Streit um MLPD-Plakat in Bremen: Mit Stalin gegen den Klimawandel
Beim Klimastreik in Bremen im September weigert sich ein MLPD-Mann, sein Plakat zu entfernen. Daraufhin nimmt ihn die Polizei in Gewahrsam.
Er sei von Ordner:innen „mehr oder weniger aggressiv“ aufgefordert worden, sich von der Demonstration zu entfernen oder sein Plakat, auf dem in kleinen Buchstaben MLPD gestanden haben, beschwert sich Wolfgang Lange in einem offenen Brief. Lange ist 1952 geboren und Mitglied der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) seit 1982. Die MLPD hält eisern am sowjetischen Diktator Josef Stalin als Vorbild fest. Lange nimmt für seine Partei in Anspruch, „seit jeher gegen die Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur“ zu kämpfen.
Deshalb sei er der Bitte der jugendlichen Ordner:innen selbstverständlich nicht nachgekommen, sagt er der taz. „Warum sollte ich?“ Schließlich seien auch die Flaggen der Grünen Jugend sowie der Jusos, der Jugendorganisation der SPD, gezeigt worden. Wütend macht ihn auch, dass die Ordner:innen die Polizei verständigten, die ihn dann des Platzes verwies.
Er habe sich geweigert zu gehen und auf seinem „grundgesetzlich geschützten Recht der Meinungs- und Versammlungsfreiheit beharrt“ – woraufhin ihn nach seiner Aussage zehn Polizist:innen „packten“ und vom Marktplatz „unter Gewaltanwendung wegschoben und -zogen“. Dort sollen sie ihn fest gehalten haben.
Lange will Entschuldigung
Gegen die Polizei habe er Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt. Die Bremer Polizei bestätigte deren Eingang, wollte sich aber nicht weiter zum Vorfall äußern. Lange fordert in seinem offenen Brief sowohl von der Polizei als auch von den in die Situation involvierten Ordner:innen eine Entschuldigung. Außerdem verlangt er eine Klarstellung, „dass bei den kommenden FFF- und anderen Demos die Meinungs- und Versammlungsfreiheit respektiert wird“.
Nun ist Lange, juristisch betrachtet, im Recht, wie der Berliner Staatsrechts-Professor Clemens Arzt erläutert. Arzt, dessen Schwerpunkt das Polizei- und Versammlungsrecht ist, weist darauf hin, dass in Bremen, anders als etwa in Berlin und Schleswig-Holstein, immer noch das Versammlungsgesetz des Bundes aus dem Jahr 1953 gelte. Ein eigenes Gesetz will die rot-grün-rote Koalition erst in dieser Legislaturperiode schaffen.
Nach Paragraf 10 des Bundesversammlungsgesetzes sind die Versammlungsteilnehmer:innen „verpflichtet, die zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Anweisungen des Leiters oder der von ihm bestellten Ordner zu befolgen“. Wer dem nicht nachkommt und „die Ordnung gröblich stört“, kann nach Paragraf 11 von der Versammlung ausgeschlossen werden. Der Schriftzug „MLPD“ ließe sich aber kaum als Störung der Ordnung interpretieren, sagt Arzt. „Das ist nicht plausibel.“ Zudem dürfe bei einer Versammlung unter freiem Himmel jeder kommen und aufgrund der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit auch Parteiabzeichen zeigen.
Gegen geltendes Recht habe auch die Polizei verstoßen, sagt Arzt, wenn alles so stimme, wie es Lange geschildert hat. Denn die hätte ihm erst mitteilen müssen, dass sie ihn von der Demonstration ausschließt. Erst danach hätte sie einen Platzverweis aussprechen dürfen.
Situation eskalierte schnell
Auch die Bremer Ortsgruppe von Fridays for Future (FFF), die die Demonstration mit Bündnispartnern organisiert hat, hält das Handeln der Polizei für falsch, wie Paul-Nikos Günther vom FFF-Team sagt. Uneinig sei man in der Gruppe über die Frage, ob die Ordner:innen Lange aufgrund des MLPD-Plakats hätten ausschließen dürfen. Dabei wolle man aber am Grundsatz festhalten, nach dem Parteilogos unerwünscht sind, es sei denn, es handle sich um Jugendorganisationen. Dies gelte auch für die MLPD.
Günther sagt auch, die Ordner:innen – von denen nur ein Teil zu FFF gehörte – hätten sich von Lange bedroht gefühlt. Sie kannten ihn von anderen Demonstrationen und hatten keine guten Erfahrungen mit ihm gemacht. „Als er jetzt sein Schild runter nehmen sollte, soll er Handgreiflichkeiten angedroht haben, die Situation ist wohl schnell eskaliert.“
Wolfgang Lange bestreitet das und beschuldigt die Ordner:innen, aggressiv gegen ihn gehandelt zu haben. Für ihn ist der ganze Vorfall ein Ausdruck des „Antikommunismus – bekanntlich Staatsreligion in Deutschland“. Er bedauert, dass sich die alte Ortsgruppe von FFF Bremen nach einem Streit um Antisemitismusvorwürfe aufgelöst hat.
Die neue sei „stromlinienförmig auf Kurs der systemkonformen, selbsternannten FFF-Spitze um Luisa Neubauer“, keilt er dann noch gegen die neue Bremer Gruppe sowie gegen eine der engagiertesten deutschen Klimaschützer:innen, die unter anderem Grünen-Mitglied ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund