Uni Frankfurt gegen Asta: Zu politisch

Darf der Asta der Universität Frankfurt zu Klimastreiks aufrufen oder sich zur BDS-Kampagne äußern? Das muss ein Verwaltungsgericht klären.

Unordnung in der Frankfurter Mensa im Jahe 2009. Sie wurde soeben geräumt.

An der Uni Frankfurt geht es bisweilen hoch her. 2009 etwa wurde die Mensa geräumt Foto: Jürgen Mahnke

BERLIN taz | Sollen Studierendenvertretungen an den Universitäten sich politisch zu allem äußern dürfen? Zu schlechtem Mensa-Essen und fehlenden Schreibtischen in der Bibliothek? Oder auch gegen den Israelboykott und für einen besseren Klimaschutz?

Dieser Konflikt besteht seit Jahrzehnten und ist immer wieder Anlass für Rechtsstreits. Im Kern geht es um die Frage, ob dem Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta) nur ein „hochschulpolitisches“ oder auch ein „allgemeinpolitisches“ Mandat zustehe. Diese Auseinandersetzung wird derzeit wieder einmal an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main geführt. Ob der Asta seine Rechte übertreten hat, wie die Uni-Leitung behauptet, muss das Verwaltungsgericht beantworten.

Die rechtliche Situation um jene Beschränkung politischer Bekenntnisse erscheint auf den ersten Blick klar. Die Hochschulgesetze der Länder schreiben den Asten nur ein hochschulpolitisches Mandat zu, als gewählte Studierendenvertretungen und Körperschaften öffentlichen Rechts dürfen sie sich nicht zu allen allgemeinpolitischen Themen äußern.

So auch in Hessen. Allerdings haben die Asten auch die Aufgabe, die politische Bildung und das staatsbürgerliche Verantwortungsbewusstsein der Studierenden zu fördern. So steht es im hessischen Hochschulgesetz. Und darauf beruft sich der Asta, wenn er sich politisch äußert.

Gegen Sexismus, für Klimastreik

Und das tut er. In seinen Stellungnahmen tritt der Frankfurter Asta seit Jahren links, grün und antirassistisch auf, etwa indem er mit zu Klimastreiks aufruft, die sexistischen Äußerungen sogenannter Pick-up-Artists kritisiert oder sich klar gegen den umstrittenen Weiterbau der A49 stellt. Das Uni-Präsidium schickte dem Asta mehrfach Bescheide, in denen es das Überschreiten des „hochschulpolitischen Mandats“ beklagte.

In der Stellungnahme gegenüber dem Verwaltungsgericht, die der taz vorliegt, nennt das Uni-Präsidium mehrere Beispiele eines „anhaltenden rechtswidrigen Verhaltens“ des Asta, die zum Teil schon länger zurückliegen: eine Solidaritätserklärung mit den Students for Future sowie ein Aufruf zu einer Klimastreikwoche 2019, ein Antifa-Diskussionsbeitrag aus der Asta-Zeitung, eine Solidaritätserklärung mit Kurdistan gegen eine türkische Militäraktion sowie eine Resolution gegen die umstrittene antiisraelische Kampagne „Boykott, Divestment, Sanctions“ (BDS).

Der Asta habe seine gesetzlichen Kompetenzen, sein „hochschulpolitisches Mandat“ hierbei überschritten. Dadurch sei „ein Eingreifen der präsidialen Rechtsaufsicht geboten“ gewesen, erklärt Olaf Kaltenborn, Sprecher der Goethe-Universität. Gegenüber dem Asta begründet die Hochschulleitung: Politische Bildung bedürfe „am Neutralitätsgebot orientierter Berücksichtigung verschiedener politischer Sichtweisen“, heißt es in dem Bescheid an den Asta, der der taz vorliegt. Sofern allgemeinpolitische Veranstaltungen vom Asta organisiert würden, müssten diese diverse politische Sichtweisen aufzeigen.

Mathias Ochs, einer der Asta-Vorsitzenden, widerspricht vehement. „Es muss möglich sein, einen Brückenschlag von hochschulpolitischen zu allgemeinpolitischen Themen zu machen“, so Ochs. Die Studierendenvertretung legte entsprechend Widerspruch gegen den letzten Bescheid ein. Der Fall liegt jetzt beim Verwaltungsgericht.

