Steigende Zahl der Corona-Impfungen: Aufstand der Anstehenden
Während die Demos der Impfgegner:innen Schlagzeilen machen, geht die Massenbewegung der Impfwilligen fast unter. Täglich 900.000 kriegen den Piks.
R und 3.500 Menschen gingen am Montagabend in Magdeburg auf die Straße, fast noch mal so viele wurden in Rostock gezählt. In Mannheim wurde bei Protesten ein halbes Dutzend Polizist:innen verletzt. Und natürlich demonstrierten auch an vielen Orten in Sachsen wieder Menschen gegen die angeblich harten Coronamaßnahmen. Hier ein paar hundert, da ein paar hundert. Es ist ihr gutes Recht, ihre mehr oder – meist – weniger sinnvollen Argumente vorzutragen.
Aber auch wenn sie noch so krawallig auftreten, es besteht kein Grund, sich von ihnen den gesellschaftlichen Diskurs bestimmen zu lassen. Und schon gar nicht sollten die Innenpolitiker:innen ins Schlottern geraten, die über das Für und Wider einer Impfpflicht grübeln. Denn da sind ja auch immer noch die anderen. Die, die durch freiwillige Zurückhaltung dafür gesorgt haben, dass die exorbitant hohe Zahl der Neuinfektionen wieder sinkt.
Vor allem aber die, die nicht rumkrakeelen, sondern sich gut gelaunt in die Schlangen vor den Impfzentren einreihen oder in die Wartezimmer der Ärzte hocken. Die Impfwilligen. Oder präziser formuliert: die Impfgierigen. Die, die es gar nicht abwarten können und lieber heute als morgen den dritten Piks in den Arm bekommen. Sie haben sich längst zur Massenbewegung gemausert. Im Durchschnitt 900.000 Menschen lassen sich derzeit bereitwillig impfen. Tag für Tag.
Es ist die größte Coronademo des Landes und wird doch leider zu oft übersehen, zu selten thematisiert. Die meisten sind bereits echte Profis. Sie kommen zum Boostern. Sei es, weil sie irgendwie hoffen, an den Weihnachtsfeiertagen ohne allzu große Sorgen Freund:innen und Verwandte zu treffen. Sei es, weil sie sich als aktiver Teil einer großen Solidargemeinschaft sehen. Sei es, weil sie schlichtweg Angst vor Krankheit oder Tod haben. Die Gründe sind persönlich wichtig. In der Bilanz zählt nur eins:
Empfohlener externer Inhalt
Die Bewegung erreicht die Menschen. Am Dienstag meldete das Robert-Koch-Institut, dass jetzt mehr als 20 Millionen Menschen eine Drittimpfung erhalten haben. Weltmeister ist Deutschland mit seiner Drittimpfungsquote von rund 25 Prozent zwar nicht. Da liegen Israel, Island, aber auch Chile mit Quoten um die 50 Prozent weit vorn. Es könnten, ja müssten auch hierzulande mehr sein. Denn die Omikron-Welle steht ins Haus.
Und bei allen Unwägbarkeiten sind sich die Expert:innen einig: Boostern ist auch hier besser als nicht boostern. Dennoch gilt schon jetzt: Dieser Aufstand der Anstehenden, dieser massive Auftritt von Ratio, ist überwältigend. Jede noch so große Querdenkerdemo erscheint dagegen wie ein Vogelschiss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Fortschrittsinfluencer über Zuversicht
„Es setzt sich durch, wer die bessere Geschichte hat“