Union will Fusionsreaktor für Strom: Fantastisch, aber nutzlos
Kernfusion könne im Strommix nicht mal zum Tragen kommen, wenn es technisch möglich wäre. Das sagen wissenschaftliche Berater des Bundestags.
„Um die schwankende Einspeisung von Solar- und Windstrom auszugleichen, sind schnell regelbare Kraftwerke mit niedrigen Investitionskosten nötig“, heißt es darin. Selbst wenn Fusionskraftwerke ab Mitte des Jahrhunderts in großem Maßstab zur Verfügung stünden, könnten sie diese Aufgabe absehbar nicht erfüllen.
Die Union hatte im November eine „Neue Energie-Agenda für Deutschland“ vorgelegt. In Deutschland müsse „der erste an das Netz angeschlossene Fusionsreaktor der Welt“ entstehen, heißt es darin.
Zudem finden sich lauter alte Forderungen der Konservativen: Die Union will die EEG-Umlage abschaffen, eine „fachliche Bestandsaufnahme“ zur erneuten Nutzung der abgeschalteten Atomkraftwerke durchführen, die Beheizung der Häuser wieder „technologieoffen“ gestalten (also weg von der Wärmepumpe) – und mehr Geld in die Erforschung der Kernfusion stecken.
Zu unflexibel für das erneuerbare Stromsystem
Seit den 1950er Jahren wird die Kernfusion erforscht, also jenes Prinzip zur Energiegewinnung, das der Sonne nachempfunden ist. Atomkerne von Wasserstoff und Helium verschmelzen und geben dabei ungeheure Mengen von Energie ab. Das Potenzial ist fantastisch: 1 Gramm Wasserstoff gibt etwa dieselbe Menge Energie frei wie die Verbrennung von 8 Tonnen Erdöl. Oder 11 Tonnen Kohle.
In Deutschland gibt es Forschungsstandorte etwa in Greifswald und München. Tatsächlich soll ein erster Versuchsreaktor ab kommendem Jahr in Frankreich aufgebaut werden. In Betrieb gehen wird dieser aber frühestens nach 2034.
Der praktische Nutzen für die Stromversorgung hält sich aber laut dem Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag in Grenzen. Das Büro ist eine selbstständige wissenschaftliche Einrichtung, die parteiunabhängig den Deutschen Bundestag und seine Ausschüsse in Fragen des wissenschaftlich-technischen Wandels berät.
Die Argumentation zur Kernfusion: Fusionskraftwerke seien im künftigen Energiesystem Deutschlands zu unflexibel, um damit die Erzeugung jederzeit der Nachfrage anzupassen, schreiben die Forscher. „Zum anderen braucht es Reservekapazitäten zur Überbrückung von gelegentlich auftretenden Perioden mit geringem Dargebot an Sonne und Wind (Dunkelflauten von einigen Tagen).“ Dafür seien Fusionskraftwerke, die nur manchmal laufen, schlichtweg zu teuer.
Nach Daten der Bundesnetzagentur ist die installierte Kapazität an Erneuerbaren Energien im vergangenen Jahr in Deutschland auf knapp 190 Gigawatt (GW) gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr entsprach das einem Plus von zwölf Prozent. Damit ist der volatile Grünstrom mit mehr als 50 Prozent Basis der deutschen Stromversorgung. „Ein Bedarf an Kraftwerken, die über das gesamte Jahr konstant Strom einspeisen, besteht in einem solchen Stromsystem nicht“, schreiben die Autoren.
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