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Ungleichheit vorm WeltwirtschaftsgipfelDie Profiteure der Krisenjahre

Trotz Krisen und Inflation werden die reichsten fünf Männer noch reicher. Sie haben ihr Vermögen seit 2020 mehr als verdoppelt, zeigt der Oxfam-Bericht.

Luxuslabel Dolce & Gabana präsentiert seine Herbst/Winter Mode. Mit dabei: Supermilliardär Jeff Bezos Foto: REUTERS/Alessandro Garofalo

Davos taz | Den zunehmenden Abstand zwischen Arm und Reich auf der Welt beklagt die Entwicklungsorganisation Oxfam. Die fünf reichsten Männer des Globus hätten ihr Vermögen seit 2020 verdoppelt, während 60 Prozent der Weltbevölkerung ärmer geworden seien. Zur Abhilfe fordert Oxfam höhere Steuern beispielsweise für große Vermögen.

Die Angaben entstammen dem neuen Bericht über globale Ungleichheit, den die Organisation jedes Jahr anlässlich des Weltwirtschaftsforums von Davos veröffentlicht. Der traditionelle Wirtschafts- und Politikgipfel beginnt am Montag in dem Schweizer Bergort. Oxfam macht die dort versammelten Manager und Politiker mitverantwortlich, dass Gewinne, Einkommen und Vermögen ungerecht verteilt würden.

Nach Berechnungen der Entwicklungsorganisation „haben die fünf reichsten Männer der Welt ihr Vermögen seit 2020 von 405 Milliarden US-Dollar“ (etwa 360 Milliarden Euro) „auf 869 Milliarden US-Dollar“ (etwa 800 Milliarden Euro) „mehr als verdoppelt“. Das betrifft den Besitz von Elon Musk (Tesla), Bernard Arnault (LVMH), Jeff Bezos (Amazon), Larry Ellison (Oracle), Warren Buffet (Berkshire Hathaway). In Deutschland hat das Vermögen der fünf Reichsten sogar um drei Viertel zugenommen.

„Alle Milliardäre zusammen sind heute um 3,3 Billionen US-Dollar (34 Prozent) reicher als 2020“, erklärten die Kritiker am Sonntag, das entspricht etwa 3.000 Milliarden Euro. Auch die größten Unternehmen der Welt hätten ihre Gewinne zuletzt deutlich stärker gesteigert als früher – ein Ergebnis unter anderem von Preisanhebungen im Zuge der Inflation. Die Daten hat Oxfam der Milliardärsliste des Wirtschaftsmagazins Forbes entnommen und sie inflationsbereinigt.

Arme verlieren

Im Vergleich dazu hätten „fast fünf Milliarden Menschen, die ärmeren 60 Prozent der Menschheit, seit 2020 zusammen etwa 20 Milliarden US-Dollar Vermögen verloren“ (18 Milliarden Euro), beklagt Oxfam. Das sind allerdings nur 0,2 Prozent Verlust, wie die Organisation selbst einräumt. Das aggregierte Vermögen der 60 Prozent ist also mehr oder weniger gleich geblieben. Diese Angaben beruhen unter anderem auf Vermögensstatistiken der Banken UBS und Credit Swiss. Auch sie wurden inflationsbereinigt.

Dass hohe Vermögen stärker steigen als niedrige, ist kein Wunder, denn Erste beruhen häufig auf der Zunahme von Aktien- und Immobilienwerten, die großen Schwankungen unterworfen sein können. Im Falle von Krisen nehmen diese auch deutlich ab. Die Vermögen der Reichen sagen isoliert betrachtet nichts darüber aus, wie sich die soziale und ökonomische Lage der Mehrheit entwickelt. Bleibt diese gleich, kann man das auch als gute Nachricht werten.

Anstieg während der Pandemie

Derartige Vergleiche hängen immer vom Blickwinkel ab. Daten der Weltbank zeigen, dass der Anteil der sehr armen Menschen an der Weltbevölkerung seit dem Jahr 1990 erheblich gesunken ist, wobei während der Coronapandemie wieder ein gewisser Anstieg beobachtet wurde.

Die Europäische Zentralbank teilte kürzlich mit, dass das Nettovermögen der Privathaushalte im Eurogebiet während der vergangenen fünf Jahre durchschnittlich um 29 Prozent gewachsen sei. Ein Grund: 60 Prozent der Bevölkerung profitierten von steigenden Immobilienwerten. Die Ungleichheit habe deshalb geringfügig abgenommen, so die EZB.

