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Spahns RasterpsychotherapieVorstoß vor dem Aus

Die Idee des Gesundheitsministers, psychotherapeutische Leistungen stärker zu normen, läuft wohl ins Leere. Grundlegende Probleme aber bleiben.

Die Rasterpsychotherapie von Gesundheitsminister Jens Spahn ist erneut gescheitert Foto: John MacDougall/reuters

Berlin taz | Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist erneut damit gescheitert, die Entscheidungshoheit von Psychotherapeuten bei ihrer Therapie zu beschneiden. Sein neuer Vorschlag, spezifischen Diagnosen kategorisch eine feste Anzahl an Behandlungsstunden zuzuweisen, steht nach massiver öffentlicher Kritik offenbar vor dem Aus.

Schon lange plant das Gesundheitsministerium das umfassende Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG). Es soll in der kommenden Woche beschlossen werden. Doch erst vor wenigen Wochen reichte der Gesundheitsminister zusätzliche Änderungsanträge ein. Op­po­si­ti­ons­po­li­ti­ke­r*in­nen kritisieren dieses Vorgehen, da sie so „in letzter Minute ohne öffentliche Anhörung in dieses eingefügt“ würden, wie es Silvia Gabelmann von der Linken gegenüber der taz ausdrückt.

Einer dieser Änderungsanträge beschäftigt sich mit der Psychotherapie. Diese solle zukünftig „bedarfsgerecht und schweregradorientiert“ organisiert werden. Hinter dieser für Laien harmlos wirkenden Formulierung „verstecke sich jedoch eine Beschneidung der bisherigen Psychotherapie-Leistungen“, erklärt die Deutsche Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV). Die Verbände der Psy­cho­the­ra­peu­t*in­nen lehnen den Vorstoß daher als unnötigen Eingriff in die Entscheidungshoheit der Behandelnden mit Verweis auf bestehende Kontrollinstanzen geschlossen ab. Bedarfsgerecht und schweregradorientiert sei die Behandlung schon längst.

Kirsten Kappert-Gonther, Obfrau der Grünen im Gesundheitsausschuss, schließt da an und wirft Spahn „ein tiefes Misstrauen gegenüber den behandelnden Psychotherapeut*innen“ vor. Denn der aktuelle Vorstoß ist nicht der erste Versuch des Gesundheitsministers, die Entscheidungskompetenz der Behandelnden zu beschneiden.

Gesellschaftliche Stigmatisierung und bürokratische Hürden

Bereits 2018 sollte der Zugang zu psychotherapeutischen Behandlungen neu strukturiert werden. Damals sollte der Therapie eine weitere Instanz der Beurteilung vorgelagert werden. Eine Petition mit über 200.000 Unterschriften stand damals an der Spitze der öffentlichen Entrüstung – und Spahn musste sein Vorhaben Anfang 2019 zurückziehen.

Damals wie heute werden die Reformen der Psychotherapie mit den langen Wartezeiten auf einen Therapieplatz begründet. Von denen kann Uwe Hauck aus eigener Erfahrung berichten. Vor einem Suizidversuch musste er ein Jahr warten, bis er einen Therapieplatz fand. Als er dann mit der Behandlung anfangen konnte, war es eigentlich schon zu spät: „Kurze Zeit später habe ich versucht, mir das Leben zu nehmen. Ich glaube heute, eine frühere Therapie hätte das verhindern können.“ Seitdem arbeitet er als Autor und Aktivist für die Anerkennung und Versorgung psychischer Erkrankungen.

Für ihn ist das größte Problem, dass sich viele wegen ihrer psychischen Erkrankungen nicht therapieren ließen. In Deutschland sind jährlich etwa 28 Prozent der Bevölkerung von psychischen Erkrankungen betroffen, aber nur 10 Prozent werden behandelt. Die Gründe dafür lägen vor allem in der gesellschaftlichen Stigmatisierung und in den bürokratischen Hürden.

Zwar würde die öffentliche Wahrnehmung zunehmend sensibilisiert, doch im privaten Bereich seien die Fortschritte noch geringer. Sein langfristiges Ziel ist es, „dass psychische Krankheiten irgendwann im Alltag wie jede andere Krankheit behandelt werden und es ganz normal ist zu sagen: Ich habe Depressionen.“ Da sei der aktuelle Vorstoß ein deutlicher Schritt in die falsche Richtung.

