Strittiger Gesetzentwurf: Nancy Faeser bricht ein
Das Bundeskriminalamt soll nach den Vorstellungen der Bundesinnenministerin künftig heimlich Wohnungen durchsuchen können.
Normalerweise erfolgen Wohnungsdurchsuchungen offen. Dem Wohnungsinhaber wird der Durchsuchungsbeschluss übergeben und er*sie kann bei der Durchsuchung seiner Räume anwesend sein. Ist der Wohnungsinhabende nicht anzutreffen, sind andere Personen als Zeugen beizuziehen, zum Beispiel Angehörige oder Nachbarn. So ist es für die Strafverfolgung seit Jahrzehnten in der Strafprozessordnung geregelt. Auch für Durchsuchungen zur Gefahrenabwehr steht in den Polizeigesetzen der Länder dasselbe. Der Verfassungsschutz darf ohnehin keine Wohnungen durchsuchen.
Den alten Grundsatz der offenen Wohnungsdurchsuchung will Innenministerin Faeser nun aber teilweise aufgeben. In ihrem Gesetzentwurf sieht sie vor, dass das BKA die Durchsuchung von Wohnungen auch „verdeckt durchführen“ kann. Voraussetzung ist, dass mutmaßlich ein Anschlag des internationalen Terrorismus geplant ist, der den Staat, das Leben oder die Freiheit von Bürgern oder Sachen von allgemeinem Interesse bedroht.
Seit einer Grundgesetzänderung 2009 hat das BKA die Kompetenz für die Abwehr der Gefahren des „internationalen Terrorismus“. Praktisch relevant ist dabei vor allem die Verhütung von islamistischen Anschlägen.
Ultima Ratio
Vermutlich wäre die Freigabe von heimlichen Durchsuchungen – wenn Bundesregierung und Bundestag zustimmen – nicht verfassungswidrig. Das Grundgesetz macht keine Vorgaben, dass Durchsuchungen offen erfolgen müssen. Der Bundestag kann von der bisherigen Rechtstradition also abweichen. Der Gesetzentwurf sieht die heimliche Durchsuchung als letztes Mittel („Ultima Ratio“) vor und verlangt eine richterliche Genehmigung im Einzelfall.
Ziel einer heimlichen Durchsuchung könne auch sein, so der Gesetzentwurf, mögliche „Tatmittel“ auszutauschen oder unbrauchbar zu machen. Das erinnert an die islamistische „Sauerlandgruppe“, die ab 2007 Autobombenanschläge plante. Hier hatte die Polizei rechtzeitig den Inhalt der gehorteten Chemikalienfässer durch eine ungefährliche Lösung ausgetauscht.
Neben der heimlichen Durchsuchung will Faeser dem BKA auch das heimliche Betreten von Wohnungen erlauben, um Spähsoftware (sogenannte Staatstrojaner) auf Computern und Smartphones zu installieren. Die Spähsoftware kann entweder den Inhalt der Festplatte an die Polizei verschicken (sogenannte Online-Durchsuchung) oder verschlüsselte Nachrichten und Gespräche überwachen, indem sie den Inhalt vor der Verschlüsselung im Gerät abgreift (Quellen-Telekommunikationsüberwachung, Quellen-TKÜ).
Bisher gelingt der Polizei die Installation von Trojanern häufig nicht (wenn sie überhaupt bereits eine passende Software für die stetig weiterentwickelten Geräte zur Verfügung hat). Oft werden zum Beispiel E-Mails mit manipulierten Anhängen zugesandt, die Sicherheitslücken auf den Geräten ausnutzen sollen. Die „technisch sicherste und schnellste Möglichkeit“, einen Trojaner zu installieren, ist laut Faeser aber, wenn man das Gerät in Händen hat. Hierzu soll das BKA künftig mit Dietrich oder Stemmeisen heimlich in die Wohnung eindringen können. Bei dieser Befugnis liegt kein Tabubruch vor. In Mecklenburg-Vorpommern wurde dies bereits 2020 der Polizei zur Gefahrenabwehr erlaubt.
Das Bundesjustizministerium plant keine entsprechenden Änderungen für die Strafprozessordnung. Zu den Plänen wollte sich das Ministerium zunächst nicht äußern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag