisten, sie rangeln um eine Sicherung. „Ella“ greift danach, um sie zu entfernen; der Polizist schlägt ihr auf die Hand, zerrt an ihrem Bein. In einer Szene tritt sie nach seinem Kopf, er weicht aus, sie verfehlt ihn.

Der anfängliche Vorwurf gegen die Aktivistin wog noch schwerer als die Anklage der Staatsanwaltschaft: Nach Informationen des Anwalts Tronje Döhmer hatten die Po­li­zis­t*in­nen ihren Haftbefehl mit versuchtem Totschlag begründet. Die Staatsanwaltschaft verwarf das und brachte nur die anderen Punkte zur Anklage.

„Das Urteil ist unverhältnismäßig hart und sprengt jede mir bekannte Grenze“, sagt Döhmer. Der Richter habe viele strittige Punkte einfach ignoriert, etwa die Widersprüchlichkeit der Aussagen vermummter und anonymer Po­li­zis­t*in­nen sowie versammlungsrechtliche Fragen. Für ihn ist klar: „Dieses Urteil ist politisch motiviert.“ Bis zum 1. Juli können beide Seiten Rechtsmittel einlegen. Für die Mit­strei­te­r*in­nen von „Ella“ war die Urteilsverkündung am Mittwoch ein Schock. Sie protestierten im Saal, sangen und riefen Parolen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.