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Soziologin über Polizei und Rassismus„Die Polizei ist Schutz und Gefahr“

Für viele Menschen bedeutet weniger Polizei mehr Sicherheit, sagt Vanessa E. Thompson. Sie erklärt, warum Rassismusforschung auch frustrierend ist.

Sicherheit der einen, bedeutet Unsicherheit der anderen. Eine Szene vom Frankfurter Bahnhofsviertel Foto: Horacio Villalobos/Corbis via Getty Images
Interview von Simon Sales Prado

taz: Frau Thompson, viele Menschen würden wohl sagen, die Polizei sei vor allem da, um Sicherheit aufrechtzuerhalten, Gewalttaten zu verhindern, Ordnung herzustellen. Wie würden Sie die Rolle der Polizei in unserer Gesellschaft beschreiben?

Vanessa E. Thompson: Natürlich sorgt die Polizei als Teil des staatlichen Gewaltmonopols für Sicherheit und Ordnung. Die Frage ist jedoch: Für wen? Schon Walter Benjamin hat darauf hingewiesen: Die Polizei hält nicht nur das Recht aufrecht, sie setzt auch Recht. Diese Interpretationsspielräume in der polizeilichen Praxis zusammen mit der Möglichkeit, Ordnung über Zwang und Gewalt herzustellen, führen zu Ungerechtigkeiten. Es gibt viele Menschen, die die Polizei nicht als Schutz wahrnehmen, sondern als Gefahr. Die Polizei schafft zeitgleich Sicherheit für die einen und Unsicherheit für die anderen.

Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel?

Schauen wir uns das Frankfurter Bahnhofsviertel an. Ein migrantisierter Raum, in dem sich viele Menschen bewegen. Auch solche, die drogenabhängig sind oder wohnungslos, es findet Sexarbeit statt. Vor allem durch die Gentrifizierung entstand die Forderung an die Polizei, dieses Viertel „sicherer“ zu machen. Aber wenn gesellschaftliche Problemlagen über Kriminalisierung gelöst werden sollen, bedeutet die Sicherheit der einen die Unsicherheit der anderen. Wieso nicht Ressourcen investieren, die diese Gruppen durch soziale Infrastrukturen unterstützen, statt sie noch mehr zu kriminalisieren?

Wieso wird für die Lösung gesellschaftlicher Probleme trotzdem häufig mehr Polizei gefordert?

Ich beobachte in der weißen, gut situierten Mehrheitsgesellschaft eine Identifikation mit einem Sicherheitsverständnis, das nicht mitdenkt, inwiefern diese Sicherheit auch mit der Unterdrückung der Kriminalisierten zusammenhängt – das passiert entlang von verschränkten Ungleichheitsdimensionen wie Rassismus, Vergeschlechtlichung oder psychischer Gesundheit. Wir müssen marginalisierte Bevölkerungsgruppen ernst nehmen, die am Ende polizeilicher Praxis stehen und sagen, dass sie sich nicht sicher fühlen.

Vor dem Gespräch haben Sie betont, um die Polizei zu verstehen, müssten wir auch über ihre Entstehung sprechen. Wieso?

Die moderne Polizei ist Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden. Schon damals war sie an die Verteidigung und Kontrolle von rassifizierten und vergeschlechtlichten Besitz- und Ausbeutungsverhältnissen gebunden. Das hat sich in Europa an Kontrollen von Sinti und Roma gezeigt, wurde aber auch in Kolonien sichtbar. Wir können die Entstehung der modernen Polizei nicht verstehen, ohne über den Kolonialismus nachzudenken. Das heißt übrigens nicht, dass die heutige Polizei wie die Kolonialpolizei ist. Aber dieser Zusammenhang ist wichtig, um zu verstehen, wie bestimmte Praktiken trotz Wandel immer noch fortwirken.

Auf Demonstrationen von Black Lives Matter war zuletzt die Forderung „Abolish the Police“ zu hören. Was ist damit gemeint?

Der Abolitionismus steht in der Tradition des Kampfes um die Abschaffung von Versklavung. Es gab in den USA, in der Karibik, aber auch in Europa reformistische Ansätze, die Bedingungen innerhalb der Versklavung verbessern wollten. Der transnationale Abolitionismus entgegnete: Das gehört abgeschafft, das ist ein entmenschlichendes System, das nicht reformiert werden kann. Neuere abolitionistische Bewegungen setzen sich mit der Überwindung von staatlicher Gewalt in Gefängnissen, Lagern oder der Polizei auseinander. Es geht beim Abolitionismus aber nie nur um eine bloße Abschaffung im Sinne von Überwindung, es geht um eine gesellschaftliche Transformation weg von Kriminalisierung hin zu sozioökonomischer und politischer Gerechtigkeit und Teilhabe.

