piwik no script img

Trumps Abwesenheit bei G7Knallharte Gesten der Macht

Tanja Tricarico
Kommentar von Tanja Tricarico

Die frühe Abreise von US-Präsident Trump vom Gipfel in Kanada trifft vor allem den ukrainischen Präsidenten Selenskyj. Ist das das Ende von G7?

Ich Chef, du nix – Trump zeigte seine außenpolitische Attitüde erneut beim G7-Gipfel in Kanada Foto: Kevin Lamarque/Reuters

E igentlich sind die G7 – also die Gruppe der wichtigsten Industrienationen der Welt – eine gemeinschaftliche Machtdemonstration. Es ist ein Bündnis ökonomischer Stärke, das für eine globale Ordnung steht – in seinen besten Zeiten gar ein politisches Bollwerk gegen Aggressoren wie den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Sie demonstrierten Einigkeit bei Sanktionen gegen Russland, berieten über die Freigabe von Zinsen eingefrorener russischer Vermögen für die attackierte Ukraine oder trieben den Wiederaufbau des Landes voran.

Davon hält US-Präsident Donald Trump eindeutig nichts. Und demonstriert dies ganz ohne Eklat, ohne Polterei, ohne großes Tamtam. Sondern mit einer schnöden Abreise vom G7-Gipfel in den kanadischen Rocky Mountains. Trump hatte einen „great day“, bescheinigte der Öffentlichkeit, mit den restlichen Staats- und Regierungschefs tolle Beziehungen zu haben. Aber, so sagte er, bevor er den Abflug machte: „Ich muss zurück, so schnell ich kann.“ Nehmt das, G7! Mehr braucht es nicht, um zu zeigen, dass dieses Format für Trump keinerlei Bedeutung, Vorteile oder gar Priorität hat.

Es ist eine Geste der Macht der besonderen Art, die vor allem den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hart trifft.

Nach dem Eklat im Weißen Haus Ende Februar sollten Selenskyj und Trump erneut aufeinandertreffen. Der Versuch einer Annäherung nach der Demütigung, eine Möglichkeit, vor dem Nato-Gipfel in der kommenden Woche in Den Haag für Solidarität, Geld und Waffen unter den G7-Teilnehmern zu werben.

Das Ende von G7?

Trump denkt nicht daran, die ausgestreckte Hand anzunehmen, kostet die Abhängigkeit Selenskyjs und der Verbündeten genüsslich aus und propagiert lieber Geschichtsrevisionismus. Laut Trump gäbe es jetzt keinen Krieg, wäre Russland nach der Annexion der Krim 2014 nicht von den G7 (damals noch G8) ausgeschlossen worden. Den verbleibenden Teilnehmern in Kanada bleibt nur Staunen und Empörung, die an Trump abprallt. Egal ist auch, dass Putin just in der Nacht auf Dienstag Kyjiw erneut mit Drohnen attackierte.

Seit rund 50 Jahren gibt es das G7-Format. Jetzt sieht es wohl seinem Ende entgegen. Selbst wenn Trump nicht mehr im Weißen Haus sitzt – zu viel Misstrauen wurde gesät. Bei aller berechtigter Kritik von Globalisierungsgegner:innen, die gegen die arrogante Selbstinszenierung und Selbstbereicherung der Führungsnationen protestierten, ist der G7-Gipfel ein wichtiger Termin auf der politischen Jahresagenda. Ein Ort für Gespräche über die Krisen der Welt. Trump schert das alles nicht. Die Deals werden an anderer Stelle ausgehandelt. Und die G6? Die bleiben planlos zurück.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Tanja Tricarico
wochentaz
Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Leitet derzeit das Politik-Team der wochentaz. Privat im Einsatz für www.geschichte-hat-zukunft.org
Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • Was macht ein Treffen für einen Sinn, ohne China und Indien, dem Märkten der Zukunft? Und macht ein Treffen mit Trump überhaupt Sinn, wenn er morgen vergessen hat, was er heute behauptet hat? Ich finde dem Clown aus Amerika wird viel zu viel Beachtung geschenkt.

  • Wer hätte gedacht, dass die amerikanischen Bestrebungen, die 5 Milliarden Dollar in den Regierungswechsel in Kiew steckten, um das Land in die Demokratie zu führen, einmal diesen Verlauf nehmen würden.



    Statt Russland ins Aus zu drängen, sind es nun wir selbst, die wirtschaftlich schwer an den Sanktionen kauen.



    Aber das ist auch weit weniger dramatisch, als der Tod von tausenden Ukrainern, denen damit weit mehr als nur eine wirtschaftliche Basis genommen wurde.



    Außer markigen Narrativen, die bisher kein klares, erreichbares Ziel vermittelten, ist wirklich wenig geblieben für die Agenda der Revolution der Würde.

