Stromspeicher für Erneuerbare Energien: Deutschland sucht die neue Superbatterie
Erneuerbare Energien haben ein Problem: um Dunkelflauten zu überstehen, braucht es Langzeitspeicher. Ein Wettbewerb will Innovationen vorantreiben.
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Vier Firmen aus Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz wetteifern, organisiert durch die Sprunginnovationsagentur des Bundes (Sprind), um eine Lösung. Die grundsätzlichen Technologien sind teils bekannt, bisher aber nicht im industriellen Maßstab einsetzbar. Es geht um Flussbatterien, auch Redox-Flow-Batterien genannt, und um Geräte, die sowohl Strom in Wasserstoff als auch Wasserstoff in Strom umwandeln können. Ein Team arbeitet sogar mit Rost.
„Eine Sprunginnovation muss keine vollständig neue Erfindung sein“, sagt Jano Costard, der den Wettbewerb, Challenge genannt, verantwortet. „Sie kann auch eine vorhandene Technologie entscheidend weiterentwickeln und ihr dadurch zum großen Durchbruch verhelfen.“ Das Konzept der Redox-Flow-Batterie zum Beispiel sei bereits im Einsatz, aber noch sehr teuer. Das verwendete Material ist oft selten, teils giftig.
Der Markt für Speicher ist riesig, sollte Deutschland wie geplant fast vollständig auf erneuerbare Energien setzen. Experten des Fraunhofer Instituts für Solarenergie schätzten 2022, dass 2030 eine Kapazität von 103,8 Gigawattstunden nötig ist, 2045 gar 178. Derzeit können sind in Deutschland Batteriespeicher mit nur etwa 17 Gigawattstunden in Betrieb. 84 Prozent davon sind kleinere Speicher in Wohnhäusern.
Und es handelt sich fast ausschließlich um Lithium-Ionen-Batterien. Solche Batterien sind, in kleiner Form, auch in Mobiltelefonen eingebaut oder in E-Autos. Aber das Material ist selten und teuer, die Batterien sind feuergefährlich. Zudem benötigt die Industrie deutlich größere Systeme. Sie müssen sich nicht so schnell laden und entladen lassen wie Lithium-Ionen-Batterien, dafür aber große Mengen Strom lange speichern.
Bis zu 4 Millionen erhalten die Firmen für die Entwicklung von Prototypen
Vier Teams sind noch im Wettbewerb. In einer ersten Runde bekamen sie jeweils eine Million Euro, um ihre Konzepte zu entwickeln. In der zweiten Runde gibt es bis Mai 2025 bis zu drei Millionen Euro je Team. „Ziel der Challenge sind Prototypen, die zeigen, dass die Technologien reif sind für eine Serienfertigung“, sagt Costard. „Idealerweise steigen nach der Sprind-Challenge private Investoren ein und finanzieren das weitere Wachstum dieser Start-ups.“ Das passiere bereits, erste Finanzierungsrunden liefen bereits.
Reverion aus Eresing, 40 Kilometer westlich von München, entwickelt eine Kombination aus Brennstoffzelle und Elektrolyseur. Das Gerät kann Strom in Wasserstoff und zurück verwandeln. Das ist nicht neu, allerdings ist der angestrebte Wirkungsgrad von gut 80 Prozent innovativ. Einen Container mit dem Prototypen konnte die Sprind-Jury bereits begutachten.
Unbound Potential aus der Nähe von Zürich und Haliogen Power, eine Ausgründung der Universität Manchester arbeiten an Flussbatterien. Dabei fließen sehr vereinfacht zwei Flüssigkeiten, getrennt von einer Membran, durch die Batterie. Der Strom wird in den Flüssigkeiten gespeichert. Die Membran steht allein für etwa 30 Prozent der Kosten. Sie wegzulassen, spart also viel Geld. Das Problem ist nicht so sehr, dass sich Flüssigkeiten vermischen, Wasser und Öl bleiben auch getrennt. Es geht vielmehr darum, dass immer die gleiche Menge beider Flüssigkeiten ein- und ausströmt – auch in großem Maßstab. Die Anlage von Unbound Potential besteht aus 40 Containern und hat eine Kapazität von zehn Megawattstunden.
Ore Energy aus Delft nutzt für seine Batterie Eisen, Wasser und Luft. Die Batterie ist mit Wasser gefüllt, ein Pol besteht aus Eisen, der andere aus einer Art Membran, durch die Sauerstoff in die Batterie gelangt. Der Eisenpol rostet und setzt dadurch Energie frei. Wird Energie zugeführt, regeneriert sich der Pol, die Batterie gibt Sauerstoff ab und speichert den Strom. Was in der Theorie einfach klingt, ist kompliziert, denn Rost lässt sich nur schwer in Eisen zurückverwandeln. Es kommt auf die Art des Rostes an. Der Vorteil ist, dass die Materialkosten sehr günstig sind.
„Für die Zukunft der deutschen Industrie ist es wichtig, jederzeit sauberen, günstigen Strom verfügbar zu haben“
Allen vier Konzepten ist gemeinsam: Energieumwandlung und Speicherung sind getrennt. Wasserstoff oder die Flüssigkeiten der Redox-Flow-Batterien können in Tanks lagern. Bei höherem Speicherbedarf wird die Menge der Tanks erhöht.
Kunden für die Batterien, wie sie im Sprind-Wettbewerb entwickelt werden, können zum Beispiel Logistikunternehmen sein, die ihre Hallen mit Solarzellen bestückt haben und den Tagstrom nachts nutzen wollen.
Costard erklärt, warum Sprind auch Firmen außerhalb Deutschlands fördert: „Gerade bei Sprunginnovationen ist es wichtig, dass es überhaupt eine Lösung für die Probleme mit besonders großer gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Relevanz gibt“.
Die müsse dann auch nicht zwingend aus Deutschland kommen, um finanziert zu werden. „Wichtig für die Zukunft der deutschen Industrie ist es, jederzeit sauberen, günstigen Strom verfügbar zu haben. Wenn die dafür notwendigen Technologien aus Deutschland kommt, ist das umso schöner.“
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