Urteil gegen Aktivistin: Fußtritt in 15 Metern Höhe
Eine Aktivistin aus dem Dannenröder Wald muss für zwei Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Noch im Gericht kommt es zu Protesten.
Seit ihrer Festnahme Ende November sitzt die „unbekannte weibliche Person 1“, kurz „UWP1“, bereits in Untersuchungshaft. Während der ganzen Zeit und der sechs Verhandlungstermine schaffte sie es, ihre Identität geheim zu halten. Ihre Unterstützer*innen nennen sie „Ella“, was auf Spanisch einfach „sie“ heißt.
„Ella“ hatte sich im November während der Räumung des Baumhausdorfs namens Nirgendwo aus dem besetzten Wald tragen lassen, allerdings nicht widerspruchslos. Auf einem unveröffentlichten Video, das der taz vorliegt und auch im Gerichtssaal gezeigt wurde, sieht man die mit Karabinerhaken gesicherte Person auf einem Seil zwischen den Bäumen stehen. Auf der Höhe ihrer Füße befindet sich der behelmte Kopf eines Kletterpolizisten, sie rangeln um eine Sicherung. „Ella“ greift danach, um sie zu entfernen; der Polizist schlägt ihr auf die Hand, zerrt an ihrem Bein. In einer Szene tritt sie nach seinem Kopf, er weicht aus, sie verfehlt ihn.
Der anfängliche Vorwurf gegen die Aktivistin wog noch schwerer als die Anklage der Staatsanwaltschaft: Nach Informationen des Anwalts Tronje Döhmer hatten die Polizist*innen ihren Haftbefehl mit versuchtem Totschlag begründet. Die Staatsanwaltschaft verwarf das und brachte nur die anderen Punkte zur Anklage.
„Das Urteil ist unverhältnismäßig hart und sprengt jede mir bekannte Grenze“, sagt Döhmer. Der Richter habe viele strittige Punkte einfach ignoriert, etwa die Widersprüchlichkeit der Aussagen vermummter und anonymer Polizist*innen sowie versammlungsrechtliche Fragen. Für ihn ist klar: „Dieses Urteil ist politisch motiviert.“ Bis zum 1. Juli können beide Seiten Rechtsmittel einlegen. Für die Mitstreiter*innen von „Ella“ war die Urteilsverkündung am Mittwoch ein Schock. Sie protestierten im Saal, sangen und riefen Parolen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland