Tag der Pressefreiheit 2025: Repression von Journalisten kennt keine Grenzen
Auch im Exil sind Journalisten längst nicht vor Verfolgung aus ihrer Heimat sicher. Ein neues Bündnis will dazu die Öffentllichkeit sensibilisieren.

Der saudische Journalist Jamal Kashoggi ist im Oktober 2018 im Konsulat seine Landes in Istanbul ermordet worden. Er hatte dort Papiere für seine Heirat abholen wollen. Doch wurde er seitdem nie wieder gesehen. Ermittler gehen davon aus, dass er im Konsulat ermordet und zerstückelt wurde, die Leichenteile wurden nie gefunden. Laut Geheimdienstinformationen seien 15 Männer aus Saudi-Arabien eigens für den Mord in die Türkei geflogen. Alle Indizien belasten den saudischen Geheimdienst.
Khashoggi hatte als Gegner des saudischen Königshauses 2017 sein Heimatland verlassen müssen. In den USA schrieb er für die Washington Post über seine Heimat und hielt sich öfter in der Türkei auf. Dass Journalisten, Exilpolitiker und geflohene Menschenrechtler auch im Exil von Geheimdiensten ihrer Herkunftsländer verfolgt, bedroht und sogar getötet werden, um sie zum Schweigen zu bringen, kommt leider öfter vor. Auch in Deutschland. Dies wird transnationale Repression genannt. 2023 und 2024 diskutierten das Bundestagsabgeordnete jeweils bei einem parlamentarischen Frühstück.
Zu Gast war etwa die chinesische Journalistin Su Yutong. Sie floh 2010 nach Deutschland, nachdem sie in China Tagebücher des früheren Ministerpräsidenten Li Peng verbreitet hatte. Die sind dort inzwischen verboten. Doch auch in Deutschland, von wo aus Su Yutong weiter ihre Stimme gegen Menschenrechtsverletzungen in China erhob, verfolgte sie das Regime, berichtete sie im Bundestag. Ihre Adresse und ihre Fotos seien auf Sex-Dating-Seiten gepostet worden, so dass ständig Männer bei ihr klingelten, die Sex wollten.
Über soziale Medien sei sie bedroht, bei Protesten gegen Chinas Regierung fotografiert und eingeschüchtert worden. Unter ihrem Namen seien Hotels gebucht worden, auf eine Art, dass Geheimdienste sie mit Bombendrohungen gegen ein Hotel in Verbindung gebracht hätten. Heute wird Su Yutong von der deutschen Polizei beschützt, die ihr zum Umzug geraten hatte. Ihre Adresse ist über Auskunftsdateien nicht mehr zu finden.
Die Beilage der taz Panter Stiftung und Reporter ohne Grenzen zum Tag der Pressefreiheit 2025 finden Sie
.Nicht alle Fälle in Deutschland sind überhaupt erfasst
Laut der US-Nichtregierungsorganisation Freedom House haben in den letzten zehn Jahren mindestens zwölf ausländische Regierungen Staatsangehörige in Deutschland mit transnationaler Repressionen verfolgt. Dazu zählen neben China auch Russland, Belarus, Ägypten, Türkei, Vietnam, Iran und Aserbaidschan. Doch erfasst sind nur öffentlich bekannte Fälle. Etwa der spektakuläre „Tiergartenmord“ 2019, als ein russischer Agent im Auftrag des russischen Geheimdienstes einen nach Deutschland geflohenen Georgier ermordete.
Oder aber Fälle, wo das Opfer wie Su Yutong als Journalistin ihren Fall selbst öffentlich machen konnte. Viele Betroffene fügen sich dem Druck autoritärer Regimes oder sehen keine Möglichkeit, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Eine hohe Dunkelziffer ist wahrscheinlich.
Beim parlamentarischen Frühstück berichtete der türkische Journalist Erk Acarer, dass er 2021 im Berliner Exil von drei Männern geschlagen wurde. Er habe sie erkannt und rechten Kräften aus der Türkei zugeordnet. Andere Betroffene berichteten von Cyberangriffen, von Versuchen autoritärer Regime, Spionagesoftware auf ihrem Handy zu installieren sowie von Einschüchterungen ihrer im Herkunftsland lebenden Familienangehörigen, damit sie selbst schweigen.
Sie berichteten von Geheimdienstlern ihrer Heimatländer, die in Deutschland als Geschäftsleute oder Diplomaten leben und auf die Diaspora einwirken, um Menschenrechtler und kritische Journalisten zu isolieren und auszuspionieren.
So bekommen mehrere Journalisten aus der Türkei und Vietnam in Deutschland Personenschutz. Sie lobten den guten Schutz der Polizei, kritisierten aber, dass das Thema transnationale Repression in öffentlichen Debatten bisher kaum vorkomme. Sie wünschten eine Ansprechperson der Bundesregierung für die Opfer. So wurde das Thema zwar im Koalitionsvertrag der Ampelregierung wie auch derzeit von Schwarz-Rot benannt. Doch passiere jenseits der Polizeiarbeit wenig.
Lückenhafter Polizeischutz
Und Polizeischutz bekämen auch nur Opfer, die sich selbst outen oder eher zufällig der Polizei bekannt werden. Zudem warte man bei vielen Ermittlungen gegen mutmaßliche Täter, die mitunter im Ausland leben oder Diplomatenstatus haben, seit Jahren auf handfeste Ergebnisse..
Letzten Sommer schlossen sich auf Initiative der Tibet Initiative elf Menschenrechts- und Exilorganisationen zur „Koalition gegen Transnationale Repression in Deutschland“ zusammen. „Wenn Menschen in Deutschland verfolgt werden, sind sie bislang mit ihren Ängsten allein“, sagt David Missal von der Tibet Initiative. „Transnationale Repression ist nicht nur eine Bedrohung für Einzelpersonen, sondern auch eine Herausforderung für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.“
Transnationale Repression richte sich auch gegen die Bundesrepublik selbst, so Missal, da sie das Potenzial habe, Grundfreiheiten zu beeinträchtigen. Zur Koalition gehören auch die Belarussische Gemeinschaft Razam, die auf Vietnam spezialisierte Menschenrechtsorganisation Veto! sowie Reporter ohne Grenzen. Die Koalition will eine starke Stimme für Betroffene sein, die Öffentlichkeit sensibilisieren und politisch beraten. Denn transnationale Repression nimmt zu, was Sophie von Waitz von Reporter ohne Grenzen dem weltweit zunehmenden Autoritarismus zuschreibt.
Marina Mai ist freie Journalistin und taz-Autorin in Berlin.
Dieser Artikel erscheint am 3. Mai 2025 als Teil einer gemeinsamen Sonderbeilage der taz Panter Stiftung und Reporter ohne Grenzen zum Tag der Pressefreiheit.
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