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Studie zu SchwangerschaftsabbrüchenVeröffentlichungsdatum fehlt bisher

Seit 2024 liegen dem Ministerium Ergebnisse einer Studie zu Schwangerschaftsabbrüchen vor, veröffentlicht sind sie nicht. Weil sie politisch nicht genehm sind?

Gesundheits-ministerin Nina Warken bei einem Pressetermin in einem Krankenhaus: Die Studienergebnisse sind wohl politisch nicht gewollt Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Berlin taz | Schon vor mehr als einem halben Jahr lagen die Ergebnisse einer bahnbrechenden Studie in Deutschland vor: Die sogenannte Elsa-Studie hatte zum ersten Mal hierzulande Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer untersucht. Im Dezember 2024 schickte das Team um Daphne Hahn von der Hochschule Fulda per Abschlussbericht ans Bundesgesundheitsministerium, was es herausgefunden hatte.

Klar wurde damals zum Beispiel: Fast die Hälfte der Betroffenen wollte oder musste den Abbruch der Schwangerschaft geheim halten. Fast ein Drittel konnte den Abbruch nicht mit der Methode vornehmen lassen, die die ungewollt Schwangere bevorzugt hätte. Und in 85 von 400 untersuchten Landkreisen konnten Schwangere nicht innerhalb einer angemessenen Zeit von 40 Minuten eine Einrichtung erreichen, die einen Abbruch vornimmt.

In Auftrag gegeben und finanziert hatte die Studie das Bundesgesundheitsministerium (BMG). Doch nun lässt sich das Ministerium unter Ministerin Nina Warken (CDU) auffällig viel Zeit zur Veröffentlichung der Ergebnisse. Mitte Juni schon hieß es auf eine schriftliche Anfrage der frauenpolitischen Sprecherin der Grünen, Ulle Schauws: die Veröffentlichung sei „in den nächsten Wochen“ vorgesehen. Auf dieselbe aktuelle Anfrage antwortet das BMG nun gleichlautend, veröffentlicht werden solle die Studie „in den nächsten Wochen“. Ein genaueres Datum mochte das Ministerium nicht preisgeben.

Teuerste Studie seit Jahren

Mehr noch: Obwohl die Studie laut eines früheren Berichts des Spiegel mit einem Etat von knapp fünf Millionen Euro der teuerste Forschungsauftrag des BMG der vergangenen zehn Jahre ist, soll es, geht es nach dem Ministerium, erstaunlich ruhig um die Veröffentlichung bleiben. Die Studie werde „auf der Website“ veröffentlicht, so eine Sprecherin auf Anfrage der taz. Auf die Frage, ob damit eine Pressemitteilung, eine Präsentation des Ministeriums oder ähnliches einhergehen soll, antwortetet die Sprecherin nicht.

„Ich sehe mit Sorge, dass das Gesundheitsministerium die Veröffentlichung des Elsa-Abschlussberichts zurückhält“, sagte Ulle Schauws der taz. Gerade in der momentan aufgeheizten Diskussion um Paragraf 218 seien die Erkenntnisse dieser Studie enorm hilfreich. „Ich erwarte von Frau Warken, dass Sie den Bericht umgehend veröffentlicht und nicht versucht, politisch ungewollte Erkenntnisse zu vertuschen.“

Politisch ungewollt allerdings dürften die Ergebnisse der Studie allemal sein. Vergangene Legislatur war die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen durch einen moderaten und ausgewogenen interfraktionellen Gesetzentwurf von Grünen, Linken und SPD an Union und FDP gescheitert.

Bei der Debatte des Entwurfs im Plenum im Dezember 2024 hatte die damalige Abgeordnete und heutige Ministerin Nina Warken gesagt: „Es geht darum, dass der vorliegende Gesetzentwurf die Perspektive des ungeborenen Menschen vollkommen negiert“ – was ausdrücklich nicht der Fall ist. Schwangerschaftsabbrüche, so Warken damals, dürften nicht zu „etwas Normalem, etwas Alltäglichem“ werden. Denn: „Mit dem Schwangerschaftsabbruch wird Leben beendet.“ Auf einen Zwischenruf, sie möge doch bitte die Ergebnisse der Elsa-Studie lesen, ging Warken nicht ein.