Ein Arzt hört auch nicht mitten in der Operation am Herzen auf, weil die Zeit abgelaufen ist

Christine Kirchhoff, Professorin für Psychoanalyse

Die geplante Änderung wird als ‚Rasterpsychotherapie‘ bezeichnet. Nicht die individuellen Bedürfnisse und Probleme der Pa­ti­en­t*in­nen wären hier entscheidend, sondern in welches Raster sie fallen, in welche Schublade sie gesteckt werden. Jedes Raster wäre eine klar definierte Diagnose und ginge mit einer genauen Behandlungsdauer einher. Dabei ist völlig klar, dass je­de*r eine ganz individuelle Psyche hat.

In der taz erklärt Christine Kirchhoff, Professorin für Psychoanalyse in Berlin, daher, wie die therapeutische Praxis damit umgeht. „Nicht selten steht am Beginn einer Behandlung eine Diagnose, die später erweitert, verändert oder verworfen wird. Das erfordert Vertrauen und Vertrauen erfordert Zeit.“ Die Absurdität einer nach Rastern festgelegten Stundenzahl beschreibt auch Uwe Hauck bildlich: „Ein Arzt hört auch nicht mitten in der Operation am Herzen auf, weil die Zeit abgelaufen ist.“

Unterstützung bekommt das Gesundheitsministerium öffentlich nur von den Krankenkassen. Laut Neues Deutschland begrüßen sie die vorgeschlagene Regelung, die zu einer schnelleren Vergabe neuer Therapieplätze führen würde. Diese Argumentation läuft also auf eine kurzfristige Kosteneinsparung durch verkürzte Therapien hinaus.

Eine Logik, die für Christine Kirchhoff im Kontext einer „möglichst weitgehenden Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung“ steht. Diese Ökonomisierung ginge auf Kosten der Patient*innen, deren psychische Gesundheit darunter leide. Das sei selbst ökonomisch wenig sinnvoll, denn langfristige Erkrankungen führen unter anderem auch zu Arbeitsausfällen.

Unter dem Hashtag #RasterPsychotherapie haben Betroffene wie Therapierende jetzt ihren Ärger deutlich ausgedrückt. Um gegen die drohende Rasterpsychotherapie zu protestieren, initiierte Uwe Hauck eine Petition und erhielt eine überwältigende Unterstützung.

Unter anderem rufen die Verbänden der Psy­cho­the­ra­peu­t*in­nen und der Deutschen Depressionsliga dazu auf, die Petition zu unterschreiben. Auch Prominente wie Nora Tschirner oder Torsten Sträter, die öffentlich mit ihrer Depression umgehen, unterstützen die Petition. Diese hat in nur zwei Wochen – wie schon vor 2 Jahren – fast 200.000 Unterschriften gesammelt und – ebenfalls wie vor 2 Jahren – nun zum Ende der Spahn'schen Reformpläne beigetragen.

Grundlegende Probleme bleiben ungelöst

Denn neben den Grünen und der Linken verwehrt auch die SPD als Regierungspartei ihre Zustimmung zum Änderungsantrag. Sabine Dittmar, Gesundheitspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, erklärt gegenüber der taz, dass der Änderungsantrag von Spahn mit ihrer Partei weder inhaltlich diskutiert noch abgestimmt worden wäre. Sie betont: „Wir halten ihn nicht für zielführend im Sinne der besseren Versorgung psychisch kranker Patientinnen und Patienten und lehnen diesen Vorstoß daher ab.“

Da das Vorhaben nicht ohne die SPD durchgesetzt werden kann, heißt es jetzt, das Ministerium ziehe den Antrag zur Rasterpsychotherapie zurück. Offiziell wollte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums das der taz jedoch noch nicht bestätigen und verwies lediglich darauf, dass sich momentan „die Diskussion auf andere Themen“ konzentriere.

Die Reaktionen auf das schnelle Ende der Rasterpsychotherapie sind von Erleichterung geprägt. Die grundlegenden Probleme der Versorgung bleiben allerdings ungelöst. So fordert der Vorsitzende der DPtV angesichts der Pandemie eine „schnelle und unbürokratische Hilfe für psychisch Erkrankte“. Auch Sylvia Gabelmann von der Linken begrüßt das Ergebnis, fordert aber auch: „Psychische Gesundheit muss einerseits durch eine umfassendere und vielfältigere psychotherapeutische Versorgung, andererseits durch präventive Maßnahmen in der Berufs- und Lebenswelt der Menschen gefördert werden.“

Was also bleibt von dem Streit um die Psychotherapie? Zum einen die Erkenntnis, dass auch sie zunehmend von der Ökonomisierung des Gesundheitssektors geprägt ist und so weiter unter Druck gerät, kosteneffizienter nach wirtschaftlichen Kriterien geführt zu werden. Zum anderen, dass der Weg zu einer Gesellschaft, die Betroffene psychischer Erkrankungen anerkennt und ihnen die individuell notwendige Behandlung gewährt, noch ein weiter ist. Uwe Hauck ist ebenfalls vorsichtig optimistisch, blickt aber schon wieder nach vorne: Gemeinsam mit der Depressionsliga arbeitet er daran, langfristig ein Gegengewicht zur Ökonomisierung der Psychotherapie zu installieren.