Es geht also weniger darum, die Polizei abzuschaffen, und mehr darum, sie überflüssig zu machen?

Abolitionismus ist kein Ruf nach Chaos. Auch abolitionistischen Perspektiven ist ein Leben in Sicherheit und Schutz wichtig, aber für alle. Die Frage ist, ob diese Sicherheit durch Kriminalisierung hergestellt werden oder ob stattdessen in soziale und ökonomische Gerechtigkeit investiert werden soll, in Zugang zu progressiver Bildung, zu sozialem Wohnen, in die Gesundheitsversorgung und Institutionen politischer Teilhabe. Eine abolitionistische Kernfrage ist: Was brauchen besonders marginalisierte Bevölkerungsgruppen, um sich sicher zu fühlen? Wir sehen ja derzeit ganz deutlich, dass etwa Menschen in mentalen Krisen keine Polizei brauchen, sondern Infrastrukturen, die für psychische Gesundheit sorgen.

Wie könnten tragfähige Alternativen zur Polizei aussehen?

Es gibt abolitionistische Ansätze wie Transformative Justice oder Community Accountability, die seit Jahrzehnten erprobt werden. Sie wurden vor allem von Schwarzen trans Frauen und migrantisierten Sexarbeiterinnen entwickelt, die intersektional, also mehrfach von Ungleichheitsverhältnissen betroffen sind. Sie sind in ihren Communitys sexualisierter oder häuslicher Gewalt ausgesetzt, können aber auch nicht die Polizei rufen wegen Prozessen staatlicher Kriminalisierung. Sie sagen: Wir wollen Sicherheit ohne staatliche Gewaltformen, wir müssen aber auch die Gewalt in unseren Communitys angehen. Bei diesen Ansätzen steht die Person, die Gewalt erfährt, im Mittelpunkt. Braucht sie sozioökonomische Unterstützung? Will sie Abstand? Und es wird gefragt: Wie ist es überhaupt dazu gekommen? Solche Konzepte betonen, dass Gewalt nie nur von Individuen ausgeht, sondern gesellschaftlich eingebunden ist. Die Person, die die Gewalt ausgeübt hat, und die Community übernehmen dann gemeinsam Verantwortung. Es gilt, die Strukturen zu verändern, die gewalttätige Handlungen mit hervorbringen.

Der Gedanke, keine Polizei zu haben, scheint bei vielen dennoch eine diffuse Angst vor Kriminalität und Chaos hervorzurufen.

Es ist interessant, wer solche Argumente nutzt. Diejenigen, die sagen, keine Polizei führe zu Chaos, gehören häufig zu denen, die gar keinen alltäglichen Kontakt mit der Polizei haben. Herrscht denn in den Communitys dieser Menschen deswegen Chaos? Ich zeige zwar bei diesem Thema ungern auf die USA, weil sich die Kontexte unterscheiden, aber ein Blick auf einen Bummelstreik der New Yorker Polizei im Dezember 2014 kann uns weiterhelfen: Damals ist trotz der Reduktion polizeilichen Handelns weder die Kriminalität angestiegen noch haben sich die Menschen im Alltag unsicher gefühlt. Viele Schwarze Menschen und weitere rassifizierte Gruppen haben erleichtert gesagt: So muss es sich anfühlen, weiß zu sein.

Im Interview: Vanessa E. Thompson

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie an der Goethe-Universität Frankfurt. Sie beschäftigt sich aus intersektionaler Perspektive mit dem Verhältnis von Rassismus und Polizei.

Auch in Deutschland wird stellenweise über Polizeireformen diskutiert: Die Kennzeichnungspflicht, nun das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz. Gehen Reformen wie diese weit genug?

An sich lässt sich nichts gegen diese Reformen als Zeichen zu mehr demokratischer Kontrolle der Polizei sagen, trotzdem glaube ich, dass sie das Problem nicht an den Wurzeln packen. Dass es in der Öffentlichkeit wegen dieser Reformen zu so aufgebrachten Reaktionen kam, irritiert mich. Diese Gesetze nehmen Institutionen und Behörden einer demokratischen Gesellschaft in die Verantwortung, nach Antidiskriminierungsrichtlinien zu handeln, sie ernst zu nehmen und zu praktizieren. Was sagt es uns, dass es da einen Aufschrei gab?

Eine häufige Kritik in der Debatte um Rassismus in der Polizei lautet, man würde generalisieren.

Als Rassismusforscherin finde ich das frustrierend. Dieses auf Individuen fokussierte Verständnis von Rassismus ignoriert die letzten vierzig Jahre Forschung komplett. Rassismus ist ein gesellschaftliches Machtverhältnis, das in postkolonialen Gesellschaften wie der unseren in alle Institutionen eingewoben ist. Bei einer Kritik an institutionellem Rassismus geht es nicht um Intentionen, um gute oder böse Polizeibeamte. Die Frage ist nicht: Sind wir rassistisch? Sie muss lauten: Wie können wir verhindern, dass wir Rassismus reproduzieren? Es fehlt eine systematische Auseinandersetzung mit Rassismus. Wir können Fragen der sozialen Gerechtigkeit nicht adäquat stellen, solange wir uns an einem individualisierten und ahistorischen Verständnis von Rassismus abarbeiten müssen. Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Dies ist eine systematische Aberkennung der eigenen Verantwortung in der Herstellung von Ungleichheiten.

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31 Kommentare

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  • Geiles Interview. Alles drin, was man für das weitere Nachdenken und Vorgehen braucht.

  • Eine eingeknastete G20-Protestierende äußert sich darüber, wer im Knast sitzt und was das über das Justizsystem aussagt:



    "Im Gefängnis habe ich sehr wenig Menschen aus der Mittelschicht gesehen und niemanden aus der bürgerlichen Schicht. Fast alle waren arm. Das zeigt, dass man nicht wegen persönlicher Entscheidungen ins Gefängnis kommt, sondern wegen seiner Klasse."



    taz.de/G20-Demonst...ungshaft/!5698611/

    • @Uranus:

      Der Herr in der U-Haft war wohl zuvor im Rahmen einer anarchistischen Polizeiersatzaktion unterwegs:

      "Rund 220 schwarz Vermummte waren am Morgen des 7. Juli 2017 in dunkler Camouflage zwei Kilometer durch Altona gezogen und hatten Autos und Gebäude an der Elbchaussee angezündet, zahlreiche Scheiben eingeschlagen und Häuser mit Farbe beschmiert. Dabei hatten sie laut Anklage die Elbchaussee mit Krähenfüßen und brennenden Mülltonnen blockiert, 19 Autos zerstört und 19 weitere beschädigt. Sie warfen bei 60 Gebäuden die Scheiben ein, darunter auch Fenster des Rathauses Altona." www.ndr.de/nachric...lbchaussee160.html

      Er ist definitiv nicht wegen seiner "Klasse" dort gelandet sondern wegen seiner zerstörerischen Gewalttätigkeit.



      Ich finde es schon ein bisschen erbärmlich, wenn dass hinter der Armut anderer versteckt wird.

  • Sucht man im Netz nach Beispielen für Transformative Justice dann ist die Ausbeute äußerst mager. Es finden sich keine Beispiele zum Umgang mit Gewalt in Communities. Die Communities scheinen äußerst klein, abgeschottet und versteckt zu sein.

    Und das Leuchtturmprojekt Transformative Justice Kollektiv Berlin löst sich als Gruppe auf. Dort haben die anfragenden Communities die TJ nicht gebackenen bekommen ("Dennoch wurden wir immer mehr als Expert*innen gesehen und als Feuerwehr angefragt, um die Prozesse für Andere zu führen und nicht mit involvierten Freund*innen oder der Community zusammen."). www.transformative...tion-auch-fur-uns/

    Hier wird immer noch etwas verkauft, was nicht einmal mit mit engagierten für TJ offenen Communities funktionierte.

  • Mit Benjamin-Zitaten ist der Mangel an empirischen Erkenntnissen über "die Polizei" schwerlich auszugleichen. Und wer ihn ins Feld führt, sollte die grundlegend andere historische Situation des Jahres 1921 ebenso benennen wie die heute schon grotesk anmutende These Benjamins: "Und mag Polizei auch im einzelnen sich überall gleichsehen, so ist zuletzt doch nicht zu verkennen, daß ihr Geist weniger verheerend ist, wo sie in der absoluten Monarchie die Gewalt des Herrschers, in welcher sich legislative und exekutive Machtvollkommenheit vereinigt, repräsentiert, als in Demokratien, wo ihr Bestehen durch keine derartige Beziehung gehoben, die denkbar größte Entartung der Gewalt bezeugt." Also, Frau Thompson: mit Benjamin zurück in die absolute Monarchie?

