piwik no script img

Gegen die Rodung für die A49-AutobahnDer besetzte Dannenröder Forst

Die A49 soll durch den Dannenröder Forst gebaut werden. UmweltschützerInnen haben ihn besetzt und müssen auch den grünen Umweltminister überzeugen.

Ähnliche Bilder wie im Hambi: Ein Umweltaktivist hängt im Dannenröder Forst in einem Baum Foto: Nadine Weigel/Oberhessische Presse/dpa

Dannenrod taz | Mit seiner Fachwerkkirche liegt Dannenrod vier Kilometer nordöstlich von Homberg (Ohm) im hessischen Vogelsbergkreis. Gleich hinter dem verwilderten Sportplatz beginnt ein Buchenmischwald mit Bäumen, die 250 Jahre alt sind. Über 100 Hektar sollen gerodet werden, um Platz zu schaffen für ein Teilstück der Autobahntrasse A49 zwischen Schwalmstadt und Gemünden. Die A49 soll durchgängig von Kassel nach Süden laufen.

Seit Jahren wendet sich das Aktionsbündnis „Keine A49“ gegen dieses Vorhaben. Es verstärkte seine Aktivitäten, nachdem der 1. Oktober als Rodungsbeginn im Raum stand. Der BUND appellierte nochmals an den hessischen Verkehrsminister Al Wazir (Grüne), die Rodungen zumindest aufzuschieben. Auch dieser Appell wurde abgelehnt.

Die Grünen von Homberg luden den Minister ein, an der Demonstration gegen die A49 am 28. September teilzunehmen. In seiner Absage verwies der Parteikollege zwar auf sein grünes, dem Wald verbundenes Herz, aber vor allem auf den Koalitionsvertrag zwischen CDU und Grünen, in dem der Weiterbau der A49 festgeschrieben sei.

Als letztes Mittel, die gesunden alten Buchen und Eichen zu retten, haben die UmweltschützerInnen am 30. September den Dannenröder Forst besetzt. Sie bauten drei Baumhäuser und richteten eine ständige Mahnwache am Sportplatz von Dannenrod ein. Die Dannenröder bringen seitdem Essbares oder mal eine Decke vorbei, auch die EinwohnerInnen der umliegenden Orte unterstützen die Waldbesetzung logistisch. Die Polizei erschien zwar, stellte aber „nur“ die Personalien der BaumhausbewohnerInnen fest.

Seltene Flora und Fauna sind in Gefahr

BürgerInnen-Initiativen verweisen daraufhin, dass der Dannenröder Forst wie auch der bei Stadtallendorf gelegene Herrenwald FFH-Schutzgebiete sind, also Flora-Fauna-Habitate mit selten gewordenen Pflanzen und Tieren. Außerdem sind sie Trinkwasserschutzgebiet, das auch als Wasserreservoir für das Rhein-Main-Gebiet herhalten muss. Die in Aussicht gestellte Neupflanzung von Bäumen wird diese Funktionen nicht übernehmen können und eine grüne Brücke über die Autobahn das Artensterben nicht aufhalten.

Die Besetzung bringt die politisch Verantwortlichen in eine Zwickmühle. Denn nun müssten sie ihre verbal bekundete Umweltliebe durch Handeln unter Beweis stellen. BefürworterInnen der A49 geht es vor allem um die vom Durchgangsverkehr geplagten EinwohnerInnen entlang der B3, die sich eine Entlastung versprechen. Die bislang kürzeste Verbindung zwischen Gießen und Kassel führt als Landstraße durch etliche Orte und ist oft völlig überlastet. Auch die spärlichen Industrieunternehmen fordern einen zügigen Weiterbau der A49.

Wenn Rohstoffe und Fertigprodukte schneller transportiert werden könnten, würde das die Wirtschaftskraft der dünn besiedelten mittelhessischen Gegend stärken. Diesem ökonomischen Ziel widersprechen die UmweltschützerInnen nicht. Doch wollen sie es auf der Grundlage eines veränderten Verkehrskonzepts erreichen. Schlagwort dafür ist: Personen und Güter von der Straße auf die Schiene. Sie schlagen vor, die vor etlichen Jahren stillgelegte Ohmtalbahn zu reaktivieren.