Oxfam fordert höhere Besteuerung von Vermögen

„Die zunehmende soziale Ungleichheit stellt Gesellschaften vor immer größere Zerreißproben. Sie untergräbt die Demokratie und trägt maßgeblich dazu bei, dass die Klimakrise sich zu einer Katastrophe ausweitet“, sagte Serap Altinisik, geschäftsführende Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland. „Wir brauchen eine Besteuerung hoher Vermögen, damit auch die Superreichen ihren gerechten Beitrag zum Gemeinwohl leisten.“

Die Organisation macht den Vorschlag, dass Vermögen von über 5 Millionen US-Dollar (etwa 4,5 Millionen Euro) mit 2 Prozent Steuer belegt werden. Ein Steuersatz von 3 Prozent soll ab 50 Millionen US-Dollar (45 Millionen Euro) gelten und 5 Prozent ab 1 Milliarde US-Dollar (900 Millionen Euro). In Deutschland würde das stattliche Mehreinnahmen von etwa 85 Milliarden Euro jährlich erbringen, die allerdings nur von 200.000 Bürgerinnen und Bürgern (0,24 Prozent der Bevölkerung) zu tragen seien. Die zusätzlichen Mittel sollten zum Beispiel in Bildung, Klimaschutz, Gesundheit und soziale Sicherheit investiert werden, fordert Oxfam.

Globale Mindeststeuer für große Unternehmen

In Deutschland wird die Vermögensteuer seit 1997 nicht mehr erhoben. Eine Regierungsmehrheit für ihre Wiedereinführung ist nicht in Sicht. Weltweit existieren nur schwache Ansätze einer koordinierten, internationalen Steuererhebung. Viele Regierungen betrachten das als ausschließlich nationale Kompetenz.

Immerhin wird ab diesem Jahr eine globale Mindeststeuer auf die Gewinne großer Unternehmen in Höhe von 15 Prozent eingeführt. 140 Staaten unterstützen diese Regelung.

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18 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • taz: "Trotz Krisen und Inflation werden die reichsten fünf Männer noch reicher. Sie haben ihr Vermögen seit 2020 mehr als verdoppelt, zeigt der Oxfam-Bericht."

    Ja, das kennen wir ja nun schon seit Jahren. Die Reichen werden immer reicher und die Armen freuen sich über eine Steckrübensuppe. Ändern tut sich trotzdem nie etwas, außer dass die Reichen mit ihrer Raffgier den Planeten noch mehr zerstören und sie den Klimawandel weiterhin mit CO2 "füttern".

  • Jeder hat mit Aktien zwischen 2020 bis 2023 enorme Wertsteigerung gesehen, ebenso wie jeder von 2019 bis 2020 dramatische Wertverluste ertragen musste.



    Die Story von Oxfam ist sehr schlecht begründet (leider, denn nicht alles ist verkehrt).

  • Wieder einmal spricht Oxfam wie jedes Jahr die Bevölkerung der Industriestaaten von ihren sozialen und ökologischen Sünden frei.

  • Die Ausbeutung, sei es von Natur, Mensch, oder Tier, ist ein Haupteffekt der kapitalistischen Doktrin, daher passt es auch, dass der Kapitalismus so beliebt ist bei den Kolonialherren der Industrienationen (heutzutage ist es einfach nur eine wirtschaftliche Kolonialherrschaft durch Superreiche und ihre Konglomerate). Solange die Religion des Kapitalismus nicht überwunden wird, wird die Klimakatastrophe sich weiter verschlimmern, Arten und Natur noch extensiver sterben, die Ungerechtigkeit immer frappierender werden, und im Zuge dessen, die Radikalisierung der Gesellschaften immer weitere Kreise ziehen.

    • @Okti:

      Die Religion des Sozialismus/Kommunismus hat halt keine Anhänger mehr.

      • @Tom Tailor:

        Fragt man sich natürlich wo sie in meinem gesamten Text die Begriffe Sozialismus oder Kommunismus gefunden haben. Klären Sie uns doch mal auf.

        • @Okti:

          Gerne - nachdem Sie mich aufgeklärt haben, was auf die "Überwindung der Religion des Kapitalismus" folgen soll.

  • Angesichts dieser Entwicklungen ist es nicht verwunderlich, dass sich Menschen extremistischen Parteien und Verschwörungstheorien zuwenden.



    Es ist schlicht untragbar, dass Superreiche und hochprofitable Unternehmen kaum oder gar keine Steuern zahlen.



    Dieser Diebstahl an Sozialsystemen muss durch hohe Steuern bestraft werden. Die von Oxfam genannten Steuersatzvorschläge sind viel zu niedrig. Jedes Barvermögen über einer Milliarde Euro (oder äquivalenter anderer Währungen) sollte in die Staatskasse(n) fließen, um die Ungleichheit zu mindern.