  • "Im Gegensatz zu vielen Kritikern hier habe ich Frau Thompson nicht so verstanden, dass sie die Polizei alternativlos abschaffen will"

    Ah, danke. Endlich ein Mensch, der des Lesens mächtig ist. Das tut gut.

    Ich beobachte gerade eine Tendenz zur Polarisierung, die jede berechtigte Diskussion über die Schwächen der Polizei im Keim erstickt. Kritik an die Polizei wird gleich als Anschwärzen von Polizist*innen diffamiert (darum geht es doch gar nicht!) oder es kommt "aber wir brauchen doch die Polizei, ach, die vielen Kriminellen!" (darum geht es auch nicht).

    Warum nur?

    • @tomás zerolo:

      Freu mich auch, dass da noch einer ist, der versteht worum es geht (und worum nicht). Das kommt im Interview eigentlich auch klar zum Ausdruck.

  • Die zentrale Frage ist, wem gehört der öffentliche Raum. Um bei dem Beispiel des Bahnhofsviertels in Frankfurt zu bleiben: Weniger objektive und v.a. subjektive Sicherheit wird dazu führen, dass dieser mehr und mehr gemieden wird von Personengruppen, die sich das leisten können; d.h. diese werden dann zB den Flugahafenbahnhof ansteuern und via Privatshuttle an den Zielort fahren.

    Desweiteren werden bei einer Reduzierung der Polizei bzw. einer subjektiv niedrigeren Sicherheit Bürgerwehren, gatedCommunities mit Sicherheitsdiensten etc. aus dem Boden sprießen wie die Pilze. Will man das wirklich in Kauf nehmen??

  • Thema Banhofsviertel: Ich habe dort lange gelebt und immer wieder mitbekommen, wie sich die Kriminalität verändert hat. Und es gab Zeiten, in den es wirklich unangenehm war, sich durch das Spalier der Dealer und Junkies zu schlagen. Es war wirklich übel. Und dieses unangenehme Gefühl hatten alle, die nicht gerade Dealer oder Junkie waren - da spielte es keine Rolle, ob es ein Mann, eine Frau mit oder ohne Migrationshintergrund handelte. Insofern waren alle froh, als die Polizei verstärkt aufgetreten ist.

    • @JC Kay:

      Ja, ich habe viel Verständnis dafür, dass die meisten Leute ausserhalb der Drogenszene froh sind, wenn die Polizei da "aufräumt". Nur ist das leider reine Kosmetik und trägt rein gar nichts zur Heilung der Zivilsationskrankheit Sucht bei. So viele Menschen sind süchtig und verhalten sich entsprechend destruktiv, sich selbst und anderen gegenüber. Und sehr viele davon haben eine gesellschaftlich anerkannte Sucht (auch Verhaltenssüchte zählen dazu). Für die ist es gut einen Sündenbock zu haben. Das ist der Junkie vom Bahnhofsviertel. Der Aussätzige. Hier geht es um eine gesellschaftliche und institutionalisierte Dynamik der Diskriminierung. Besser wäre es, auf die gesellschaftlichen Ursachen der Sucht zu schauen und diesen entgegenzuwirken. Diese Ursachen seien hier nur ansatzweise in Stichworten skizziert: Kapitalismus, Gier, Leistungsdruck, Schönheitswahn, Narzissmus, Vereinzelung, ...

      Und wenn der Gesetzgeber (und seine Wähler) dieser absurden Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Drogen, vor allem aber der unseligen und menschenverachtenden Kriminalisierung von Drogengebrauchern, endlich ein Ende machen würde, hätten Dealer und Konsumenten keinen Grund mehr für die Bildung solcher destruktiven Drogenszenen. Diese würden sich auflösen oder in eine harmlose Form übergehen und wir bräuchten dafür keine Polizei als Exekutivorgan der staatlich verordneten Diskriminierung.

    • @JC Kay:

      Kenne das aus Frankfurt ähnlich. Gerade die Leute aus dem Bahnhofsviertel sind für mehr Polizei und strikte Kontrollen, dem Rest Franfurts wäre das Viertel noch mehr egal, würde es nicht zwischen Bahnhof und City liegen.

  • "wir müssen aber auch die Gewalt in unseren Communitys angehen."

    Ich höre schon den Aufschrei, das damit diese Communities auch wieder rassistisch kriminalisiert werden.

  • Zunächst mal Dank und Respekt für diese ausserordentlich kluge und tiefgehende Analyse eines massiven gesellschaftlichen Problems.