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29 Kommentare

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  • www.therapie.de ist übrigens eine gute Website, um sich über alle Fragen zum Thema Therapie - egal ob anerkannt oder nicht, gesetzlich oder privat finanziert - umfassend zu informieren. Es finden sich dort kurze, prägnante und leicht verständliche Informationen über psychische Krankheiten, die verschiedenen Therapieverfahren und über die Zugangs- und Beantragungsmodalitäten. Außerdem kann man dort sehr einfach und praktisch nach Psychotherapeuten, Heilpraktikern, Coaches, etc. in ganz Deutschland suchen.

  • Das einzige Problem ist meiner Ansicht nach die Zulassungsbeschränkung für approbierte ärztliche und psychologische Psychotherapeuten in Ballungsräumen und die damit zusammenhängende Bedarfsplanung, die den tatsächlich vorhandenen Bedarf systematisch unterschätzt. Hinzu kommt der Mangel an Fachärzten und Psychotherapeuten in ländlichen Gebieten. Für letzteres können aber die Kassenärztlichen Vereinigungen nichts, denn diese haben in den letzten Jahren deutliche Anreize dafür geschaffen, sich im ländlichen Bereich niederzulassen (z.B. Kassensitze kostenlos bzw. noch mit entsprechender Bezuschussung).

  • Wieder mal ein Beweis, dass der Gesundheitsminister für deinen Posten ungeeignet ist, da nicht lernfähig:



    es ist längst nachgewiesen, dass die Fallpauschalen im "normalen" Gesundheitsbereich alles andere als sinnvoll oder hilfreich war.



    Die Fallpauschalen gehören abgeschafft!



    Statt dessen will er diese jetzt auch noch ausweiten?



    Geht's noch?

  • Ich bin selbst betroffen und habe einen Klinikaufenthalt hinter mir, den ich mir mühsam erkämpfen musste und erst nach mehreren Monaten der Qual bekam. Einen ambulanten, von der Krankenkasse bezahlten, sofort verfügbaren Therapieplatz während einer schweren Depression zu bekommen, war schier unmöglich. Ich habe schließlich aus der Not heraus meine Therapie, bis ich endlich in die Klinik gehen konnte, selbst bezahlt und sie zwangsläufig und wider besseres Wissen beschränkt, weil ich mir eben nur eine gewisse Anzahl von Stunden leisten konnte. Bevor ein von der Krankenkasse bezahlter Platz überhaupt möglich gewesen ist, musste ich einen Vorabtermin bei einem zugewiesenen, (fürchterlichen - aber man hat nun mal keine Wahl) Therapeuten absolvieren, der mir damals zwar die Depression bescheinigte, auf einen Platz bei einem/r Therapeuten/In hätte ich dennoch sehr lange warten müssen. Es gibt zwar die Möglichkeit, bei der Krankenkasse einen Antrag zu stellen, dass die Kosten für eine Behandlung bei Nichtkrankenkassen-Therapeuten, die verfügbarer sind, übernommen werden. Die Aussichten hier eine Bewilligung zu bekommen, sind allerdings nicht besonders groß. Allein die Tatsache, dass die bürokratische Hürde für einen Therapieplatz so groß ist, zermürbt in einer Phase psychischer Belastung zusätzlich. Ich war schließlich absolut am Ende meiner Kräfte. Wenn man sich ein Bein bricht, geht man zum Arzt und wird behandelt. Bei einer psychischen Erkrankung kommt man sich vor wie ein Bittsteller, ein Aussätziger, ein Hypochonder (wobei das auch ein Krankheitsbild ist, das belächelt und missverstanden wird), hat ständig das Gefühl, man wird nicht ernst genommen. Das darf so keinesfalls bleiben! Eine Depression ist potentiell lebensgefährlich und - ich spreche aus Erfahrung - ausgesprochen schwer zu ertragen. Dass ein Gesundheitsminister auf solch abstruse Ideen kommt, zeugt von großer Unkenntnis und schlechter Beratung. Die Situation ist jetzt schon unhaltbar.

  • Ein weiterer Punkt, der den Zugang erschwert ist die Sperre von zwei Jahren, wenn eine neue Psychotherapie bei einer anderen therapierenden Person beantragt wird. Ich sitze diese gerade aus, weil ich es doch tatsächlich gewagt habe, umzuziehen. Wer das kann, braucht dann wohl innerhalb von zwei Jahren keine Therapie.



