Studie zu Schwangerschaftsabbrüchen: Veröffentlichungsdatum fehlt bisher
Seit 2024 liegen dem Ministerium Ergebnisse einer Studie zu Schwangerschaftsabbrüchen vor, veröffentlicht sind sie nicht. Weil sie politisch nicht genehm sind?

Klar wurde damals zum Beispiel: Fast die Hälfte der Betroffenen wollte oder musste den Abbruch der Schwangerschaft geheim halten. Fast ein Drittel konnte den Abbruch nicht mit der Methode vornehmen lassen, die die ungewollt Schwangere bevorzugt hätte. Und in 85 von 400 untersuchten Landkreisen konnten Schwangere nicht innerhalb einer angemessenen Zeit von 40 Minuten eine Einrichtung erreichen, die einen Abbruch vornimmt.
In Auftrag gegeben und finanziert hatte die Studie das Bundesgesundheitsministerium (BMG). Doch nun lässt sich das Ministerium unter Ministerin Nina Warken (CDU) auffällig viel Zeit zur Veröffentlichung der Ergebnisse. Mitte Juni schon hieß es auf eine schriftliche Anfrage der frauenpolitischen Sprecherin der Grünen, Ulle Schauws: die Veröffentlichung sei „in den nächsten Wochen“ vorgesehen. Auf dieselbe aktuelle Anfrage antwortet das BMG nun gleichlautend, veröffentlicht werden solle die Studie „in den nächsten Wochen“. Ein genaueres Datum mochte das Ministerium nicht preisgeben.
Teuerste Studie seit Jahren
Mehr noch: Obwohl die Studie laut eines früheren Berichts des Spiegel mit einem Etat von knapp fünf Millionen Euro der teuerste Forschungsauftrag des BMG der vergangenen zehn Jahre ist, soll es, geht es nach dem Ministerium, erstaunlich ruhig um die Veröffentlichung bleiben. Die Studie werde „auf der Website“ veröffentlicht, so eine Sprecherin auf Anfrage der taz. Auf die Frage, ob damit eine Pressemitteilung, eine Präsentation des Ministeriums oder ähnliches einhergehen soll, antwortetet die Sprecherin nicht.
„Ich sehe mit Sorge, dass das Gesundheitsministerium die Veröffentlichung des Elsa-Abschlussberichts zurückhält“, sagte Ulle Schauws der taz. Gerade in der momentan aufgeheizten Diskussion um Paragraf 218 seien die Erkenntnisse dieser Studie enorm hilfreich. „Ich erwarte von Frau Warken, dass Sie den Bericht umgehend veröffentlicht und nicht versucht, politisch ungewollte Erkenntnisse zu vertuschen.“
Politisch ungewollt allerdings dürften die Ergebnisse der Studie allemal sein. Vergangene Legislatur war die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen durch einen moderaten und ausgewogenen interfraktionellen Gesetzentwurf von Grünen, Linken und SPD an Union und FDP gescheitert.
Bei der Debatte des Entwurfs im Plenum im Dezember 2024 hatte die damalige Abgeordnete und heutige Ministerin Nina Warken gesagt: „Es geht darum, dass der vorliegende Gesetzentwurf die Perspektive des ungeborenen Menschen vollkommen negiert“ – was ausdrücklich nicht der Fall ist. Schwangerschaftsabbrüche, so Warken damals, dürften nicht zu „etwas Normalem, etwas Alltäglichem“ werden. Denn: „Mit dem Schwangerschaftsabbruch wird Leben beendet.“ Auf einen Zwischenruf, sie möge doch bitte die Ergebnisse der Elsa-Studie lesen, ging Warken nicht ein.
Kampagne gegen Brosius-Gersdorf
Bei der Debatte um die Nominierung von Frauke Brosius-Gersdorf als Verfassungsrichterin lag es nun insbesondere am rechtskatholischen Flügel der Unionsfraktion, dass Brosius-Gersdorf nicht gewählt wurde. Brosius-Gersdorf war Mitglied in der von der Ampel-Regierung eingesetzten Expert*innekommission zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen gewesen. Mit Falschmeldungen zu ihren Positionen zum Schwangerschaftsabbruch wurde nun Stimmung gegen sie gemacht. Für die Union, die die Beibehaltung des Paragrafen 218 ausdrücklich in ihrem Wahlprogramm festhält, ist das Verbot von Abbrüchen ohnehin noch immer eine heilige Kuh.
Nichtsdestotrotz ist im Koalitionsvertrag von Union und SPD zumindest festgehalten, dass die Versorgungslage ungewollt Schwangerer verbessert, die medizinische Weiterbildung gestärkt sowie die Kostenübernahme ausgedehnt werden sollen – alles Vorschläge, die die Elsa-Studie wissenschaftlich fundiert als Handlungsempfehlung gibt. „Ich wundere mich, dass die Studie noch nicht veröffentlicht wurde“, sagte auch Studienleiterin Daphne Hahn der taz, „zumal das öffentliche Interesse am Thema ja groß ist.“
Interessant ist auch die Rolle, die die Studienautor*innen dem BMG nahelegen. Bislang sind vor allem die Länder in der Pflicht, die Versorgung ungewollt Schwangerer zu koordinieren. Elsa empfiehlt eine größere Verantwortung des Ministeriums. Nina Warken dürfte keine solche wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
taz besucht Maja T. exklusiv in Haft
„Ich werde vorverurteilt“
Gefährliche Miet-E-Scooter
Der Wahnsinn muss endlich ein Ende haben
Geburtstagsgruß an J. K. Rowling
Ausschluss aus der Zaubergemeinschaft
Studie zu Schwangerschaftsabbrüchen
Veröffentlichungsdatum fehlt bisher
Neonazis feiern Sonnenwende
Ein Feuer wie beim Führer
Krieg im Gazastreifen
Ist das ein Genozid?