piwik no script img

US-Waffenhilfe für die UkraineWir sind dann mal raus

US-Präsident Donald Trump hat mit sofortiger Wirkung die Waffenhilfe für die Ukraine gestoppt. Auch Satelliten-Aufklärungsdaten könnten bald fehlen.

Ziemlicher Schlammassel: Wenn die Amerikaner ihre Geräte abziehen, bleiben zum Beispiel noch die deutschen Leopard-Panzer Foto: Serhii Nuzhnenko/Radio Free Europe/reuters

Mit sofortiger Wirkung hat die US-Regierung unter Präsident Donald Trump die Militärhilfe an die Ukraine ausgesetzt. Der Stopp gelte solange, bis Trump der Meinung sei, dass die Ukrai­ne ausreichend guten Willen gezeigt habe, sich mit Russland zu Friedensverhandlungen zusammenzusetzen.

Für die Ukraine ist die Aussetzung der US-Militärhilfe ein schwerer Schlag. Laut Medienberichten betrifft der Stopp sowohl die Hilfe im Rahmen langfristiger Verträge, die noch während der Amtszeit von Joe Biden unterzeichnet wurden, als auch Waffen, die sich bereits auf dem Weg in die Ukraine befinden – in Flugzeugen und Verkehrsknotenpunkten in Polen.

Für die Streitkräfte der Ukraine bedeutet dies, das der Raketennachschub für die Luftabwehrsysteme Patriot und Nasams ausbleibt. Ebenso wird die Munition für Himars, 155-Millimeter-Artilleriegeschosse, und tragbare Panzerabwehrsysteme Javelin fehlen. Auch das tragbare Flugabwehrraketensystem Stinger wird fehlen.

Während ein Teil dieser Waffen ausschließlich auf dem Schlachtfeld zum Einsatz kommt, bedeutet das Fehlen von Raketen für die amerikanischen Luftabwehrsysteme – die sich bei russischen Raketenangriffen als äußerst effektiv erwiesen haben –, dass der Himmel über den großen ukrainischen Städten ungeschützt bleibt.

Offensivoperationen dann nahezu unmöglich

Das Fehlen der US-Waffen auf dem Schlachtfeld macht es den ukrainischen Streitkräften nahezu unmöglich, Offensiv­operationen durchzuführen. Allerdings führte eine sechsmonatige Aussetzung der US-Waffenlieferungen im Jahr 2023 zu einer rasanten Entwicklung der ukrainischen Aufklärungs- und Kampfdrohnen. „Mehr als 80 Prozent der direkten Treffer auf dem Schlachtfeld werden heute mit Drohnen erzielt“, sagt der ukrainische Soldat Lewko Stek. „In deren Produktion ist die Ukraine nicht von den USA abhängig. Ich denke nicht, dass wir ohne die US-Hilfe leicht klarkommen werden. Aber Drohnen geben Hoffnung, dass wir Zeit gewinnen, um eine Lösung zu finden.“

Zunächst unklar blieb, ob auch die Bereitstellung von US-generierten Satelliten-Aufklärungsdaten und die Nutzung des Starlink-Kommunikationssystems von dem Waffen-Stopp betroffen sind. Ohne die Daten aus den USA weiß die Ukraine wenig über russische Truppenbewegungen, und ohne Starlink gerät die zivile, vor allem aber die militärische Kommunikation der Ukraine in Schwierigkeiten.

Starlink gehört allerdings ausgerechnet Elon Musk, und der milliardenschwere US-Tech-Unternehmer und enge Trump-Mitstreiter hat in den vergangenen Tagen auf seiner Plattform X massiv gegen den ukrainischen Präsidenten polemisiert: Selenskyj solle sich besser ein neutrales Exil suchen und den Weg freimachen, damit die Ukraine zur Demokratie zurückkehren könne, schrieb Musk. Schwer vorstellbar, dass er den Starlink-Dienst freiwillig aufrecht erhält, wenn die bislang vom US-Militär dafür geleisteten Zahlungen wegfallen sollten.

In Moskau wurde die Entscheidung Trumps wie zu erwarten mit Freude aufgenommen. „Die Details bleiben abzuwarten, aber wenn es wahr ist, ist es eine Entscheidung, die tatsächlich das Kyjiwer Regime in Richtung eines Friedensprozesses bewegen kann“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Es scheint, als sei das Wort „Friedensprozess“ sowohl in Washington als auch in Moskau inzwischen zum zynischen Synonym für eine ukrainische Niederlage geworden.

Das Aussetzen der Militärhilfe war nach dem Eklat beim Besuch des ukrainischen Präsidenten in Washington in der vergangenen Woche befürchtet worden. Die gesamte Propagandamaschine der Trump-Anhänger denunziert seither den ukrainischen Präsidenten als undankbaren Kriegstreiber.

Eigentlich müsste die Verfügung der Regierung in den USA rechtliche Fragen aufwerfen: Die Mittel sind vom Kongress bewilligt worden, und was das Parlament beschließt, muss die Regierung eigentlich ausführen. Allerdings hat sich Trump in seinen ersten Wochen im Amt um solche Feinheiten nicht geschert, auch bei der fast vollständigen Streichung des Entwicklungshilfeprogramms USAID nicht. Und selbst wo Gerichte per einstweilige Anordnung Trump in die Parade fuhren, hat er deren Entscheidung mitunter schlicht ignoriert. Insofern ist nicht zu erwarten, dass eine eventuelle Klage der Demokraten der Ukraine Erleichterung bescheren könnte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • Endlich ein Ende in Sicht für das ganze (verlogene) archaische Ehrentöten und die toten Helden.



    Was war oder ist das Kriegsziel? Endlich wieder Aufrüstung!? Wer hat jenseits der Ehre welche geopolitischen Interessen?



    Die UkrainerInnen, die nicht für das große Sterben waren, haben ganz selten nur eine ganz leise Stimme bekommen. Und die, die genug Kohle haben, brauchten ohnehin nicht mitzumachen. Man sieht sie in ihren SUVs über die Autobahn brettern.



    Die Chance glaube nicht, dass das Volk geeint hinter Selenskji steht nicht sonst geeint ist.

  • Zwei Hillbillies spielen Politik.

  • Knallen jetzt bei AfD, BSW und der Partei Die Linke die Korken?

    Das ist doch das, was dieses Triumvirat seit Beginn des Krieges wünscht.

    Und wie Genosse van Aken so schön sagte, es ist ein Unterschied, ob man mit der AfD für etwas stimmt oder eben gegen etwas.

    Wovon sie in ihren schlichten Träumen träumten, das hat der POTUS wahr gemacht.

  • ""Eigentlich müsste die Verfügung der Regierung in den USA rechtliche Fragen aufwerfen:....""



    ==



    1.. rechtliche Fragen waren gestern - heute entscheidet das Regime Trump & Recht und Gesetz wie auch Diplomatie spielen bis auf weiteres keine Rolle mehr.

    2.. Die Versorgung der Ukraine mit kriegsrelevanten Aufklärungsinfos durch die USA soll wohl vom Regime Trump angeordneten Waffenlieferstopp nicht betroffen sein. Das berichtet das Nachrichtenportal RBK Ukrajina unter Berufung auf Quellen in Sicherheitskreisen.

    Demnach soll es in diesem Bereich bislang keine Veränderung gegeben haben. Das Portal zitierte eine nicht genannte Quelle, wonach derzeit nicht erwartet werde, dass es auch hier zu einem Stopp käme.

    Auch der US-Sender CNN berichtet mit Verweis auf informierte Kreise, die Weitergabe der Geheimdienstdaten laufe weiter.

    Klartext:



    Aussagen, Ankündigungen und Trumps Verbreitung von Lügen wechseln stündlich und täglich. Das daraus entstehende Chaos mag beabsichtigt sein --- spiegelt aber im Prinzip die Unsicherheit im Handeln des Regimes wieder.

    Notwendig für Europa ist -- und die Ukraine gehört zu Europa --



    die reale Bruchkante zu den USA schärfer zu definieren.

  • Selenski soll sich einen Ruck geben und nachgeben. Auch wenn es weh tut. Auch wenn es alles andere als gerecht ist. Eine gangbare Alternative sehe ich nicht.

    • @Black & White:

      Das Kind ist in den Brunnen gefallen. Nachgeben hieße womöglich, das die Ukraine langfristig nicht mehr als Staat existieren könnte.

      Für einen faulen Deal sind die ukrainischen Soldaten auf dem Schlachtfeld nicht gestorben, hat die Zivilbevölkerung nicht seit drei Jahren unzählige Opfer erbracht und schlimmes durchstehen müssen.

      Die entstandenen Lücken müssen so gut es geht gefüllt werden und die Europäer sind in der Pflicht das Defizit mit allen Mitteln auszugleichen.

      Trump steht Putin in punkto Unredlichkeit in nichts nach, auf das Wort beider ist kein Verlass und daher sind auch Verträge mit diesen Personen das Papier nicht wert.