Kampagne gegen Brosius-Gersdorf

Bei der Debatte um die Nominierung von Frauke Brosius-Gersdorf als Verfassungsrichterin lag es nun insbesondere am rechtskatholischen Flügel der Unionsfraktion, dass Brosius-Gersdorf nicht gewählt wurde. Brosius-Gersdorf war Mitglied in der von der Ampel-Regierung eingesetzten Ex­per­t*in­ne­kom­mis­si­on zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen gewesen. Mit Falschmeldungen zu ihren Positionen zum Schwangerschaftsabbruch wurde nun Stimmung gegen sie gemacht. Für die Union, die die Beibehaltung des Paragrafen 218 ausdrücklich in ihrem Wahlprogramm festhält, ist das Verbot von Abbrüchen ohnehin noch immer eine heilige Kuh.

Nichtsdestotrotz ist im Koalitionsvertrag von Union und SPD zumindest festgehalten, dass die Versorgungslage ungewollt Schwangerer verbessert, die medizinische Weiterbildung gestärkt sowie die Kostenübernahme ausgedehnt werden sollen – alles Vorschläge, die die Elsa-Studie wissenschaftlich fundiert als Handlungsempfehlung gibt. „Ich wundere mich, dass die Studie noch nicht veröffentlicht wurde“, sagte auch Studienleiterin Daphne Hahn der taz, „zumal das öffentliche Interesse am Thema ja groß ist.“

Interessant ist auch die Rolle, die die Stu­di­en­au­to­r*in­nen dem BMG nahelegen. Bislang sind vor allem die Länder in der Pflicht, die Versorgung ungewollt Schwangerer zu koordinieren. Elsa empfiehlt eine größere Verantwortung des Ministeriums. Nina Warken dürfte keine solche wollen.

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27 Kommentare

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  • Fast drei Viertel der Deutschen (74 Prozent) sprechen sich in einer repräsentativen Forsa-Umfrage dafür aus, Schwangerschaftsabbrüche künftig innerhalb der ersten zwölf Wochen ohne Einschränkungen zu erlauben.

    Die Frage ist also, weshalb die Union (CDU/CSU) an einem Paragrafen aus dem Jahr 1871 festhält, obwohl die Mehrheit der heute lebenden Deutschen diesen 'uralten' und 'aus der Zeit gefallenen Paragrafen' nicht mehr im 21. Jahrhundert haben wollen.

    Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) argumentierte schon damals (in den 1970'er Jahren), dass ***„Rechtsauftrag und soziale Wirklichkeit“ des seit gut hundert Jahre geltenden Paragrafen 218 sich „auseinander entwickelt“ haben. „Es gab viele dunkle Wege in die Illegalität, es gab viel Krankheit und Tod, die hätten vermieden werden können“. Der geltende Abreibungsparagraf habe diese „Übelstände“ aber nicht verhindert. „Der Paragraf 218 ist in dem, was er real bewirkte, ein schwer erträglicher Restbestand sozialer Ungerechtigkeit des vorigen Jahrhunderts“.*** [Historische Debatten - Ethische Kontro­verse zum Abtreibungs­paragraf 218]

    Der unsinnige § 218 StGB aus dem 19. Jahrhundert muss endlich weg.

  • Die Ampel hatte eine einmalige Gelegenheit, Schwangerschaftsabbrüche zu entkriminalisieren, aber sie haben es vertrödelt.



    Und jetzt haben wir wieder eine Regierung mit grusel-pseudo-katholischen Konservativen, die sich zwar nicht um soziale Gerechtigkeit scheren, aber denken, dass sie in den Himmel kommen, wenn sie Frauen in Not drangsalieren.