    Schon blöd. Letztes Jahr im März dann der große Zusammenbruch, den ich immer noch versuche, auszukurieren und ohne Klinikaufenthalt und andere professionelle Psychobehandlung sicher nicht annähernd in den Griff bekommen hätte.



    Eine harte Anschuldigung, aber vielleicht ist ja sogar der Plan oder zumindest einkalkuliert, massiv Kosten zu sparen, indem sich manche der Erkrankten suizidieren. Kostet die Kassen weniger, gibt freie Plätze. WAS WILL MAN DENN NOCH MEHR?



    Wie - das einzelne Leben soll zählen? [...]

    Kommentar gekürzt. Bitte verzichten Sie auf Pauschalisierungen. Danke, die Moderation

    • @Eva-Maria Stekl:

      Hallo Frau Stekl,



      ich bin selbst niedergelassene Psychotherapeutin mit Kassensitz in München, d.h.ich rechne über die Krankenkasse ab. Die Sperre ist faktisch keine Sperre! Sie müssen diese nicht aussitzen, wenn es Ihnen schlecht geht! Das bedeutet nur, dass Ihr Therapeut einen Bericht an den Gutachter schreiben muss, in dem er darlegt, warum eine neuerliche Therapie innerhalb dieser 2-Jahres-Frist notwendig ist. Meiner Erfahrung nach gehen diese Anträge immer durch. Noch leichter wird das, wenn es sich um einen Therapeuten- und/oder Therapieverfahrenswechsel handelt. Ersteres ist im Rahmen eines Umzugs ja sowieso der Fall! Außerdem gibt es die Möglichkeit, kurzfristig unbürokratisch eine so genannte Akuttherapie (12 h) zu bekommen. Diese muss der Krankenkasse nur angezeigt aber nicht bewilligt werden und kann zumindest als Krisenintervention dienen, denn dazu ist sie 2017 auch eingeführt worden.



      Ein Aufenthalt in einer akutpsychosomatischen Klinik sollte sowieso - je nach Wohnort - innerhalb von einigen Wochen (ca. 6-8) möglich sein. Die Aufnahme in einer Kriseninterventionsstation muss per definitionem sofort ermöglicht werden. Abgesehen davon gibt es - zumindest in einer Großstadt wie München - auch diverse ambulante und tagesklinische Angebote zur Krisenintervention, die oft nicht einmal krankenkassenfinanziert sind.

      • @Psychologische Psychotherapeutin:

        Danke, das ist ja super. Das bekam ich über die Krankenkasse nicht mitgeteilt und auch sonst wusste das niemand. Nun weiß ich, dass ich da doch Chancen habe.

        Prinzipiell geht das leichter, ja. Allerdings nicht, wenn das Kind mitkommen muss, weil ich alleinerziehend bin.



        Hier auf dem Land gibt es zwar Angebote, aber auch hier sind die Wartelisten auf Monate voll. Ich bin einfach froh, eine Therapeutin zu haben, mit der ich gut klarkomme und jetzt die probatorischen Sitzungen noch mit großen Abständen mache, da ich momentan einigermaßen stabil bin.

    • @Eva-Maria Stekl:

      Leider muss ich Ihnen da voll zustimmen.



      Es muß sich dringend etwas ändern in dieser Beziehung!

  • Ich finde es immer gut, wenn Lösungen und Problem zusammengebracht werden - NEIN!

    Kam mal jemand auf die Idee zu hinterfragen, Warum ein Industrieland wie Deutschland eine Prozentsatz von 28% Erkrankungen pro Jahr hat (Ob die Zahl nun 26, 22 oder 19 ist, ist ja egal)?

    "Für ihn ist das größte Problem, dass sich viele wegen ihrer psychischen Erkrankungen nicht therapieren ließen. In Deutschland sind jährlich etwa 28 Prozent der Bevölkerung von psychischen Erkrankungen betroffen, aber nur 10 Prozent werden behandelt. Die Gründe dafür lägen vor allem in der gesellschaftlichen Stigmatisierung und in den bürokratischen Hürden."

    Wir sind Reich, wir sind abgesichert, wir sind sicher, wir sind Kriegsfrei und ohne Hunger - scheinbar alles angeblich. Denn die Resilenz der Befölkerung scheint im Keller zu sein.

    Aber nein, wir strukturieren lieber die Behandlung anders, damit der BEdarf kleiner wird.



    UND verdammt noch mal, der Praxenschlüssel ist eine KAtastrophe in DE!