      Europa sollte langsam akzeptieren, dass es sich zwischen zwei Fronten behaupten muss und dementsprechend handeln. Aufgeben oder klein beigeben ist keine Option, weder für die EU noch für die Ukraine.

      • @Sam Spade:

        "Für einen faulen Deal sind die ukrainischen Soldaten auf dem Schlachtfeld nicht gestorben, hat die Zivilbevölkerung nicht seit drei Jahren unzählige Opfer erbracht und schlimmes durchstehen müssen."

        Realistisch betrachet war die Wahrscheinlichkeit, dass es einen faulen Deal am Ende geben muss immer sehr hoch. Nur wollte niemanden den Menschen das sagen.



        Irgendwann muss man sich aber der Wahrheit stellen.



        Um so länger der Krieg dauert, um so schlechter werden die Konditionen für die Ukraine. Im Extremfall steht sogar die Existens als eigenständiger Staat zur Disposition.

        • @Alexander Schulz:

          Die Existenz der Ukraine steht eh auf dem Spiel. Oder glauben sie das Putin sich an irgendeine Vereinbarung halten wird? Macht die Ukraine jetzt territoriale Zugeständnisse wird Putin sich nach einer kurzen Verschnaufpause den Rest des Landes einverleiben.

          Daher ist Aufgeben keine Option, erst recht nicht in der gegenwärtigen Konstellation. Es hängt davon ab, ob die Partner relativ kurzfristig den Ausfall der Amerikaner kompensieren können.

          Und ich finde, dazu haben besonders die Europäer eine moralische Verpflichtung. Nehmen wir die nicht wahr, sind wir auch nicht viel besser als Trump und seine Zirkusclowns.

    • @Black & White:

      Sicher. Geben wir Putin doch gleich die Schlüssel für Europa in die Hand. Ist nicht gerecht, aber who cares. Really?!

    • @Black & White:

      Mal ein Zitat aus taz.de/wortwechsel...&SuchRahmen=Print/ : "Es war offensichtlich abgesprochen, Selenskyj in aller Öffentlichkeit zu demütigen und ihm das Scheitern der Verhandlungen anzuhängen. Vermutlich, weil sich herausstellte, dass Putin gar nicht verhandlungsbereit ist und Trumps Versprechen, den Krieg kurzfristig beenden zu können, nicht einlösbar ist."

    • @Black & White:

      Da empfehle ich mal den Artikel hier: taz.de/Kommentar-v...&SuchRahmen=Print/

      Vom "gratest deal maker ever" ist leider kein Entgegenkommen zu erwarten, es sei denn, in seinem eigenen Land bringt sein Vorgehen massive Probleme hervor. Ob es so kommt, und wann, kann niemand vorhersagen. Vorerst würde ich aber auf nichts hoffen, auch nicht auf eine adäquate Reaktion der amerikanischen Zivilgesellschaft.

    • @Black & White:

      Es geht nicht darum sich einen "Ruck" zu geben...die Konsequenzen sind Massaker, Vergewaltigungen

      www.n-tv.de/politi...ticle23248046.html

      Tausender von Russland entführter Kinder

      www.zdf.de/nachric...-russland-100.html

      Das einzig moralisch und geopolotisch richtiger wäre jetzt wenn sich Europa unabhängig von den USA macht und die Ukraine vollumfänglich unterstützt

    • @Black & White:

      Meinen Sie die Trumpisten werden dann von ihrem Deal mit Putin ablassen.



      Auf freiheitlich demokratischen Prinzipien basierende Entscheidungen sind aus den USA derzeit doch nicht mehr zu erwarten.

    • @Black & White:

      Wenn Selenskij nachgibt, dann wird die Ukraine russisch. Europa sollte sofort massiv Waffen in die Ukraine schicken und dann erstmal nachproduzieren.

      Wer immer noch nicht verstanden hat, dass Trump und Putin gemeinsame Sache machen, der hat dem Donald nicht zugehört in den letzten Jahren.

      Der nächste Schritt wird sein, dass Trump Europa direkt mit einem amerikanischen Angriff droht, wenn die Ukraine weiter unterstützt wird.

      Klingt im Moment abwegig, aber es wird so kommen.

      • @Gnutellabrot Merz:

        "Europa sollte sofort massiv Waffen in die Ukraine schicken.."



        Wenn Europa dies tut, dann steht Europa blank da und kann sich im Falle eines Angriffs nicht mehr verteidigen. Oder glauben sie, Trump würde für uns in den Krieg ziehen?