  • Völlig egal unter welchem Label: Treffen mit Trump sind sinnfrei.

  • "Die Deals werden an anderer Stelle ausgehandelt." ... ja, so wird's wohl sein. G7 ist doch Schnee von gestern. Nun brauchts neue Allianzen der G7-Reste, einschließlich EU, mit China, Indien, Australien, der Afrikanischen Union, Südamerika.

  • "Es ist ein Bündnis ökonomischer Stärke, das für eine globale Ordnung steht"



    Habe ich mich verlesen?



    Kaum zieht sich eine wirtschaftliche Interessengemeinschaft von der Bühne zurück, die seit Jahrzehnten vor allem ihre eigenen Vorteile verfolgt hat, beginnt das große Wehklagen.



    Man trauert ihr hinterher – als hätte sie je die Welt gerechter gemacht.



    Diese Tränen sind neoliberal, weichgespült und überflüssig.

    Im Grunde muss man dem POTUS fast dankbar sein – für die schamlose, primitive Klarheit, mit der er sich einfach vom Acker macht.



    Kein Theater, keine Diplomatie, kein moralischer Schleier.



    Er lässt die restlichen "Großen Sechs" zurück – verlegen, demütig, gezwungen zur Selbstrechtfertigung.

    Da wird ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg legitimiert –



    ausgerechnet inmitten laufender Verhandlungen, zwei Jahre lang vorbereitet, und jetzt einfach durchgezogen.



    Gaza? Keine Erwähnung.



    Die Ukraine? Nur noch ein Rechenposten.

    Am Ende geht es doch nur darum, dass das grobschlächtige Familienoberhaupt bitte weiterhin den Wohlstand absichert –



    unter dem schützenden Schatten eines militärischen Sauriers.

    • @Stefan Schmitt:

      Dann bleibt uns wohl nur, den Autokaten und Diktatoren das Feld zu überlassen, oder?

      Die eigentliche Entscheidung, die alle Menschen egal wo treffen müssen ist:

      Demokratie oder Nicht-Demokratie

      Ich stehe da aktuell letztendlich dann doch noch auf der Seite der Demokratien.

      • @Gnutellabrot Merz:

        Also auch auf Seiten Trumps und seiner Politik!

    • @Stefan Schmitt:

      Alles richtig. Nur sollte man auch so ehrlich sein zu sagen, dass es nicht nur die neoliberale Elite sein wird, die dem abgesicherten Wohlstand hinterhertrauern wird.

      In einer wahrlich gerechten Welt werden wir uns Luxus wie z.B. unseren heutigen Sozialstaat nicht mehr leisten können. Wir, und damit meine ich wir alle, werden alle zu denjenigen gehören die Wohlstand abgeben müssten. Daher weiß ich nicht ob die Dankbarkeit für Trumps Offenheit so verbreitet sein wird.

      • @Chris McZott:

        Wieso sollten wir uns unseren bisherigen Sozuialstaat nicht mehr leisten können? Verwechseln Sie eventuell materiellen Wohlstand mit sozialer Absicherung? Unseren aktuellen materiellen Wohlstand werden wir uns wahrscheinlich nicht endlos weiter leisten können, da hierfür die Resourcen schwinden. Aber die soziale Absicherung kann immer organisiert werden. Reichtum ist ausreichend vorhanden, allerdings sehr ungleich verteilt. Und genau da müssen wir ansetzen.

        • @Minion68:

          Natürlich kann immer irgendeine soziale Absicherung organisiert werden. Das geht selbst in Nomadengesellschaften. Nur eben nicht auf dem Niveau das wir hier gewohnt sind.

          Aktionenoptionen und Kryptowährungen sind reine Buchwerte. Wenn sie die verteilen, bleibt weniger davon übrig als sie glauben. Und in einer Luxusvilla kann auch nur eine begrenzte Anzahl an Menschen wohnen. Es ist reines Wunschdenken, dass eine globale Umverteilung den Durchschnittsdeutschen unbehelligt lassen würde.

          • @Chris McZott:

            Wenn ich von sozialer Absicherung spreche, dann meine ich die Sozialversicherung und Krankenversicherung, sowie Arbeitslosenversicherung und Bürgergeld. Was bitteschön soll da nicht finanzierbar sein? Und was hat das mit materiellem Wohlstand wie z.B. hohen Vermögensbeständen (z.B. in Form von Aktien) oder auch solchen Dingen wie Privat-Kfz (oft mehrere pro Haushalt) zu tun?



            Und was wir nicht vergessen sollten, weir leben im Kapitalismus. Da ist der Profit alles was zählt. Soziale Fragen fallen da gerne hinten runter.

  • Hübsches Bild 😁

    Übrigens. Die G7 sind schon langen nicht mehr die Gruppe der wichtigsten Industrienationen der Welt. Entsprechend verringert sich ihr Gewicht von Jahr zu Jahr. Der Rummel um die Treffen steht schon lange in keinem Verhältnis zur Bedeutung der Treffen.