    Ich kenne einen Therapeuten in Köthen (Sachsen -Anhalt, hintere Ecke), Er und seine Kollegen sind massiv Unterbesetzt, in seiner Gegend. Die wissen nicht, welche Krise Sie zuerst behandeln sollen. Und ich spreche von Kindern von 7-16 Jahren.



    Und es wird auch kein weiterer Sitz vergeben, da ja "genug" da sind, sagt die KV (KAssenärtzliche Vereinigung).



    Alle Therapeuten der Gegend müssen quasi Überlastungesanzeigen bei der KV machen, und das bestimmt monatlich, damit diese sich bewegt.



    Da wird geplant am Bedarf vorbei kalkuliert.

    "Kassenärztliche Vereinigung psychotherapie Therapeuten Schlüssel" - Gibt es in bei Google wenig Info zu finden (vielleicht falsche Schlagworte).



    Was aber geht: www.mdr.de/nachric...d-aerzten-100.html



    2021 sollen es auf ca. 1 Milliarde wachsen (durch unterbesetzte Ärzte und Pflege und die Abrechnung der Leistung).



    Warum wird da kein rotstift und empörung in die Hand genommen?

    • @Thomas Meinert DrOemel:

      Wir sind dabei für mehr Kassensitze für Psychotherapeuten zu kämpfen, damit diese mit den Krankenkassen abrechnen dürfen und so mehr Therapieplätze anbieten können.



      Ich würde mich freuen, wenn du unsere Petition unterschreibst und teilst. Lasst uns gemeinsam kämpfen!



      www.change.org/p/j...chischen-problemen

      • @Julia Darboven:

        Vielen Dank für den Link!



        Habe unterschrieben und bitte auch andere Foristen, sich hierfür einzusetzen!

  • Angeblich stehen wir im internationalen Vergleich sehr gut da, was das Zahlenverhältnis Psychotherapeut*innen zu Bevölkerung angeht. Wie sind denn die Wartezeiten in anderen Ländern, die ähnlich gut dastehen wie wir?

    Und wenn die Wartezeiten dort deutlich kürzer sind, als es das o.g. Zahlenverhältnis erwarten ließe: Wie ist der Zugang zu Psychotherapie dort organisiert? Wer kontrolliert ihn, nach welchen Kriterien?

    Mit anderen Worten: Braucht es wirklich nur mehr Psychotherapeut*innen, oder sind andere Stellschrauben vielleicht effektiver?

    • G
      Gast
      @Smaragd:

      Der internationale Vergleich ist bei gesundheitspolitischen Fragen immer schwierig. Wenn es große qualitative Unterschiede gibt, ergibt ein quantitativer Vergleich nur bedingt Sinn.



      In Schweden z.b. ist der Zugang zu psychologischen Behandlungen relativ leicht, dafür werden aber vor allem Psychopharmaka verabreicht und wenig therapiert.



      So hat jedes Land verschiedene gesundheitspolitische Rahmenbedingungen, Versicherungsstrukturen und auch verschiedene Auffassungen davon, wie gelingende psychologische Behandlung aussieht.

      In Dtl wird vielmals von den Fachverbänden darauf hingewiesen, dass nicht die Gesamtanzahl an Psychotherapeut*innen das Problem sei, sondern deren Anerkennung von der Kassenärztlichen Vereinigung, sodass nicht genug Therapien von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden könnten.

    • @Smaragd:

      Ja, richtig, es gibt jede Menge Länder in denen die psychotherapeutische Versorgung noch schlechter ist als hier oder auch grundsätzlich nicht vom jeweiligen Gesundheitssystem finanziert wird und damit jenen vorbehalten bleibt die sich eine Therapie aus eigener Tasche finanzieren könne. Zu glauben man könne 'Kosten' sparen wenn man hier ähnliche Ansätze verfolgt und die Versorgung noch knapper hält irrt. Die ökonomischen Folgekosten durch psychisch bedingte Fehltage sind immens, demgegenüber ist Psychotherapie, gemessen an den Behandlungskosten anderer schwerwiegender Erkrankungen fast schon ein Schnäppchen, was sich auch an deren Anteil an den Gesamtausgaben der Kasssen wiederspiegelt. Gleichzeitig ist es ebenfalls mit Folgekosten behaftet psychische Erkrankungen unbehandelt zu lassen, weil diese sich dann chronifizieren, zu weiteren Krankeitstagen, Arbeitsunfähigkeit, Frühverrentungen und nicht selten auch zu Suiziden führen. Auch wenn man das BIP für wichtiger hält als die Linderung menschlichen Leidens gibt es also plausible Gründe sich als Gesellschaft eine gute und umfassende Versorgung mit Psychotherapieangeboten zu 'leisten'.

