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Steuereinahmen durch AlkoholkonsumSaufen für die Staatskasse

Japan will junge Menschen mit einer Kampagne zum Trinken animieren​. Das ist problematisch, aber auch in Deutschland wird Alkohol verharmlost.

Unter jungen Leuten ist Alkohol trinken in Japan nicht mehr cool Foto: Shingo Tosha/imago

Jede Generation hat ihre Droge. In meiner war es der Alkohol. Mit 13 bis oben hin mit Alkopops den ersten Vollrausch haben – das war in meiner Schulzeit „normal“. Heute ist Alkohol unter jungen Leuten fast schon verpönt.

Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist der regelmäßige Alkoholkonsum bei Jugendlichen auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen gesunken. 8,7 Prozent der 12- bis 17-Jährigen trinken nach eigenen Angaben mindestens einmal pro Woche Alkohol (Stand 2021). Zum Vergleich: 2011 waren es rund 14 Prozent und bei der ersten Erhebung 1979 noch ein Viertel der Befragten.

Zum Glück haben diese Zahlen in Deutschland noch niemanden dazu bewegt, die Jugend aufzufordern: Sauft gefälligst mehr! In Japan ist das anders. Da hat die Regierung vor Kurzem eine Alkoholkampagne ins Leben gerufen, die den Titel „Sake Viva!“ trägt. Seit der Coronapandemie achten junge Ja­pa­ne­r:in­nen wohl vermehrt auf ihre Gesundheit. Alkohol ist uncool geworden.

In einem Wettbewerb werden nun Vorschläge gesammelt für neue Produkte oder Designs, die die gesundheitsbewussten jungen Leute wieder animieren sollen, ihren Körper mit Alkohol zu zerstören. Was gut für die Gesundheit ist (Gurkenwasser mit einem Spritzer Zitrone zum Beispiel), ist nämlich umso schlechter für die Staatskasse (Alkoholverzicht): die leidet an weniger Steuereinnahmen durch den gesunkenen Alkoholverbrauch.

Illegal ist angeblich gefährlicher

Wenn alles nach Plan läuft, werden die Gewinner des Wettbewerbs im November bekannt gegeben und in einem Jahr hat Japan dann die Staatstaschen wieder voller Geld, die es dann für die Behandlung ihrer alkoholkranken Bür­ge­r:in­nen ausgeben darf. Super durchdacht.

Aber zurück nach Deutschland: Auch wenn sich die Jugend heute lieber Benzos, also Benzodiazepine einwirft statt zu saufen, gibt es jährlich laut Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums immer noch etwa 74.000 Todesfälle durch Alkoholkonsum allein oder bedingt durch den Konsum von Tabak und Alkohol.

Darüber gesprochen wird natürlich ungern, Alkohol und Tabak werden als Suchtmittel noch immer verharmlost, lieber zeigt man auf illegale Drogen, die angeblich viel gefährlicher sein sollen. Von Suchtforschern ist das schon lange widerlegt. Sie fordern endlich die Legalisierung aller Drogen.

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31 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Irgendwie muss man diese Scheißwelt doch erträglicher machen!

  • Japans Jugend darf gar nicht trinken und rauchen!

    "Mit 20 Jahren erhalten die jungen Leute das aktive Wahlrecht, aber auch erst jetzt dürfen sie offiziell rauchen und Alkohol trinken." Quelle Botschaft von Japan in Deutschand www.de.emb-japan.g...ure/erwachsen.html

  • Die Aktion bekommt zusätzlich einen (sado-)masochistischen Touch, wenn man die Alkoholintoleranz vieler Japaner berücksichtigt:

    '...Nach einem Bier, einem Whis­ky oder einem Sake folgt sogleich ein rotes Gesicht. Es ist ein Bild, dass man im fei­er­abend­li­chen Japan öfters sieht. Der Grund dafür ist eine Gen­mu­ta­ti­on. So braucht es für die Ver­ar­bei­tung des Alko­hols und des­sen Abbau­pro­duk­te, die Ace­tal­de­hy­den, die bei­den Enzy­me ADH1B und ALDH2. Bei rund einem Drit­tel der Japa­ner sind die­se jedoch, ins­be­son­de­re ALDH2, inak­tiv oder schlicht zu wenig vor­han­den...'

    Quelle: asienspiegel.ch/20...waeche-der-japaner

  • Welche Suchtforscher (also richtige, nicht selbsternannte) fordern denn bitte die Legalisierung aller Drogen? Ich befürchte, das ist eine glatte Falschbehauptung liebe tazzis...

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Saufen für den Staatskater

  • Möchte Japan etwa ihren Altersdurchschnitt nach unten senken? Also in wenigen Jahren wird es so weit sein, bedingt durch ihren riesen Arbeitsethos immer 12 Stunden mindestens am Tag pausen- und urlaubslos zu arbeiten. Dann noch McDonalds und Instant-Ramen aus dem Automaten. Jetzt sollen die jugendlichen auch noch zur Flasche greifen.

    Der Altersdurchschnitt dort wird in den nächsten paar Jahren noch steigen, aber bald fallen. Auch die UN prognostiziert dies. Wollen Menschen das?

  • Saufen macht glücklich! -



    (Zuvörderst den Staat, der in jeder Hinsicht für die auch insgesamt grundlegenden Verhältnisse sorgt)

  • " Von Suchtforschern ist das schon lange widerlegt. Sie fordern endlich die Legalisierung aller Drogen."

    Ich glaube kaum, das jemand die Legalisierung von Heroin fordert.

    Ganz nebenbei. Drogen sind nach meiner Kenntnis im Antidiskriminierungsgesetz nicht genannt. Wenn immer so getan wird, wenn man eine Droge zulässt, muss man das auch bei der anderen machen. Warum denn? Fühlt sich sonst die andere Droge benachteiligt??

    Also mir genügen die Probleme, die wir mit Alkohol und Tabak haben. Ich brauche keine weiteren.

    • @Strolch:

      Ich stimme Ihnen zu.

    • @Strolch:

      [...] Beitrag entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette. Vielen Dank! Die Moderation

      • @Alfonso Albertus:

        [...] Der Ausgangsbeitrag wurde bereits entfernt. Die Moderation

  • Ja, ja jetzt wird wieder in die Flasche gekuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt

    Dem ist nichts hinzuzufügen.

  • Wäre noch zu erwähnen dass Alkoholkonsum und -erwerb in Japan erst ab 20 Jahren (!) erlaubt ist.

  • „Zum Glück haben diese Zahlen in Deutschland noch niemanden dazu bewegt, die Jugend aufzufordern: Sauft gefälligst mehr!“



    Stimmt nicht! Auch hierzulande gibt es Alkohol-Werbung. Ein Weinhändler im Mosel-Gebiet wirbt mit dem Spruch:



    „Wenn dein Todesstündlein naht / wird es dir leidtun um / jedes Gläschen unseres köstlichen Weines / welches du nicht genossen hast!“



    Verschwiegen wird, dass dieses Todesstündlein umso näher rückt, je mehr Gläschen genossen wurden.

    • @Pfanni:

      Na, mit so ner Werbung kann das nix werden. Zielgruppe sind wohl eher die 70+ Jährigen. Welchen Jugendlichen interessiert das "Todesstündlein"? Weit weg.

  • Die Zahlen und deren Entwicklung als Trends sind neu zu bewerten unter den Bedingungen von aktuellen Krisen und deren Folgen (z.B. "Worry- Burnout"). Wie volatil solche Statistiken sind, zeigt die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Die Prohibition war auch kein Weg in effektive, nachhaltige Abstinenz. Über das Verbot von Werbemaßnahmen sollte im Falle von Drogen, auch Nikotin und Alkohol, jederzeit intensiv gestritten werden, wissenschaftliche Grundlagen für Argumentationsstränge sind reichlich vorhanden./



    //



    www.bgetem.de/pres...steigt-seit-corona

    • @Martin Rees:

      Dass die Prohibition nicht funktioniert hätte ist ein Ammenmärchen aus Hollywood. Sie funktionierte (und funktioniert in einigen Gegenden wie z. B. Lynchburg/Tennessee bis heute) sogar ziemlich gut und wurde letztlich nur aus finanziellen Gründen wieder aufgehoben.

      • @Samvim:

        Das ist kein rein inneramerikanisches Thema, sondern ein universelles soziales Thema, wenn mensch will auch Problem.



        //



        www.spiegel.de/pol...-0000-000013520894



        //



        Kapital regiert Moral, könnte die Quintessenz sein.