Das Aktionsbündnis „Keine A49“ hat einen runden Tisch vorgeschlagen, um mit den Auto­bahnbefürworterInnen gemeinsam Antworten zu finden. Ihr Ziel: Die gegensätzlichen Interessen unter einen Hut bringen, ohne dass die Natur, wie bislang so häufig, auf der Strecke bleibt. Antworten bleiben bislang zwar aus. Für die AktivistInnen ist aber klar: Für ein neues Verkehrskonzept braucht es Zeit. Das bedeutet: Die Rodungen müssten zumindest aufgeschoben werden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • So alte Bäume sind nicht 1 zu 1 zu kompensieren, sonder für eine alten Baum müssen mindestens 12 neue gepflanzt werden. Bei der Art, wie die Grünen die Umwelt und das Klima schützen, werden diese Bäume kaum jemals so alt, wie die jetzt da stehen. Also : Rodung stoppen. Solidarität von #Kiezmiezen in Berlin hatten wir Gestern eine Blokade auf der Wildenbruchbrücke, wo wir gegen eine Rodung durch Grüne bei uns protestierten und Solidarität mit den Besetzern/*innen des Dannenröder Forsts ausriefen.



    Ruth

  • Waren die hessischen Grünen gegen den Bau dieser Autobahn? Vermutlich ja.



    Was haben sie im Gegenzug in den Koalitionsvereinbarungen herausgehandelt? Nach deutlichen Wählerzugewinnen scheint das deutlich zu wenig gewesen zu sein.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Prolog:

    die Autorin scheint sich nicht so recht klar darüber zu sein, wie die Zuständigkeiten im hessischen Kabinett verteilt sind. Inhaltlich - und personell.

    Mal recherchieren.

    Ein - besserwissender - Hesse.

  • ja ja, öffentlichkeitswirksam von Klimakatastrophe schwätzen, realpolitisch kneifen und dass dann auch noch mit dem schwarzen Koalitionspartner entschuldigen - dazu brauchts keine Grünen, das kann man auch mit einer Groko haben.......

  • 100 Ha klingt viel, ist aber eine überschaubare Grössenordnung Wald, die sehr gut kompensiert werden kann.



    Autobahnen machen - wie in diesem Fall - durchaus Sinn. Für den direkten Anrainer ein Ärgernis, für alle anderen ein “Segen“. Der ökologische Aspekt ist in solchen Verfahren doch vorgeschoben.

    Alternativ könnte ja ein entsprechendes Verladezentrum - Auto auf Zug - gebaut werden. Das würde die gleiche Gegenwehr hervorrufen.

    • @TazTiz:

      Die parallel zu dem jetzt geplanten Autobahnverlauf früher existierende Bahnstrecke (Ohmtalbahn) ist stillgelegt worden. Das wäre die Alternative gewesen - und ihre Reaktivierung ist es heute noch. Mit Sachzwängen zu argumentieren, die mensch vorher selbst geschaffen hat, ist zwar beliebt, aber nicht seriös.



      www.keine-a49.tk

    • @TazTiz:

      Ähm, 100 Hektar sind 1 km², also 1000 m mal 1000 m. Das ist schon ein ganz anständiger Wald! Darin könnten sich Hänsel und Gretel gediegen verlaufen. Sehr gut kompensieren? Wie? Durch die zehnfache Fläche (die man nirgendwo mehr findet) neuer Minibäumchen, die dann vom Wild verbissen werden, ja? Und was soll das heißen, "der ökologische Aspekt sei vorgeschoben"?!? Wollen Sie unterstellen, die AktivistInnen verfolgten in Wahrheit andere Ziele? Welche denn?

      • @miri:

        Hab mir die Gegend eben auf Google Maps angesehen. Der zu rodende Quadratkilometer muss der gesamte Wald südlich der B62 sein. Eine gewaltige Veränderung für das Gebiet. -- Vor Leuten, für die das "nicht viel" ist, habe ich Angst. Sind für Sie die soundsovielen Fußballfelder Wald, die pro Minuten in Brasilien verschwinden, auch nciht viel?

        • @miri:

          Es ist traurig. Heute zählt, jeder einzelne Baum. Es sind schlimme Zeiten. Die Menschen haben leider völlig vergessen was wichtig ist. Und zeigen keinerlei Respekt. Wir sind das schlimmste was diesem Planeten passieren konnte.

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @Get Involved:

            Ihrer Conclusio kann und will ich nicht zustimmen.

            Vom Potenzial her tragen wir durchaus Klugheit in uns. Als Einzelne. Als Gesamtheit sind wir offenbar strunzdoof. Ganz anders als Ameisen. Die sind in ihrem Tun durch Schwarmintelligenz gekennzeichnet.

            Lernen wir von den Ameisen. Zum Beispiel.

          • @Get Involved:

            Traurig schon. Aber es sind die politischen und wirtschaftlichen Führer, die falsche Entscheidungen treffen. Der Planet wird uns locker überleben. Ob unsere Nachkommen gute Lebensbdingungen vorfinden hängt auch von unseren heutigen Entscheidungen ab. Autobahn? Hintergrundlärm garantiert, lauschige Sommernächte werden rauschend ins Haus verlegt. Hut ab für die Aktivisten.

        • @miri:

          Die Bäume auf dieser Fläche fallen in Deutschland bei jedem Herbststurm um (und werden meist nicht ersetzt). Das Ökoargument ist vorgeschoben, es ist die wirksamste Weise so einen Bau zu verzögern, und es zählt ja jedes Jahr der Ruhe ... seien Sie doch nicht so naiv und glauben so einseitig an das Gute.

          • @TazTiz:

            Die Bäume auf dieser Fläche fallen jedes Jahr durch Stürme um -- und dann bleibt die Fläche Naturraum und wird *nicht* asphaltiert! Das ist ein kleiner Unterschied, oder? Da wachsen beizeiten schon neue Bäume, auch ohne dass der Mensch sie ersetzt. Stellen Sie sich vor, auf der Erde sind schon riesige Wälder entstanden, ohne dass der Mensch sie gepflanzt hat!

            Soso, der Wunsch nach Ruhe ist also das krass eigensüchtige Motiv, dem das Umweltargument Ihrer Meinung nach vorgeschoben ist. Das scheint mir nicht sehr verlogen, ich hatte mit einer ausgewachsenen Verschwörungstheorie und persönlicher Bereicherung gerechnet... Nun ist aber Lärm-Emission auch eine Umweltbelastung. Also ist das Umweltargument (falls Sie Recht haben) einem Umweltargument vorgeschoben. Und das Böse, an das ich glauben soll, ist, dass die Anwohner diese Ruhe allein genießen wollen und nicht allen gönnen, während vom klimatischen Effekt des Waldes ja alle was hätten, ja? Oh, böseböse Anwohner! Okay, *diese* Naivität gebe ich auf, ich glaube Ihnen, dass die Anwohner sich Ruhe wünschen! :-)))

            • @miri:

              Es ist bei Anwohnern immer das gleiche Motiv der Verhinderung: egal ob beim Tagebau oder Windrädern oder Staudämmen oder Umgehungsstraßen oder Flughäfen oder eben Autobahnen. Das eigene Hemd ist mir näher als der Rock (des jeweiligen Königs). Mit Umweltschutz oder Flächenversiegelung hat das nun wenig zu tun. Es geht eher darum, wie viel Last ich für andere oder für die Gemeinschaft tragen will. In unser so egozentrierten Welt wird dieses Motiv dann erstaunlich gerne mit dem Umweltschutz kaschiert.

              • @TazTiz:

                Hier muss man antworten, auch wenn es sehr verspätet ist.

                Die weit überwiegende Zahl der Anwohner, einschließlich aller umliegenden Gemeindeparlamente, wünscht sich die Autobahn. Das ist ein Wanderzirkus an "Aktivisten", die sich ein neues Plätzchen gesucht haben, um ihre Leben moralisch überhöht, aber ohne echte Arbeit, zu verbringen. Das es ein paar wenige Anwohner, meist neu zugezogen auf der Suche nach billigsten Immobilien und einem esoterisch angehauchten naturnahen Leben, die "Aktivisten" unterstützt bedeutet noch lange nicht, dass sie echten Rückhalt bei der einheimischen Bevölkerung haben.

              • @TazTiz:

                Und noch ein Bisschen politische Aufklärung hinterher: Es gibt so ein Phänomen in Protestbewegungen, das nennt sich "Bündnisarbeit". Ja natürlich gibt es die Anwohner*innen mit ihren -abnsolut legitimen- Interessen nach einer intakten Umwelt vor der eigenen Haustür. Wo sollen sie auch sonst als erstes kehren. Aber es gibt auch andere Akteure, die sich wegen ihrer allgemeineren Überzeugung von ökologischen Idealen mit diesen Anwohner*innen "verbünden" und dann den Wald besetzen. Geht sogar ganz ohne Stundenlohn. Aber das manch Menschen tatsächlich aus moralischer Überzeugung handeln könnten, scheint manchen anderen Menschen völlig unglaubwürdig zu sein. Ob da von sich auf andere geschlossen wird?

              • @TazTiz:

                Ja pfui Teufel aber auch, dass so Anwohner*nnen sich erdreisten Eigeninteressen zu haben und dafür auch noch einstehen. Und dann finden die gelegentlich sogar noch Gehör! Wenn das alle machen würden, wo kämen wir denn da hin? Das wäre ja Demokratie!



                Eigeninteressen haben übrigens nicht nur Anwohner*innen, sondern auch Konzerne wie z.B. Ferrero, dessen Werk in Stadtallendorf durch die A49 besser angebunden wäre. Das scheint mir das einzig rationale Motiv hinter diesem ansonsten völlig absurden Megaprojekt. Aber diese Eigeninteressen sind in ihren Augen wahrscheinlich identisch mit dem Gemeinwohl?