  • Wenn man die langen Wartezeiten nicht mehr möchte, sollte man einfach auch all die anderen Verfahren wieder zulassen, welche in den 90er Jahren doch immer im Ersatzverfahren bezhalt wurden (und die jetzt auch nicht in den 90ern stehengeblieben sind)

    Therapeuten wären mehr als genug da, aber man will ja die v.a. VT-basierte Einheitstherapie, indem man Therapeuten und Klienten/Patienten in Verfahren zwingt die ihrem Naturell und des eigenen Umgangs mit psychischen Problemen nicht unbedingt entspricht.

    Rückkehr zur Methodenvielfalt = deutlich mehr Therapieplätze

    Und nebenbei trocknet man noch den Eso-Coaching Markt aus, in den die Menschen teilweise abgewandert sind und der m.E. auch ein Grund für viele Verschwörungsgkäubigkeit ist.

    • @Oliver Tiegel:

      Hallo Herr Tiegel,



      da möchte ich Ihnen als niedergelassene Psychologische Psychotherapeutin widersprechen. Zugelassen werden nur Verfahren, deren Wirksamkeit in entsprechenden wissenschaftlichen Studien auch erwiesen, also evidenzbasiert ist. Erst im Juli 2020 ist die Systemische Therapie als weitere Therapieform neben Psychoanalyse, Tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie und Verhaltenstherapie zugelassen worden.



      Und: Zwingen kann niemand Therapeuten und/oder Patienten in irgendeine Therapieform!



      Das, was sich in den 90ern mit Einführung des Psychotherapeutengesetzes 1998 wesentlich verändert und damit verbessert hat, ist, dass die Berufsbezeichnung "Psychotherapeut" gesetzlich geschützt worden ist. Vorher durfte sich nämlich jeder so nennen. Heute ist klar, welche Voraussetzungen, welche Ausbildung und welche Qualifikationen damit verbunden sein müssen, damit jemand diesen Titel überhaupt tragen und damit "echte" Psychotherapie anbieten darf.

  • Und auch die Therapeuten dürfen ihren Teil beitragen, dass die Versorgungslage besser wird:

    1) Wenn Patienten nur während der Therapie arbeiten, aber nicht zwischen den Sitzungen – mit Hausaufgaben, Verhaltensübungen, Gruppentreffen, Schreibübungen, Sport uam. –, dann sollten die Therapeuten die Zusammenarbeit beenden.

    2) Wenn Patienten mit Anliegen kommen, bei denen keine Heilungs-Arbeit erforderlich ist – für die es Mediziner oder Psychologen bräuchte –, dann sollten die Therapeuten sie an Coaches oder andere Dienstleister verweisen.

    3) Jeder Therapeut sollte nachweisen, dass er kundig ist in Sachen Kurzzeittherapien und Körpertherapie. Ausschließlich mit – vielleicht sogar nur problemorientierten – Gesprächen zu arbeiten, zieht die Arbeit unnötig in die Länge.

    4) Jeder Therapeut sollte nachweisen, dass er kundig ist, was Kommunikation angeht. Therapeuten müssen wahre Meister der Gesprächsführung sein; ansonsten dauert’s ewig.

    5) Therapeuten sollten sich zusammentun müssen, um für ihre Patienten ergänzende Gruppen-Settings anzubieten, die in der Regel verpflichtend sein sollten. Diese wären billiger als Einzelgespräche und durch ihre Gruppendynamik eine starke Unterstützung.

    6) Therapeuten, die keine zügigen und regelmäßigen Verbesserungen feststellen können, sollten ihre Patienten an Kollegen überweisen. Klare Vereinbarungen darüber, wie ein Patient welche Fortschritte erkennt, sollten ein Muss sein.

    • @Franny Berenfänger:

      Hallo Herr Berenfänger, da möchte ich Ihnen als niedergelassene Psychologische Psychotherapeutin widersprechen. Das, was Sie für erforderlich halten, hängt nämllich sehr stark vom jeweiligen Therapieverfahren ab. Außerdem ist eine der Hauptaufgaben jedes Psychotherapeuten (unabhängig vom Verfahren), zu verstehen, warum der Patient etwas tut/fühlt/erlebt/etc. oder eben auch nicht. Wenn Verhaltensveränderungen immer so einfach bzw. nur eine Frage des Willens und der Motivation wären, bräuchte es keine Psychotherapeuten, etc.



      zu 1) Das ist hauptsächlich in der Verhaltenstherapie erwünscht und kann in den psychodynamischen Verfahren teilweise sogar kontraproduktiv sein.



      zu 2) Patienten dürfen sowieso nur dann kassenfinanziert behandelt werden, wenn eine sogenannte "behandlungsbedürftige psychische Störung" vorliegt.



      zu 3) Jeder Therapeut macht Kurzzeittherapien. Körpertherapien sind spezielle, nicht von der Krankenkasse anerkannte, Therapieverfahren.



      zu 4) Psychotherapeuten (für Erwachsene) haben ein Medizin- oder Psychologiestudium+eine entsprechende mehrjährige theoretische und praktische psychotherapeutische Ausbildung sowie eine staatliche Prüfung absolviert. Sonst dürfen sie den Titel gar nicht tragen. Außerdem ist Kommunikation ein höchst individuelles Geschehen, was immer von beiden Kommuniktionspartnern abhängt. Die Passung muss stimmen!



      zu 5) Das ist seit 2017 bereits möglich und Gruppentherapien werden in den letzten Jahren sehr gefördert. Allerdings wäre ein "Müssen" zu wenig auf die individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse von Patienten abgestimmt. Es sind nicht alle Patienten gruppenfähig oder -willig.



      zu 6) Es gibt zahlreiche empirische Studien (vgl. Grawe), die die Beziehung als wesentlichen Wirkfaktor unabhängig vom Verfahren belegen. Die Passung zwischen Therapeut und Patient (und Verfahren) muss stimmen! Alles andere ist individuell. Und: Geschwindigkeit ist nicht unbedingt ein Kriterium für die Qualität und v.a. Nachhaltigkeit von Therapieeffekten.

    • @Franny Berenfänger:

      Mit Ihrem Ansatz können Sie psychisch weitgehend Gesunden helfen, die aufgrund von Scheidung, Jobverlust etc. in eine Lebenskrise geraten sind. Die brauchen aber keine Psychotherapeut*innen mit zehnjähriger Ausbildung; das können auch Coaches und Heilpraktiker*innen. Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen überfordern Sie aber mit solch einem Erfolgsdruck-basierten Ansatz.

      Eine Kombi von Einzel- und Gruppentherapie wäre in vielen Fällen hilfreich, wird aber von Krankenkassen nicht bezahlt.

      • @Smaragd:

        Doch, eine Kombi von Einzel- und Gruppentherapie wird seit 2017 von den Krankenkassen bezahlt und zusätzlich ist der Zugang dazu seitdem immens vereinfacht worden!

    • @Franny Berenfänger:

      Also, wenn ich an meine Zeit zurückdenke in der ich eine Psychotherapie machte...



      Ein Erfolgsdruck hätte doch die Überwindung dieser sehr heiklen Lebenssituation sehr sehr im Wege gestanden. Den Erfolg wahrscheinlich sogar verunmöglicht. Eine Aura des Misstrauens kommt nicht so gut im therapeutischen Setting. Weder auf Patienten, noch auf Therapeutenseite.

      Ich finde, unsere Gesellschaft sollte einfach bereit sein, in diesem Bereich gerne mit vollen Händen viel Geld auszugeben und da einfach Kapazitäten aufzustocken. Ebenso wie mit der Bildung. Einfach, weil es uns da wert ist. Ja, Giesskannenpolitik a la 70er.



      Ist aber trotzdem vernünftig.



      Ich habe lieber ein paar wenige die vielleicht ewig in einer Therapie hängenbleiben, als dass durch Ökonomisierung Leute auf der Strecke bleiben.

    • @Franny Berenfänger:

      Und das kontrolliert wer? Er muss nachweisen? Wo? Beim Gesundheitsamt , beim nächsten Psychiater ? Beim Pfarrer?

      • @portolkyz:

        Naja - es ist ja nicht so, dass man ohne Grund einfach seine Therapie verlängern lassen kann. Auch im jetzigen System ist die Anzahl der Therapiesitzungen beschränkt. Bei entsprechender Indikation KANN verlängert werden, das muss aber auch mit Begründung des Psychotherapeuten geschehen. Die Krankenkasse hat immer das letzte Wort. Wenn jemand wirklich lange in einer Therapie "hängenbleibt", ist sein Leiden möglicherweise ja auch chronisch. Auch bei anderen Krankheiten kommt das vor.

  • Warum werden die Probleme nicht offen benannt? Das bisherige System der ambulanten Therapeuten ist teuer und wenig effizient. Akut und schwer Erkrankte finden keinen Therapeuten, andere werden jahrelang "begleitet", ohne dass sich die psychische Problematik bessert. Eine Kurzzeittherapei kostet fix 2.500 Euro und mehr, ein Behandlungserfolg ist oft nicht zu verzeichnen.

    Die "Ökonomisierung" haben im übrigen die Leistungsanbieter und ihre Lobby vorangetrieben, die machen nämlich keinen Handschlag für lau oder wenig. Während sich ein ärztlicher Psychiater mit 48 Euro pro Patient und Quartal begnügen muss, nehmen psychologische (und ärztliche) Therapeuten mind. 100 Euro pro 45 Minuten und für zusätzliche Dinge gerne mehr. Da ist nach 15-20 Sitzungen die wöchentliche Arbeit schon erledigt, der "bescheidene" Verdienst in der Tasche. Bei überschaubaren Kosten bleiben da gerne 5.000 - 10.000 Euro im Monat. Aber war mag dass gerne offen zugeben? Und so wird weiter geklagt und gejammert ...

    • @TazTiz:

      Stifte Unfrieden unter denen, die du beherrschen willst: Patente Lösung für die Dividende der Kassen und womöglich auf Kosten der EinzahlerInnen, die das Recht haben, für ihre Beiträge zeitnah qualifiziert behandelt zu werden. Schulterschlüsse sind im selben Boot hilfreich, vielleicht kann man der Rasterpsychotherapie Alternativen entgegen setzen. Jens Spahn als verantwortlicher Minister sieht vielleicht Notwendigkeiten und Qualität der Arbeit und langfristige Ergebnisse von PsychotherapeutInnen mit der Brille des gelernten Bankers, nicht sehr empathisch, auch nicht zielführend. Alle, erwachsene PatientInnen mit Angehörigen und TherapeutInnen mit Mitarbeitenden, sind WählerInnen. Das kann einer Noch-Volkspartei wohl nicht wirklich schnuppe sein, denkt man sich. Der Minister als Spaltpilz, nich ganz absurd.

    • @TazTiz:

      100 Euro pro 45 Minuten? Wo haben Sie denn diese Information her? Ja, privat arbeitende Therapeut*innen ohne Kassenzulassung berechnen solche Preise. Von gesetzlichen Krankenkassen bekommen sie längst nicht so viel.

      Ist halt wie bei Ärzten: Die dürfen für die Behandlung von privat Versicherten auch mehr abrechnen.

      • @Smaragd:

        Sie sind leider schlecht informiert: private Kassen zahlen mittlerweile weniger als die gesetzlichen. Für 50 Minuten gibt es 922 Punkte zu mindestens 10, Cent gibt es über die KV. Zudem begrenzen private Versicherungen meist die Stundenzahl bereits bei Vertragsabschluss.

        • @TazTiz:

          Hmm,



          die Stunde für Reparaturen im Autohaus um die Ecke schlägt derzeit mit 120€ zu Buche - 50% der Arbeiten übernimmt der Stift oder eine Anlernkraft



          Auch ihre Rechnung weiter oben ist eine Milchmädchenrechnung: Auf die 10000 Euro - das ist eher zuwenig als zuviel in der Summe, kommen in Ballungsräumen locker 2000€ Fixkosten für die Praxisräume und die Infrastruktur, weitere Kosten für die Fachsupervision, usw. Netto liegt man sicherlich immer noch bei 4000€plus - das ist viel, aber für ausgesprochenen Sozialneid reicht das nicht...



          Auch der Bezug auf die Neurologen ist eher ein rechnerischer Flachwitz: Die haben ihre Patienteneinnahmen fix - Karte einlesen und wieder heimschicken reicht für die 48€.



          Klar klagen die auch, aber wenn man es hochrechnet auf hohem Niveau....

    • @TazTiz:

      Na supi, da reißt man sich als Behandler den Ar… auf, um trotz der ausufernden Bürokratie den Leuten eine gute Behandlung zukommen zu lassen, viel Arbeit, die größtenteils nicht bezahlt wird: Telefonstunden, Berichte schreiben, sich mit Kollegen austauschen, Firtbildungen, Anfragen beantworten etc.



      Das Geld bekommt man nur für die Arbeit direkt an den Leuten und muss davon Praxis-Miete, Abgaben (Kranken-, Renten-, Pflegeversicherung jeweils zu 100% selbst), Beiträge, Versicherungen und anderen Kram, so dass ein Einkommen von vielleicht 20€ pro Stunde übrig bleibt, aber von Außen kann man das ja so einfach beurteilen. Und die Ausbildung, um das machen zu dürfen, dauert über 10 Jahre (inkl. Studium), wovon die letzten Jahre teuer bezahlt werden müssen, auch der Praxissitz muss gekauft werden, so dass man erstmal bis zu 100000€ rausgehauen hat, bis man überhaupt mit Behandlungen anfangen darf. Da darf man dann auch mal ein wenig Geld rausbekommen, oder?



      Und wenn es so toll ist, einfach selber auch machen. Scheint ja ganz toll zu sein…