  • Es wäre schade, wenn à la USA sich um solche Themen schrill gebalgt würde, um einen aktivierenden Unterschied der Parteien zu markieren. Aber die Klassen-, Sozial- und Umweltfrage gar nicht mehr gestellt würde.



    Dann wären wir in Lifestyle-Kultur-Fronten verhakt, das hilft nur den Wenigen, den Schwerreichen, den Fossilis.

    Liebe Union, selbst wenn ihr selbst mehrheitlich eine gewisse Meinung dazu habt, benennt eure Gründe und Argumente, doch eben auch die der "anderen" Seite. Gegenüber der Öffentlichkeit zur Veröffentlichungszeit die Unwahrheit sagen, sollte auch nicht einreißen.



    Liebe weitere, versteht die Position der Union auch etwas (wenn mensch es als Leben sieht, gilt ja sogar Artikel 1). Aber leider müsste dann ansonsten mal eine gnädige Person im Ministerium die Studienfakten so komplett an die Öffentlichkeit bringen.

    • @Janix:

      Zitat: "Gegenüber der Öffentlichkeit zur Veröffentlichungszeit die Unwahrheit sagen, sollte auch nicht einreißen. "

      Wieso, war doch das vielbemühte "Wählerinteresse"? Die xxUen, FDP, BSW und die gesichert rechtsextreme AfD haben bei der Bundestagswahl zusammen über 50% der WählerInnenstimmen bekommen. Daraus schließe ich, dass über die Hälfte der Menschen, die ihre Stimme abgegeben haben, angelogen werden wollen, sonst hätten die ja diese Parteien nicht gewählt. ;)

  • Die CDU ist halt ein intransparenter Lügenverein in dem seit Alters her ein "Kanzlerehrenwort" mehr gilt als Recht und Gesetz in diesem Land.

  • Für das Vertuschen politisch nicht genehmer Berichte ist die gute Frau ja inwzwischen Expertin.

  • Keine Whistleblower?

  • Also bitte. Auch wenn die CDU zu kritisieren ist, so ist die Kritik hier unangebracht, da die Studie bereits 2024 vorlag und damit bereits von der Ampel veröffentlicht werden hätte können. Bevor hier nur eine Partei geblamet wird, sollte man auch die anderen Parteien genauso kritisieren. Namentlich SPD, Grüne und FDP.

    Alles andere ist verfälschte Propaganda!

    • @Walterismus:

      Die Ampel war Dez. 24 zweifarbig und Ausländerfeindlichkeit bis zur BT-Wahl Feb. 25 wichtiger.

      • @Hugo:

        Aha und deshalb wird die CDU geblamet und die anderen Parteien nicht? Klar so kann man es sich einfach machen...



        Einfach Verfehlungen der anderen Parteien in der selben Sache ignorieren und die Schuld einer anderen Partei zuschieben.



        Die SPD ist übrigens auch jetzt noch in der Regierung. Vielleicht hat auch die SPD ein Interesse daran, dass das unter Verschluss bleibt.

        Ich finde das Verhalten auch Kritikwürdig, aber ich kann es echt nicht ausstehen, wenn mit zweierlei Maß gemessen wird. Entweder alle kritisieren, oder niemanden.

    • @Walterismus:

      Demnach kennen diese "ExpertInnen" ja die Inhalte - und halten dicht?



      "Propaganda" fällt mit persönlich eigentlich eher in ganz anderen Zusammenhängen ein.



      Die Union besteht aus zwei Parteien und die Koalition aus drei Parteien, da gibt's bestimmt nicht nur KonformistInnen...

      • @Martin Rees:

        ...und halten dicht?...



        Inkontinenz, ick hör dir trapsen

  • Einen provokanten Kommentar von Herrn Grohmann kann man auf bei-abriss-aufstand unter dem Titel "Lebensschutz kommt nach der Geburt". Er thematisiert das Problem, dass die heiligen Gegner eines Abbruchs alles für das ungeborene Leben tun, aber praktisch nichts, für das geborene Leben.

    • @Frank Burghart:

      Ist etwas platt.

