Demonstration in der Landeshauptstadt: Dresden ist #unteilbar

Etwa 40.000 Menschen demonstrieren am Samstag in Dresden. Bei bestem Spätsommerwetter lief der Zug friedlich durch die Landeshauptstadt.

Menschen demonstrieren bei unteilbar, eine Frau bläst Seifenblasen

40.000 Menschen bei #Unteilbar in Dresden demonstrierten am Samstag friedlich Foto: Christian Mang

DRESDEN/BERLIN taz | 40.000 Menschen kamen am Samstag zur #unteilbar-Demonstration in Dresden. Vor den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen hat ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis zum Protest gegen rechtspopulistische Politik aufgerufen.

Die Organisator*innen waren überbewältigt. Die Zahl der Teilnehmenden übertraf ihre Erwartungen – angemeldet hatten die Veranstalter*innen 25.000 Menschen. „Wir lassen nicht zu, dass Sozialstaat, Flucht und Migration gegeneinander ausgespielt werden“, fassten die Veranstalter die Botschaft der Demonstration zusammen, die ein „unmissverständliches Zeichen für Solidarität statt Ausgrenzung gesetzt“ habe.

Unteilbar steht auf einem Transparent, das Menschen vor sich her tragen, die über eine Elbbrücke gehen

Die Spitze des Zugs der #unteilbar-Demo in Dresden Foto: Christian Mang

Mehr als 35.000 Demonstrierende laut Veranstalter

Die Demonstration war um 14 Uhr auf dem Altmarkt gestartet. Als anderthalb Stunden später die Spitze des Zugs die Cockerwiese erreichte, hatten sich die hinteren Reihen gerade erst in Bewegung gesetzt.

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Zu den Teilnehmenden gehört auch Burghard Wrase, der seit 40 Jahren in Dresden wirkt. Seine Begleitung und er sind auf die Demonstration aufmerksam geworden, weil sie im Gottesdienst ihrer evangelischen Kirchengemeinde angekündigt wurde. „Wir haben ja 1989 alles mitgemacht und wir finden, es ist an der Zeit, sich zu erinnern, worum es dabei eigentlich wirklich ging“, sagt Wrase. Um Freiheit sei es gegangen, um Reisefreiheit, aber auch Versammlungs- und Meinungsfreiheit.

„Die AfD ist ganz sicher keine Partei, die für die Verwirklichung von Freiheiten steht“, sagt Wrase. Wie er es empfindet, dass sich in diesem Wahlkampfsommer ausgerechnet die AfD mit ihrem Versprechen einer „Wende 2.0“ als Vollenderin der Revolution von 1989 inszeniert? „,Verarsche 2.0' nenne ich das immer“, sagt Wrase, „und zwar nicht nur, weil die ja auch noch alle aus dem Westen kommen.“

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Die 13-jährige Zainab Ghiasi trägt zusammen mit ihrem kleinen Bruder ein selbstgemaltes Schild: „Nein zu Rassismus, Nein zu Duldung, Nein zu Hass, Ja zu Freiheit“ steht darauf. Sie ist mit ihrer Familie aus Bautzen angereist, wo sie wohnen, seit sie vor vier Jahren aus Afghanistan nach Deutschland kamen. Für Ghiasi, die später Medizin studieren und Ärztin werden will, ist es die erste Demo in Deutschland.

„Ich finde es mega cool, dass hier Flüchtlinge und Deutsche zusammen demonstrieren“, sagt sie, außerdem seien viel mehr Menschen da, als sie erwartet habe. In Bautzen gefalle es ihr soweit ganz gut, „das mit dem Rassismus ist besser geworden als vor drei oder vier Jahren“, sagt sie. Allerdings müsse sie sich auch jetzt noch oft „dumme Sprüche“ anhören, was auch ein Grund sei, warum sie heute hier protestieren wollte.

Auftaktkundgebung und Anfang der Demo

Am Mittag stehen Tausende vor der Bühne, die das #unteilbar-Bündnis auf dem Dresdner Altmarkt zur Auftaktkundgebung aufgebaut hat. Polizei ist kaum zu sehen, die Sonne scheint, aus allen Richtungen kommen neue Menschen hinzu, viele Busse stehen noch auf dem Weg hierher im Stau. Ein knappes Dutzend RednerInnen läuten den Protesttag ein. Eine von ihnen ist Hannah Eberle von der Interventionistischen Linken, „Veränderungen gehen von sozialen Bewegungen aus“, sagt sie. „Wir sind Teil jener, die sich täglich den Rechten in den Weg stellen und wir wollen heute daran erinnern, dass es nicht die Leute in den Schlauchbooten sind, sondern die Menschen in den Limousinen, die uns die Zukunft nehmen.“ Die CDU in Sachsen solle es „nicht wagen, einen auf Kanzler Kurz zu machen und mit der AfD zu koalieren“, ruft ein Redner.

„Läuft“, sagt Ario Mirzaie vom #unteilbar-Sprecherkreis der taz. Bislang verlaufe der Tag nach Plan, eine Schätzung der Teilnehmerzahl will das Bündnis gegen 16 Uhr bekannt geben.

Eine Menschenmenge am Altmarkt in Dresden bei der unteilbar-Demo

Tausende hören der Auftaktkundgebung von #Unteilbar auf dem Dresdner Altmarkt zu Foto: Christian Mang

Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) sagte, von dieser Demonstration gehe „ein wichtiges Zeichen über die Grenzen von Sachsen hinweg hinaus. Wir wollen zeigen, dass sich in Sachsen viele Menschen mit denjenigen solidarisieren, die ihre Heimat aufgrund von Krieg und Terror verlassen mussten.“ Sachsen sei nicht „ein brauner Fleck auf der Deutschlandkarte“, so die Ministerin, die vor kurzem eine Morddrohung erhalten hatte. Es gebe eine große Anzahl an Menschen, die sich für einen bunten, weltoffenen und friedlichen Freistaat einsetzten. Die Teilnehmer der Demonstration zeigten alle Gesicht und würden sich gegenseitig Kraft und Mut geben, weiter „für die Werte einzustehen, die uns so wichtig sind“, sagte Köpping.

Noch weit mehr Menschen als vor der Bühne stehen mittlerweile auf den benachbarten Straßen. Insgesamt 36 LKWs haben sich in der letzten Stunde entlang des Altmarkts in Position gebracht, geschmückt zu Motivwagen, wie ein linker Karneval. „Rassismus macht krank“ heißt an dem Wagen einer Gesundheitsinitiative, „Die Kunst bleibt frei“. Etwas mühevoll rangieren die Fahrer der Trucks von Welcome United, dem DGB, dem Paritätischen zwischen den Menschen umher, bis alle in der abgesprochenen Reihenfolge stehen. Unter den Trucks ist auch jener der Dresdner Seenotrettungs-NGO Mission Lifeline. Deren neues Schiff war mit den Kapitän Claus Peter Reisch am Morgen zu einer neuen Mission im Mittelmeer aufgebrochen.

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#unteilbar-Sonderzug aus Berlin

Aus verschiedenen Städten waren Sonderbusse und -züge eingeplant, die Demonstrant*innen aus ganz Deutschland nach Dresden bringen sollte. Zwei Sonderzüge waren aus Berlin vorgesehen, doch einer davon ist ausgefallen. Deshalb mussten sich alle Demonstrant*innen aus Berlin in den anderen quetschen. Die Stimmung war trotzdem gut. In Wagen 5 gab es Kulturprogramm: erst hat Bernadette La Hengst gesungen, dann hat Buchpreisträgerin Anke Stelling gelesen. Dazwischen gab es Redebeiträge zur Lage in Brasilien und zu Rechtsextremismus in Deutschland.

Ein paar Waggons weiter saß Horst-Peter Schlesinger, Restaurantfachmann aus Berlin. Schlesinger fährt mit seiner Gewerkschaft zu #unteilbar, weil er „Sozialdemokrat ohne Heimat“ ist.

Der Sonderzug aus Berlin ist um 11.27 Uhr in Dresden angekommen.

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Im Vorfeld vom #unteilbar-Samstag

Rund 300 Organisationen, etwa die Hälfte davon aus Sachsen, haben den #unteilbar-Aufruf unterzeichnet. Unter ihnen sind Gewerkschaften und Sozialverbände sowie antifaschistische Gruppen. Auch die beiden großen Kirchen haben zur Teilnahme aufgerufen. „Die Gedanken der Nächstenliebe, Solidarität, Gemeinschaft und Toleranz sind Kern­bestand des christlichen Glaubens“, erklärte Sachsens Oberlandeskirchenrat Burkart Pilz.

Angemeldet haben die Veranstalter für Samstag rund 25.000 TeilnehmerInnen. Zur ersten #unteilbar-Demonstration im Oktober 2018 in Berlin waren überraschend etwa 240.000 Menschen gekommen. „Für uns ist auch wichtig, dass viele Menschen aus Sachsen dabei sind und mit denen, die aus dem Rest des Landes anreisen, zusammenkommen“, sagte Mitorganisatorin Sophie Winter der taz. „Außerdem wollen wir Räume besetzen, die sonst in der Stadt von Rechten reklamiert werden. Wir wollen zeigen: Das ist unser Tag in der Stadt, die Rechten haben da keinen Platz.“

Als RednerInnen sind am Samstag unter anderen die von Nazis bedrohte Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız und Markus Beeko, der Generalsekretär von Amnesty Deutschland, angekündigt. Aus 34 Städten fahren Busse zu der Demo. Aus Berlin sind zwei ­Sonderzüge auf dem Weg nach Dresden.

Einer aber kommt nicht: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). „Ich finde es gut und wichtig, dass es Menschen gibt, die die Demokratie und den Rechtsstaat bei der ,unteilbar'-Demonstration verteidigen möchten. Auch dass sie ein Zeichen gegen die AfD setzen wollen, kann ich nachvollziehen. Dafür haben sie meinen Respekt“, sagte Kretschmer vor einigen Tagen. „Aber ich kann als CDU-­Vorsitzender und Ministerpräsident nicht bei einer Veranstaltung dabei sein, bei der auch Kräfte wie die Antifa mit von der Partie sind.“

Der Pressesprecher der sächsischen AfD, Andreas Harlaß, hatte in den vergangenen Tagen behauptet, die Polizei rechne intern mit Ausschreitungen. Die Polizei hatte gegenüber der „Tagesschau“ jedoch widersprochen und gesagt, sie erwarte einen friedlichen Verlauf. Auch die Bild-Zeitung schrieb am Freitag, die Polizei befürchte „Krawalle“ durch „500 gewaltbereite Autonome aus Hamburg und Berlin“.

Michael Kretschmer, Ministerpräsident

„Ich kann als CDU-­Vorsitzender und Ministerpräsident nicht bei einer Veranstaltung dabei sein, bei der auch Kräfte wie die Antifa mit von der Partie sind“

Auch dem widersprach der Pressesprecher der Polizeidirektion Dresden, Marko Laske. Er sagte dem Bild-Blog, dass die Polizei von einem „friedlichen Versammlungsgeschehen ausgeht“. Es gebe „keine Hinweise auf Störungsaktionen“. Das habe er Bild auch so gesagt, so Laske laut Bild-Blog. Die #unteilbar-OrganisatorInnen gehen gelassen mit solchen Aussagen um. Man habe mit einer solchen Provokation der AfD gerechnet.

Die taz ist mit mehreren ReporterInnen vor Ort in Dresden und berichtet den ganzen Tag auf taz.de, auf Twitter und Periscope über die Ereignisse. Hintergründe lesen Sie auf unserem Schwerpunkt unter taz.de/tazost.

Dieser Text wurde zuletzt um 19.50 Uhr aktualisiert.

Reporter*innen: Christian Jakob, Kersten Augustin, Malene Gürgen

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