Sparpläne bei Volkswagen: Wer ist Schuld am VW-Debakel?
Volkswagen Finanzchef Antlitz verweist auf die fehlende Neuwagen-Nachfrage der Verbraucher:innen. Expert:innen kritisieren die Verbrenner-Strategie.
Es dürfe keine Werkschließungen, Entlassungen oder Lohnkürzungen geben, machte Betriebsratschefin Daniela Cavallo am Nachmittag deutlich. Und auch Thorsten Gröger, Bezirksleiter der Industriegewerkschaft Metall in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, sagte, der VW-Vorstand müsse mit dem „erbitterten Widerstand der Beschäftigten“ rechnen, wenn er seine Pläne wie angekündigt umsetze.
Dennoch bleibe der Betriebsrat offen für Gespräche mit der Konzernspitze, betonte Cavallo. Es gelte, Lösungen zu finden und das Unternehmen wieder wirtschaftlich zu machen – aber ohne Standortschließungen und Massenentlassungen.
Der Konzern VW gibt laut Finanzchef Arno Antlitz „seit geraumer Zeit“ mehr Geld aus, als er einnehme. „Das geht nicht gut auf die Dauer“, sagte der Manager. So rechtfertigte er auch am Mittwoch die rabiaten Sparmaßnahmen, die der Vorstand schon einige Tage zuvor angekündigt hatte: Betriebsbedingte Kündigungen und Werkschließungen in Deutschland werden nicht mehr ausgeschlossen.
Zwei Werke zu viel
Damit würden VW-Mitarbeitenden erstmals seit 30 Jahren betriebsbedingte Entlassungen drohen. Antlitz erklärte, es fehle der Absatz von rund 500.000 Autos – die Verkäufe von rund zwei Werken. Welche Werke und wie viele Stellen genau gefährdet sind, blieb offen. Die Schuld daran erkennt der Finanzchef nicht bei VW, sondern bei der schwachen Nachfrage nach Neuwagen in Europa.
Das sieht Automobilexpertin Beatrix Keim vom Center Automotive Research (CAR) anders: VW habe zu lange auf Verbrenner gesetzt. Genau wie andere europäische Autobauer habe der Konzern unterschätzt, wie schnell der Umstieg auf E-Fahrzeuge gehen müsste – unter anderem, weil die chinesische Regierung ihn politisch forciert hat.
„Volkswagen ist ein Riesenkonzern“, sagte Keim, mit vielen Verflechtungen innerhalb des Konzerns, im Ausland, mit Zulieferern. Eine Transformation der Produktionsprozesse brauche viel, mitunter zu viel Zeit. Keim hielt dem Unternehmen jedoch zugute, dass es inzwischen in E-Mobilität investiert: VW will zum Beispiel bis zu fünf Milliarden US-Dollar in eine Partnerschaft mit dem US-Autobauer Rivian stecken.
Im Vergleich zu anderen Produzenten biete Volkswagen schon lange E-Autos an, habe sie aber nicht besonders gut vermarktet, sagte Keim. Und: Die Nachfage nach Elektrofahrzeugen sei bei Kund:innen in Deutschland niedrig geblieben. Auch die VW-Töchter Audi und Porsche klagen über niedrige E-Auto-Absätze.
Es macht sich bemerkbar, dass die Bundesregierung im vergangenen Dezember abrupt ihre Kaufprämie für E-Autos gekippt hat. In ihrer Haushaltskrise strich sie den sogenannten Umweltbonus. Der Verkauf von E-Autos ist in Deutschland seither massiv eingebrochen.
Jetzt will die Regierung wieder etwas gegensteuern. Im Rahmen einer „Wachstumsinitiative“ sollen steuerliche Vorteile beim Dienstwagenprivileg ausgeweitet werden, die manche E-Autos bereits bekommen. Bisher gilt die Vorzugsbehandlung nämlich nur für Modelle mit einem Listenpreis bis 70.000 Euro. Dieser Wert soll auf 95.000 Euro hochgesetzt werden. Außerdem sollen Unternehmen E-Autos bis 2028 teils zu 100 Prozent steuerlich abschreiben können.
Treibt das die Autoindustrie in die richtige Richtung? Viele Klimaschützer:innen bezweifeln das. „Die Bundesregierung fördert noch teurere Luxus-Dienstwagen und weiterhin schmutzige Verbennerfahrzeuge, anstatt endlich den Markthochlauf für erschwingliche, kleine E-Autos anzukurbeln“, findet etwa Stefanie Langkamp von der Klima-Allianz.
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