  • Mit der Meinung, Russland und China könnten doch auch an den Treffen teilnehmen, distanziert trump sich weiter von weltpolitischen Ansprüchen der Demokratie.



    Geradezu beschämend ist die Reaktion der Zurückgewiesenen.



    Nach dem Entschuldigungsversuch Macrons für trumps Abreise, wird Dieser vom "König von Amerika" auch noch abgekanzelt.



    Deutschlands Vertreter sehen genauso aus, fehlt nur noch der Staubsauger.



    Die " Bereitschaft Wahdephuls" zu Verhandlungen zwischen Iran und Israel zur Verfügung zu stehen, ist geradezu lächerlich.



    Momentan hat Deutschland in diesem Zusammenhang keinerlei Bedeutung.



    Während Scholz und Baerbock für Gaza noch Krisen Diplomatie betrieben, reicht der Union ein knappes Lippenbekenntnis.



    Die "Schurkenstaat" Argumentation der G7 ist auch sehr einseitig.



    Da klingen ja schon die Appelle Chinas nach Deeskalation ausgewogener.



    Der Angriff auf den Iran von Netanjahus innenpolitischen Problemen zu trennen ist kurzsichtig.



    Ganz trumptaktik: gibt es ein Problem, lenken wir mit einem neuen davon ab.



    Der Witz ist, dass trump durch die Entwicklung von Netanjahu düpiert wurde.



    Seine aufgeregte Abreise soll vergessen machen, dass seine Verhandlungen gescheitert sind.

  • Danke für diesen Kommentar.

  • "Jetzt sieht es wohl seinem Ende entgegen. Selbst wenn Trump nicht mehr im Weißen Haus sitzt – zu viel Misstrauen wurde gesät. "

    Halte ich für eine sehr spekulative These. Wenn ein Demokrat z.B. im Weißen Haus dann sitzt, soll die G7 auch vorbei sein? 50 Jahre hat sie überdauert, und da wird sie auch 4 Jahre Trump 2 durchhalten.

  • Golf spielen! Zur Entspannung.

  • Wer steht jetzt eigentlich dümmer im Regen?

    Eine vermeintlich liberal-progressive Linke, die „ein Bündnis ökonomischer Stärke, das für eine globale Ordnung steht“, am Ende sieht und gar nicht mehr merkt, dass sie damit der postkolonialen Hegemonie westlicher Industriestaaten nachtrauert?

    Oder die Europäer, die sich immer als Teil der hegemonialen Macht sahen und die von Trump in allen Punkten vorgeführt bzw. gleich einen Korb bekommen haben?

    Mit Trump wollten die Europäer über Deeskalation im Israel-Iran-Konflikt reden. Der macht aber die Wende und die Europäer folgen. Merz lobt danach Israel für schmutzigen Geschäft und dankt der ZDF-Reporterin für das Stichwort. Für Gespräche über Unterstützung für die Ukraine und Sanktionen gegen Russland hat Trump keine Zeit und über Zölle wurde nur mal zwischen Tür und Angel gesprochen. Da war er schon wieder weg; der Trump. Nun stehen sie da, die Europäer ohne USA nur mit halbvollen Taschen und halbvollen Hosen.

  • Die Welt dreht sich auch ohne Trump weiter,



    Aber er ist und bleibt eine Schande für die Menschheit.

  • Eifrig wurde gegen G7 demonstriert. Nun wird sie sich vielleicht auflösen, aber besser wird gar nichts.

    Gegen die NATO wurde ebenso vehement protestiert. Nun scheint sie fast handlungsunfähig, was alle noch nervöser macht.

    "Ami, go home" setzt Trump in die Tat um.

    Die gesellschaftliche Linke müsste eigentlich jubeln.

    Rückblickend hat man vielleicht doch gegen das Falsche demonstriert?

    "Überlege dir genau, was du dir wünschst. Es könnte dir gewährt werden" (Stammt aus einem alten Roman)

    Da freuen wir uns dann mit der AfD, dem BSW und der Linkspartei zusammen auf Putin als neuen Herren.

    Natürlich kann man das abwenden, indem man sich unter den Schutz Chinas stellt.

    Dort nennt es sich wenigstens noch "kommunistische Partei".

    Auch wenn dort keiner den Kapitalismus abschaffen wird.

    Wollen wir lieber Russisch oder Chinesisch lernen?

    Sorry für den Zynismus.

  • Ehrlich gesagt, muss es nicht das schlechteste sein, wenn dieser elitäre Verein aufgelöst wird. Probleme dieser Welt lösen die nicht. Ohne China, ohne Russland, ohne Indien und die Kontinente Südamerika und Afrika, werden keine Probleme gelöst.