Unteilbar-Demo in Dresden: Sie lassen sich nicht spalten

40.000 Menschen nahmen an der Unteilbar-Demo in Dresden teil. Parallel zur Endkundgebung besetzten Aktivist*innen ein Haus.

Eine Menschenmenge lacht und tanzt auf einer großen Wiese

#Unteilbar hat ein unmissverständliches Zeichen für Solidarität statt Ausgrenzung gesetzt Foto: Christian Mang

DRESDEN taz | 40.000 Menschen auf den Straßen Dresdens, und keine einzige Deutschlandfahne: Das ist das Ergebnis der Demonstration #Unteilbar, die am Samstag durch die sächsische Landeshauptstadt zog. Die Teilnehmerzahl übertraf noch die Erwartungen der Veranstalter, einem Bündnis aus rund 400 Organisationen, das 25.000 Demonstranten angemeldet hatte.

„Wir sind überwältigt“, sagte Ana-Cara Methmann, Sprecherin des Veranstalterbündnis, während der Abschlusskundgebung auf der Dresdener Cockerwiese. „Wir lassen nicht zu, dass Sozialstaat, Flucht und Migration gegeneinander ausgespielt werden“, fassten die Veranstalter die Botschaft der Demonstration zusammen, die ein „unmissverständliches Zeichen für Solidarität statt Ausgrenzung gesetzt“ habe.

Auf der Abschlusskundgebung sprachen neben Rednerinnen und Rednern wie der Journalistin Carolin Emcke und dem Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, auch zahlreiche Vertreter der Dresdener Stadtgeselllschaft, etwa Johann Casimir Eule, Chefdramaturg der Semperoper, und Nora Goldenbogen, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Dresden.

„Heute zeigen wir, dass dieses Land nicht den Nazis und den Hetzern gehört“, sagte die Anwältin Seda Basay-Yildiz, die selbst Opfer rechtsextremer Morddrohungen geworden war. Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) hatte zu Beginn der Demonstration betont, von der Veranstaltung gehe ein „wichtiges Zeichen über die Grenzen von Sachsen hinweg“ aus. Die Demonstration war um 14 Uhr auf dem Altmarkt gestartet.

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Als anderthalb Stunden später die Spitze des Zugs die Cockerwiese erreichte, hatten sich die hinteren Reihen gerade erst in Bewegung gesetzt. Neben Teilnehmern aus Dresden waren auch Menschen aus ganz Deutschland für die Demonstration angereist, mehr als 50 Busse und ein Sonderzug hatten Teilnehmer nach Dresden gebracht.

Im Demonstrationszug mischten sich Menschen aus Flüchtlingsinitiativen und Gewerkschaften, aus feministischen, gesundheitspolitischen und antifaschistischen Gruppen, Kirchengemeinden und Umweltorganisationen, bei bestem Spätsommerwetter war auch die Stimmung entsprechend.

Kretschmer wegen Antifa nicht dabei

Die sächsische AfD hatte im Vorfeld behauptet, die Polizei rechne im Rahmen von Unteilbar mit Ausschreitungen. Die Polizei hatte dem aber widersprochen und klargestellt, sie erwarte einen friedlichen Verlauf, was sich am Samstag auch bewahrheitete.

Zu Beginn der Demonstration hatten Aktivisten Transparente aus einem leerstehenden Gebäude hängen lassen. Die Polizei nahm daraufhin die Personalien von acht Personen auf, die sich unerlaubt Zutritt zum Gebäuder verschafft hätten, und leitete ein Verfahren wegen Hausfriedensbruch ein.

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte nicht an der Demonstration teilgenommen und diese Entscheidung mit der Teilnahme „der Antifa“ begründet. Politiker anderer Parteien liefen hingegen mit. „Dresden und Sachsen senden heute ein tolles Bild in die Welt,“ twitterte der stellvertretende Ministerpräsident Martin Dulig (SPD). Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz war gekommen. SPD-Bundesvize Ralf Stegner nannte die große Beteiligung ein „eindrucksvolles Signal gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz, für Vielfalt und Demokratie“.

Gekommen waren auch die Linke-Vorsitzenden Bernd Riexinger und Katja Kipping. Der sächsische Landtagsfraktionschef der Linken, Rico Gebhart, sagte: „Unteilbar ist aus meiner Sicht Ausdruck eines Protestes, der sich nicht gegen einzelne Menschen, sondern gegen wachsende Ungleichheit, gegen den Abbau von Grundrechten und gegen Ausgrenzung ausspricht.“

Hausbesetzung parallel zur Endkundgebung

Parallel zur Endkundgebung von #unteilbar besetzten knapp drei Kilometer entfernt Aktivist*innen der Gruppe „Wir besetzen Dresden“ ein leerstehendes Haus und laden zur Kundgebung. Etwa 100 Unterstützer*innen kamen spontan zu dem Haus am Basteiplatz. Die Polizei rückte daraufhin mit etwa 30 Einsatzwagen an.

Ein vermummter Mensch hängt ein Transparent aus einem Balkon, einen Balkon weiter unten will es ein Polizist runter reißen

Hausbesetzung am Basteiplatz in Dresden Foto: Christian Mang

Angemeldet wurde die Versammlung zur Kundgebung von der Landtagsabgeordneten der Linken Juliane Nagel, die auch selbst vor Ort ist. „Das Haus steht schon seit Jahren leer. Die Aktivist*innen wollen, dass das Gebäude nutzbar gemacht wird. Das finde ich unterstützenswert.“

Etwa neun Aktivist*innen hatten schon in der Nacht zum 24. August das Obergeschoss der leerstehenden heruntergekommenen Villa besetzt und sich dort verbarrikadiert. Die Polizei drang etwa gegen 17.40 Uhr in das Haus ein, kam allerdings nicht bis zum Obergeschoss.

Die Aktivist*innen machten klar, dass sie sich einen Dialog mit dem Eigentümer wünschen, der daraufhin kontaktiert wurde und nach einiger Zeit eintraf. Zusammen mit Juliane Nagel, seinem Anwalt und dem Anwalt ging er ins Haus. Da er auf Anraten seines Anwalts nicht ins Obergeschoss der Villa wollte, kamen drei der Besetzer*innen aus dem Haus, um mit ihm über ihre Forderungen zu verhandeln. Dabei sagte er nach Angaben von Juliane Nagel zu, dass er zu einer Mitnutzung des Geländes und zu weiteren Gesprächen dazu bereit sei. Alle Hausbesetzer*innen kamen daraufhin aus dem Haus. Die Polizei nahm ihre Personalien auf. Ob gegen sie ein Verfahren wegen Hausfriedensbruch eingeleitet wird, war zu Redaktionsschluss noch unklar.

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