  • Aus der Rubrik „Aus aller Welt“, „Panorama“. Die News ist doch einen Schmunzler wert, aber gleich wieder Problem, Problem.

  • Nun gut. Die heutige Jugend wendet sich vom Alkohol ab, um sich gleichzeitig dem THC zuzuwenden, dessen Konzentration in den "Produkten" stetig ansteigt. Ob das letztlich die bessere Alternative ist, ist zweifelhaft.

    • @Winfried Schmidt:

      Jugend sollte nicht kiffen, erst wenn im Hirn alles klar ist (Erwachsene). Und soweit ich weiß ist der Gehalt von Straßenware nicht wirklich hoch (so ca 18%). THC mächtige Sorten (ab 25-38%) werden normalerweise von Growern privat angebaut und sind eigentlich nicht für den Verkauf vorgesehen.

    • @Winfried Schmidt:

      Kleine Anekdote: Ich habe als Patient im Krankenhaus vor 20 (!) Jahren mal einen 19jährigen als Bettnachbarn gehabt, Cannabis-Intensiv-Konsument. Der hat seinen Namen nicht gewusst, seine Eltern nicht erkannt. Das Gehirn weggeraucht. Ein Horror, den ich nie vergessen werde.



      Die THC-Konzentration steigt stetig an? Wer soll das noch verstehen?

      • @willifit:

        THC wird gerade in der Demenzforschung untersucht.



        www.thieme.de/de/n...rung-um-115717.htm



        Ich kiffe seit 40 Jahren und arbeite in einem kognitiv anspruchsvollen Beruf. Kenne auch niemanden der sich das Hirn weggeraucht hat. Extrembeispiele helfen da auch nicht weiter.

  • Brilliante Lösung, einfach alle Drogen legalisieren! Dann saufen alle weniger und sind trotzdem kaputt.

  • Jepp. Alkohol und Zigaretten sind viel gefährlicher als Heroin. Genau. Haben ja Suchtforscher gesagt. Muss also stimmen. Die Autorin scheint noch nie mit Heroinabhängigen gearbeitet haben. Ein entsprechendes Praktikum würde ich dringend anraten.

    • @Septum:

      Tatsächlich greift reines Heroin den Körper weniger an als Alkohol oder Zigaretten. Es sind die Begleitumstände der Sucht die die Menschen fertig macht. Man kann uralt damit werden. Das ist anders als wie Crack, Crystal oder Fentanyl. Trotzdem nicht zu empfehlen.

  • Die 74000 Toten sind nur durch Alkoholkonsum verursacht, obendrauf kommen noch über 120000 Tote durch die Folgen des Tabakkonsums. Deutschland hat insofern Ähnlichkeit mit Japan, weil hier eher der Ansatz der Schadensminimierung des Tabakkonsums vehement von diversen Interessengruppen bekämpft wird, weil es auch nur um das Geld geht. Und der Erfolg ist meßbar, Deutschland hat eine Raucherraten laut DEBRA-Studie von über 30 %.

    • @Wurstfinger Joe:

      Die Zahlen sind richtig, Ihre Schlussfolgerung aber nicht nachvollziehbar. Im Übrigen macht die EU dazu Vorgaben und hat bereits seit vielen Jahren Alkohol und Nikotin ins Visir genommen. Kein Vergleich mit Japan!



      Interessanter fände ich, wie eine alternde, demokratische Gesellschaft wie Japan, eine Politik ggn. die Jugend machen kann und was deren Gesundheitsministerium dazu sagt.

      • @Christian Lange:

        Nikotin in Verbindung mit Tabakverbrennung als Genussform ist ein Problem, da durch die Verbrennung des Pflanzenmaterials erst die Giftstoffe enstehen, die zu Krebs, COPD, Herz-Kreislauferkrankungen usw. führen. Z.B sowohl Großbritannien als auch Schweden gehen einen eigenen Weg, sie fördern die rauchfreien Alternativen des Nikotinkonsums, während in Deutschland und auch innerhalb der EU diese Alternativen regelrecht bekämpft werden (getrieben durch eben verschiedene Interessengruppen). Ich empfehle dazu die Ausführungen von Bernd Mayer (Prof. für Toxikologie an der Uni Graz) auf youtube oder auch den Blog von vapers.guru für weitere Informationen. Auch die DEBRA-Studie ist im Netz zu finden und zwar da: www.debra-study.info/