Unionsvorstoß für Sondervermögen: Ohne eine Reform der Schuldenbremse geht es nicht
Statt nach Lösungen sucht die Union nach Sondervermögen. Es ist ein durchsichtiges Manöver, das keine nachhaltige Lösung bringen wird.
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D ie gute Nachricht: Als Büttenredner:innen fallen Saskia Esken und führende SPD-Politiker:innen dieses Jahr aus. Sie müssen nämlich ein ernstes Wort mit der Union reden, sprich mit den sechs! Männern und zwei Frauen um Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Es geht in den Sondierungen zwischen Union und SPD diese Woche allein um die Frage, wo das ganze Geld für all die großen Aufgaben herkommen soll, die vor der künftigen Regierung liegen. Klar ist: Trotz der immensen internationalen Herausforderungen, müssen auch Wirtschaft und Infrastruktur im Inneren gestärkt werden. Das kostet hunderte Milliarden. Eine Reform der Schuldenbremse bleibt deshalb die beste Lösung.
Dass eine solche Reform gründlich vorbereitet sein sollte, liegt ebenfalls auf der Hand. Als der Bundestag 2009 nach zweijährigen Verhandlungen mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschloss, im Grundgesetz die bis heute geltende Schuldenbremse zu verankern, konnten die Parlamentarier:innen zwar weder ahnen, dass Russland die Ukraine überfallen, noch die USA sich gegen Europa wenden würden.
Doch überlebt hatte sich die Formulierung, dass die Einnahmen aus Krediten 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten dürfen, bereits mit deren Einführung 2011. Finanzkrise, Coronakrise Klimawandel – immer wieder war der Staat als finanzkräftiger Retter gefragt, ständig musste die Schuldenbremse in einer „Notsituation“ „ausnahmsweise“ außer Kraft gesetzt werden. Kaum jemand ist noch überzeugt davon, dass sie in ihrer jetzigen Form sinnvoll ist.
Was liegt also näher, als sie zu reformieren. Die nötige Mehrheit im künftigen Bundestag gäbe es – wenn die Union über ihren Schatten springen und mit der Linkspartei reden würde. Die hat schon Zustimmung signalisiert, die Bremse abzuschaffen.
AfD? Hui! Linke? Pfui!
Doch die Union plant offenbar, schnell noch ein Sondervermögen für Verteidigung einzurichten, und zwar mit der alten Bundestagsmehrheit, sprich mit Grünen und SPD. Sie begründet das mit dem außenpolitischen Handlungsdruck. Den gibt es zweifelsohne, erst recht nachdem Donald Trump den ukrainischen Präsidenten Volodymyr Selenskyj öffentlich düpiert hat und nun möglicherweise die Hilfe für die Ukraine einstellen wird. Trotzdem ist das ein durchsichtiges Manöver. Denn die Union, die zwar beim Thema Migration bereit war, auch Mehrheiten mit Post-Faschisten von der AfD zu suchen, kann sich nach wie vor keine Zusammenarbeit mit Ex-Gewerkschaftlern wie Bodo Ramelow von der Linken vorstellen. Das nennt man bigott.
Die Sozialdemokraten sollten der Union diese Scheinheiligkeit nicht durchgehen lassen. Sondervermögen sind am Ende auch nur Schulden und eng auf einen bestimmten Zweck begrenzt. Je nach Lage müsste der Bundestag immer neue Sondervermögen beschließen – für die Bundeswehr, für Brücken, für Bildung und mal sehen, was demnächst zusammenkracht. Nur eine Reform der Schuldenbremse garantiert, dass der Staat künftig flexibler auf außen- und innenpolitische Herausforderungen reagieren kann.
Bis man sich auf diese geeinigt hat, kann auch die geltende Schuldenbremse mit der Mehrheit des Bundestages ausgesetzt werden, um die Ukraine zügig zu stärken. Denn das Verhalten der Trump-Administration bringt nicht nur die Ukraine, sondern auch Deutschland in eine außergewöhnliche Notsituation.
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