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Umfrage zu SicherheitsgefühlDas Problem mit den Gefühlen

Ilka Kreutzträger
Kommentar von Ilka Kreutzträger

Die Stadt Rendsburg will wissen, wie es um das Sicherheitsgefühl der Ein­woh­ne­r*in­nen steht. Und fragt: Wie problematisch sind zu viele Migranten?

Sicher oder unsicher? Liegt dann doch im Auge des Betrachters Foto: Robert Michael/dpa

W as ist der Unterschied zwischen Müll in den Straßen, Autowracks, Drogenabhängigen und zu vielen Menschen mit Migrationshintergrund? Das sind doch alles potenzielle Probleme in einem Stadtgebiet, oder?

Die Stadt Rendsburg, genauer, der Kommunale Präventionsrat der Stadt Rendsburg, findet es jedenfalls legitim, knapp 4.700 zufällig ausgewählte Bür­ge­r*in­nen nach potenziellen Problemen in ihrem Bezirk zu fragen und als eine Antwortmöglichkeit „zu viele Menschen mit Migrationshintergrund“ vorzugeben.

Diese Umfrage soll im Ergebnis das Sicherheitsgefühl der Bür­ge­r:in­nen verbessern, soll also, wenn sie am 30. November endet, in irgendetwas Sichtbarem enden. Oder wie die parteilose Bürgermeisterin Janet Sönnichsen sagt: „Und dann wird es für uns darum gehen, aus den Ergebnissen Maßnahmen abzuleiten, mit denen wir das Sicherheitsgefühl in Rendsburg verbessern können.“

Also: Müll wegräumen, wenn die Befragten es schmutzig finden, die Hilfsangebote für Drogenabhängige verbessern, wenn die Befragten finden, dass die nicht verloren draußen rumhängen sollten. Und? Ja genau: Spätestens jetzt wird klar, warum es nicht geht, zu fragen, ob eine bestimmte Gruppe, die einfach qua vermeintlich verbindender Äußerlichkeit als potenziell problematische Gruppe definiert wird, ein Problem darstellt.

Was, wenn „Migrationshintergrund“ als Problem gilt?

Was ist denn, wenn die Mehrheit der Befragten auf dem Fragebogen ankreuzt, dass sie zu viele Menschen mit Migrationshintergrund als ein „ziemliches“ oder „großes Problem“ ansieht? Wie will die Stadt „dieses Problem“ denn dann lösen?

Das kommt davon, wenn mit Gefühlen Politik gemacht wird, wenn so getan wird, als sei irgendein noch so diffuses Unwohlsein dasselbe wie ein real existierendes Problem. Wer so Politik macht, reproduziert einfach nur AfD-Rhetorik.

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Ilka Kreutzträger
Redaktionsleiterin Nord
Jahrgang 1977, die Soziologin arbeitete lange für die taz nord als Autorin und CvD sowie für den NDR in Hamburg als Nachrichtenredakteurin Online und Radio, ging dann kurz zum stern und war stellvertretende Ressortleiterin Lokales bei der Hamburger Morgenpost. Sie gibt an der Uni Bremen seit 2013 Schreib-Workshops. Seit 2023 ist sie Redaktionsleiterin der taz nord.
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1 Kommentar

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  • Die subjektive Sicherheit wird von Rechts attackiert. KI-generierte Hassposts lenken die Existenzangst der Leute auf Marginalisierte um.

    Frauen, die ständig hören, sie seien auf der Straße nicht mehr sicher, bekommen Angst. Aus diesem Angstgefühl, das die Rechten je nach Bedarf BEI beliebigen Gruppen GEGEN beliebige Gruppen wecken, entsteht ein Geschrei, das die Politik mit immer restriktiveren Maßnahmen gegen die Minderheit du jour befriedet. Heute Geflüchtete, morgen Arbeitslose, übermorgen Linke, Rentner, die Liste ist endlos. Keine Lüge zu abstrus, niemand mehr sicher im Bett - davor, auf der Proskriptionsliste zu landen.

    Die Politik wird immer rechter. Und doch misstrauen Wählende den etablierten Parteien, denn sie haben ja immer noch Angst. Also muss die Politik zu lasch sein - Kreuzchen bei Rechts.

    Wir sind ängstliche Wesen, seit unserer Kindheit in den Savannen Afrikas. Wer keine Angst hatte vor dem Unbekannten, wurde gefressen. Es wird höchste Zeit, die wahre Ursache der aktuellen Angst zu bannen, die wachsende Armut. Objektive Sicherheit bringen Essen, Wohnung und Medizin für alle, sicher für alle Zeit. Teuer? Die Alternative ist teurer.