Unverständnis auf vielen Seiten

„Besonders überraschend“ sei in der Stellungnahme der Uni-Leitung die Nennung der Resolution gegen BDS aus 2017 gewesen, sagt Ochs. Darin habe man sich für den Austausch mit israelischen Wis­sen­schaft­le­r:in­nen ebenso stark gemacht wie für ein sicheres jüdisches Leben an deutschen Hochschulen.

Der Beschluss stieß auf großen Zuspruch: Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), der bundesweite Dachverband der Hochschulen, begrüßte den Frankfurter Beschluss und verabschiedete im November 2019 einen ähnlichen. Auch die ­Goethe-Universität ist Teil der HRK. Der Asta findet diesen Aspekt entsprechend „besonders kontrovers“, so Ochs.

Ein gemeinsames Vorgehen gegen israelbezogenen Antisemitismus würde nun „dem Wunsch zum Opfer fallen, die politische Willensbildung der Studierendenschaft zu kontrollieren und zu beschneiden“, kritisiert die Asta-Vorsitzende Kyra Beninga. Auch Ruben Gerczikow ist über das Vorgehen des Präsidiums irritiert. „Für uns ist klar: der Kampf gegen Antisemitismus an Hochschulen gehört gefördert und nicht mit juristischen Maßnahmen unterbunden“, betont das Vorstandsmitglied der Jüdischen Studierendenunion (JSUD).

Die antiisraelische Boykottkampagne sei eine „akute Bedrohungslage für jüdische Studierende in Deutschland, aber auch weltweit“. Das Präsidium solle sich an den Beschluss der HRK halten und „die rechtlichen Schritte gegen den Asta sofort einstellen“, so Gerczikow. Weder das Uni-Präsidium noch die HRK wollen sich auf taz-Anfrage zu diesem Sachverhalt äußern, wegen des noch laufenden Verfahrens. Peter-André Alt, Präsident der HRK, betont jedoch die Wissenschaftsfreiheit, die einen gegen Israel gerichteten „Wissenschaftsboykott“ ausschließe.

Kritik an Text in Asta-Zeitung

Zentral in der Stellungnahme des Präsidiums gegenüber dem Gericht ist jedoch der Artikel „Stop Talking – Argumente gegen die ‚Mitte‘ und ‚Meinungsfreiheit‘“. Dieser erschien im Sommer 2020 in der Asta-Zeitung, die an alle Studierenden versendet wird. Hinter dem Werben für Meinungsfreiheit, so argumentieren die anonymen Au­to­r:in­nen dort, verstecke sich das „Element des rechten Hegemonieprojekts, das seinen menschenfeindlichen Worten längst Taten folgen lässt“.

Statt also der Betonung der Meinungsfreiheit der „selbsternannten Mitte“ zu folgen, wird für eine „Guerilla-Zensur von unten“ geworben, etwa durch eine Blockade rechter Demonstrationen oder das Entfernen von Wahlplakaten.

Die Universität erkennt darin keineswegs einen simplen Diskussionsbeitrag. „Die Grenzen setzt der gesetzliche Auftrag des Asta“, so Uni-Sprecher Kaltenborn auf taz-Anfrage. Zwar könne der Asta auch kontroverse Positionen verbreiten, diese dürften aber nicht gegen bestimmte andere Meinungen gerichtet sein, so ein Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichts von 1991, auf das sich die Uni beruft.

Ein weiterer Aufreger, der jedoch nicht Teil des Prozesses ist: Als Reaktion auf den G20-Protestaufruf habe das Präsidium den Asta zur Herausgabe der Namen jener Personen aufgefordert, welche die Internetauftritte des Asta in den sozialen Medien betreuen. Die Universität bestätigt das auf taz-Anfrage. „Diese Nachfrage sollte jedoch lediglich einem besseren Verständnis der üblichen redaktionellen Abläufe und Abstimmungsschritte dienen“, so Sprecher Kaltenborn.

Das Verwaltungsgericht entscheidet

„Uns ist bundesweit kein Universitätspräsidium bekannt, das so harsch gegen den eigenen Asta vorgeht“, teilte Carlotta Kühnemann, Vorstandsmitglied im freien zusammenschluss der stu­den­t*in­nen­schaf­ten (fzs), mit. Studierendenvertretungen seien „wichtige Instanzen, um sich in demokratischen Prozessen auszuprobieren“, so Kühnemann. Das sieht auch der Asta so und hofft auf eine rechtliche Verankerung eines „allgemeinpolitischen Mandats“.

Wie das Verwaltungsgericht zu diesem jahrzehntelangen Konflikt steht, könnte Ende der Woche klar werden. Dann wird das Urteil erwartet.

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