      Man kann nun nicht behaupten, dass etwa die katholische Kirche sich nicht auch um Kinder nach der Geburt bemühen würde.

      • @rero:

        Ja schon, doch dann vertuschen sie diese "Bemühungen" ohne jede Scham und Einsicht....

  • 2024 war Lisa Paus Familienministerin. Was hat die Union damit zu tun?



    Ist es gerade Sommer, und man muss billige Empörung generieren?

  • Die Ergebnisse der Elsa-Studie lagen doch schon zum Spätherbst 2024 vor.



    Statt hier nur die Union zu kritisieren würde mich interessieren, wieso die Ampel nicht noch die Ergebnisse öffentlich gemacht hat.

    • @Saskia Brehn:

      Weil das Thema in anstehenden Wahlkampf unangenehm gewesen wäre?



      Man ging wohl davon aus, dass man damit mehr Wähler verlieren als gewinnen kann im aktuellen gesellschaftlichen Klima.



      Das würde ich vermuten.



      Trotzdem sage ich als Steuerzahler: dafür sind Gelder geflossen, allein deshalb erwarte ich schon eine Veröffentlichung.

  • In der momentan aufgeheizten Diskussion um Paragraf 218 braucht es derzeit doch nicht noch weitere Studien, an denen sich die verschiedenen Lager abarbeiten, sondern einfach etwas Abkühlung und Ruhe. Also ab in die unterste Schublade damit und gut ist es.

    • @DiMa:

      "...einfach etwas Abkühlung und Ruhe..."

      Damit ist wohl eher gemeint, Gras über die Sache wachsen zu lassen, um die jetzige "Reglung" über die Zeit zu retten.

    • @DiMa:

      Das Thema nicht wie z.B. Trumps Republikaner zur Aufheizung und Ablenkung zu missbrauchen und mit transparent gemachten Werten wie Fakten zu kommen - vielleicht ist da die Studie ein Beitrag.

      Vielleicht hätte Paus sie nach der Wahl noch sicherheitshalber veröffentlichen sollen. Ob das jedoch nach der Wahl dem Thema gerecht geworden wäre, ist dann auch eine Frage.



      Kurz vor der Wahl hätte es wiederum womöglich das Thema überbetont.

      Wieso nicht einfach jetzt? Warken muss sich ohnehin wohl neu sortieren, wenn sie aus dem Schützengraben in dem Ministerinnensessel ankommen will.

  • Vielleicht wird auf Fehler im Studiendesign geprüft statt wie üblich auf Plagiate. Es gibt immer Möglichkeiten, die Plausibilität der Daten zu hinterfragen oder die Einschluss- und Ausschlusskriterien anzuzweifeln.



    Bestimmt sickert bald etwas durch.



    Sätze über Statistiken gibt viele, auch viele berühmte Zitate dazu...

    • @Martin Rees:

      Gibt es im Gesundheitsministerium überhaupt jemanden, der so etwas macht?

    • @Martin Rees:

      Ein etwas weniger bekanntes Zitat aus einer Zeit begrenzter Möglichkeiten und im Vorfeld der Entgrenzung der Humanität in zwei Weltkriegen, das heute - insbesondere in einigen Communities - wohl eine stark polarisierende Wirkung entfalten dürfte:

      „Um Gottes Gedanken zu verstehen, müssen wir Statistiken studieren, denn diese sind die Maßeinheiten, die seine Absichten veranschaulichen.“ Florence Nightingale (1820–1910) britische Krankenpflegerin und Erfinderin des Kriegslazaretts"

      Quelle: beruhmte-zitate.de/themen/statistik/

    • @Martin Rees:

      Das Prüfen wäre ja in einem wesentlich größeren Maßstab möglich, wenn mehr Leute Zugriff darauf hätten.

      • @ImInternet:

        Sehr gute Idee. Vielleicht wird aber hier selektiert oder priorisiert.

  • Seid ihr jetzt Journalist:innen oder Wochenendpublizist:innen - dann besorgt euch die Studie investigativ.... wird ein pDF sein