Sperrmüll-Kieztage in Berlin: Kein Recycling ohne Auto
Gegen Müll im öffentlichen Raum gibt es in Berlin jetzt Sperrmüllevents. Zukunftsweisend ist das nicht, denn das Recycling funktioniert nur mit Auto.
![Eine Matratze und ein Schrank liegen auf der Strasse Eine Matratze und ein Schrank liegen auf der Strasse](https://taz.de/picture/6156509/14/32107522-1.jpeg)
M it dem Sperrmüll ist es in Berlin ja so eine Sache. Dem Straßenbild nach zu urteilen besteht die übliche Art der Entsorgung darin, den Kram einfach vor die Tür zu stellen und zu hoffen, dass er irgendwann von alleine wieder verschwindet. Um diesen „illegalen Müllablagerungen im öffentlichen Raum“ vorzubeugen, hat die Berliner Stadtreinigung (BSR) die Kieztage ins Leben gerufen, die ab jetzt zweimal im Monat pro Bezirk stattfinden sollen.
Das Prinzip dahinter: An wechselnden Standorten können Berliner*innen Sperrmüll, Elektroschrott oder Altkleider abladen, es gibt einen Tausch- und Verschenkemarkt und der Rest wird dann von der BSR entsorgt.
Klingt nach einer guten Sache und besser, als den alten Krempel zum Recyclinghof zu fahren, ist es allemal. Kein ewiges Schlangestehen, keine genervten Mitarbeiter*innen, die einem sagen, dass man dies oder das falsch einsortiert und überhaupt viel zu viel Sperrmüll hat. Weshalb man am Ende doch wieder Geld zahlen muss und sich insgeheim wünscht, man hätte den Kram einfach wie alle anderen auf die Straße gestellt.
Doch nun gibt es ja die Kieztage. „Die mobilen Entsorgungsevents kommen dem urbanen Lebensstil entgegen“, verspricht dann auch die BSR. Klingt toll. Und urban und Event in einem Satz, was soll da schiefgehen. Aber welcher Lebensstil ist hier eigentlich genau gemeint?
Im (noch) rot-grün-rot regierten Berlin, das sich die Mobilitätswende groß auf die Fahnen geschrieben hat, bedeutet das offenbar nach wie vor, ein Auto zu besitzen. Zumindest ist das weiterhin notwendig, um alles, was nicht in die Mülltonne passt, umweltfreundlich entsorgen zu können. Seine ausgediente Couch oder Spülmaschine kann man immerhin schwerlich mit dem Fahrrad zum nächsten „Entsorgungsevent“ transportieren, das in dieser großen Stadt gut und gerne ein paar Kilometer entfernt ist.
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Andere Städte machen vor, wie es besser geht
Dass das nicht so sein muss und Sperrmüllentsorgung auch Klima- und Verbraucher*innenfreundlich geht, zeigt ein Blick in andere Städte. In Frankfurt am Main etwa können die Bürger*innen einmal pro Monat bis zu zehn Kubikmeter vor ihrer Haustür abholen lassen – und zwar völlig kostenlos. Auch in Bremen ist dieser Service in den regulären Gebühren für die Müllentsorgung enthalten, ebenso in Stuttgart, Wiesbaden oder Mainz. Auch wenn die Abholung hier auf wenige Termine im Jahr beschränkt ist.
Doch Berlin müsste gar nicht in die Ferne schweifen, denn das Gute liegt so nah: In Potsdam im benachbarten Brandenburg kann man seinen alten Krempel nicht nur kostenlos abholen lassen, sondern auch so oft man will. Wenn das nicht dem urbanen Lebensstil entgegenkommt, was dann?
Doch in Berlin, wo die Mieter*innen ohnehin schon unter hohen Mieten ächzen, kostet die Abholung der ollen Matratze oder des kaputten Lattenrosts satte 100 Euro für fünf Kubikmeter. Das ist zwar immer noch weniger als in München, wo allein für die Anfahrt der Stadtreinigung 45 Euro fällig werden und jeder Kubikmeter noch mal extra kostet (20 Euro), aber weit mehr als etwa im Hamburg (35 Euro), Leipzig oder Dresden (25 Euro).
Wer also in der Hauptstadt kein Auto und kein Geld hat, dem bleibt eigentlich nichts anderes übrig, als seinen Kram auf die Straße zu stellen. Und zu hoffen, dass jemand noch ärmer ist und damit noch etwas anfangen kann. Nachhaltig und sozial geht anders.
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