    Zudem sollten Aktiengewinne, Boni und Gehaltszahlungen von bzw. an Einzelpersonen gedeckelt sein.

    • @Knuth W.:

      "Zudem sollten Aktiengewinne, Boni und Gehaltszahlungen von bzw. an Einzelpersonen gedeckelt sein."

      Was für ein absurder Vorschlag. Einerseits wäre dies ein unzulässiger Eingriff in die Tarifautonomie bzw. Vertragsfreiheit, andererseits würde sich der Staat damit durch geringer (Lohn)Steuereinnahmen selbst schaden.

  • Oxfam tut sich mit seiner Brachialargumentation keinen Gefallen; nämlich den Eindruck zu erwecken, der Reichtum hier, begründe die Armut woanders. China ist der beste Beweis, dass das so nicht stimmt: Vor 50 Jahren lebten hier über 90% in Armut, heute unter 1%, bei hoher Milliardärsdichte.



    Schön, dass Herr Koch, das Oxfam Papier daher an mancher Stelle relativiert.



    Ob eine Reichensteuer was bringt weiß ich nicht. Wahrscheinlich schon, und wenn es nur zu Ausweichbewegungen der Reichen führt beispielsweise Stiftungen mit philantropischen Themen zu gründen.

  • 6G
    697175 (Profil gelöscht)

    In dieser von neoliberalen Ideologen beherrschten Republik ist eine Vermögenssteuer einfach unvorstellbar.



    Dass die Wähler der Afd nicht merken (wollen), dass sie diesbezüglich mull komma nichts ändern ...

  • Ich empfehle einen Blick auf diese [1] Tabelle. Danach wage es noch jemensch zu sagen, die Flüchtenden seien Schuld an der Misere.

    Don't eat the rich -- tax them!

    [1] de.wikipedia.org/w...eichsten_Deutschen

  • Dem Staat sollte es eigentlich egal sein ob 1000 Menschen 1000 Euro verdienen, oder 1 Person 1000000 verdient. Die Einnahmen sollten sich für den Staat nicht unterscheiden.

    • @Littleneo:

      Dem Staat ist das nicht egal wenn die 1000 Menschen kein Einkommen haben. Die müssen dann vom Staat versorgt werden weil einer zuviel hat. Zumindest in Ländern mit Sozialsystem. Der Staat hat dadurch höhere Ausgaben

      • @Andreas J:

        Das Problem ist nicht, dass einer zu viel hat. Eher, dass er nicht äquivalent zu normalen Arbeitnehmern Steuern zahlt. Wenn man bedenkt, dass der Steueranteil am BIP, seit Jahren, ca 23 % beträgt müsste die Steuer bei absoluter Gleichbehandlung aller (auch juristische Personen) in etwa dem entsprechen. Zeigt aber auch, dass die Mitte der Gesellschaft überproportional viel zahlt.

  • Die Behauptung der rekordhohen Ungleichheit im Vorwort des Oxfam-Berichts passt zumindest bei den Einkommen nicht zu den Daten.



    Laut dem Ökonomen Branko Milanovic ist die weltweite Ungleichheit von 2000 bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie stark zurückgegangen, von 70 Gini- auf 60 Gini-Punkte. Damit wurde innert zweier Jahrzehnte rückgängig gemacht, was sich zuvor über ein Jahrhundert aufgebaut hatte.

    «Die Welt wird innerhalb eines Jahrzehnts ihren ersten Billionär haben, aber die Armut wird erst in 229 Jahren ausgerottet sein.»

    Oxfam schreibt hier die Entwicklung der letzten paar Jahre fort. Die Corona-Pandemie hat die Wirtschaftsleistung in vielen Ländern geschmälert. Die extreme Armut hat deshalb vorübergehend wieder zugenommen. Die Pandemie illustriert damit, was passiert, wenn der Welthandel zum Erliegen kommt und Lieferketten gestört sind. Autarkie schadet gerade auch den Armen.

    • @Emmo:

      Die globale Armut ist nicht so rasant gesunken wie behauptet wird. Seit 12 Jahren ist die Bemessungsgrenze von 1,,99 Dollar für Absolute Armut trotz globaler Inflation nicht angepasst worden. Ich bin gerade in Abidjan und die Preise steigen rasant. Viele Menschen haben immer mehr Probleme um ihr Leben zu finanzieren. 1,99 Dollar sind hier für den hohlen Zahn.

  • Nunja es kommt eben daraufhin ob man den Reichtum begrenzen kann. Privateigentum also nur bis zu einem gewissen Grad zulässt und darüberhinaus das Monopol zerschlägt.