    Im Gegensatz zu vielen Kritikern hier habe ich Frau Thompson nicht so verstanden, dass sie die Polizei alternativlos abschaffen will. Das aber unsere Polizei in ihrer jetzigen Verfassung eben nicht Sicherheit für alle Bürger gewährleisten kann, sondern im Gegenteil für viele eine Bedrohung darstellt, ist eine Tatsache. Und dabei geht es mitnichten nur um Kriminelle, welche die Polizei natürlich zu Recht fürchten müssen und sollen. Opfer von unverhältnismäßiger bis krimineller Polizeigewalt wird man hierzulande eben viel zu oft beispielsweise wegen Bagatelldelikten, weil man zur falschen Zeit am falschen Ort war oder weil man einfach von den "falschen" Drogen abhängig ist.

    Es gibt hier strukturelle, institutionalisierte Diskriminierung und Rassismus. Dass es auch sinnvolle und gute Polizeiarbeit gibt ist noch lange kein Grund das zu ignorieren, zu verleugnen oder zu relativieren.

    Es geht überhaupt nicht darum, die Polizei von heute auf morgen einfach ersatzlos abzuschaffen. Natürlich hätte das keine guten Folgen. Es geht um eine grundlegende Reform oder, wenn das nicht möglich ist, um eine gute Alternative zur Polizei in ihrer jetzigen Form.

    Meiner Ansicht nach gehört dabei auch ein sehr grundlegendes Problem der Polizei gelöst. Das nämlich Polizisten zu Gehorsam verpflichtet sind und dem ihr eigenes Gewissen unterzuordnen haben. Es ist schwierig von einem Polizeibeamten nur das Gute zu erwarten, wenn dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit eine (unter anderem) autoritäre und autoritätshörige Persönlichkeitsstruktur aufweist, die schlimmstenfalls und durchaus realistischerweise bis zum blinden Gehorsam führen kann.

  • Blöd nur, dass es ohne Polizei noch kein einziges Mal geklappt hat. Die Polizeistreiks von Montreal 1969 oder Brasilien 2017 und 2020 nur mal als Beispiel genannt (beim "Bummelstreik" in New York war die Polizei da, es gab wohl nur weniger Knöllchen...). Oder auch zuletzt die vor Kurzem aufgelöste "autonome Zone" in Seattle, wo man es trotz geringer Personenzahl und einer Art Ordnungsdienst in wenigen Tagen auf zwei Morde und diverse Verletzte brachte... In sofern enthält das Interview wenig nutzbringenden Inhalt

    • @Samvim:

      ... weil die Realität mit Polizei besser aussieht, oder was? Das können Sie ja mal den Opfern von Polizeigewalt erzählen, so jene die Gewalt überlebt haben, oder jenen, die abgeschoben wurden, zwangsgeräumt wurden, wegen Nichtzahlen(können) der "Schwarzfahr"gebühr eingebuchtet wurden usw. usf. ... Ebenso gut könnte ich aus Ihrem Kommentar wenig nutzbringenden Inhalt ziehen ...

      • @Uranus:

        ... wegen Nichtzahlen(können) der "Schwarzfahr"gebühr eingebuchtet wurden ...

        Sie sind nich up to date. Gemeinnützige Arbeit statt Ersatzhaft ist seit 1975 möglich. www.lto.de/recht/h...innuetzige-arbeit/

        Eingebuchtet wird man letztendlich wegen der fehlenden Bereitschaft mit gemeinnütziger Arbeit seine Strafe abzubezahlen.

      • @Uranus:

        " ... weil die Realität mit Polizei besser aussieht, oder was?"



        Ja. Ganz klar.

        "oder jenen, die abgeschoben wurden [...]"



        Die Gesetze hierzu kommen nicht von der Polizei. Auf diese haben wir uns als Gesellschaft geeinigt. Wenn eine Mehrheit dagegen wäre, gäbe es diese Gesetze und entsprechende Polizeieinsätze nicht mehr.

  • " Die Person, die die Gewalt ausgeübt hat, und die Community übernehmen dann gemeinsam Verantwortung. Es gilt, die Strukturen zu verändern, die gewalttätige Handlungen mit hervorbringen."

    Was für ein Geschwurbel, also wenn jemand seine Frau tötet weil sie ihn verlassen hat setzt man sich mit dem Mörder zusammen und plaudert erstmal darüber was man strukturell verändern könnte, und dann? Alles wieder gut?

  • Hmm, ich finde die ersten zwei Absätze ziemlich bedenklich. Wenn Bekämpfung von Kriminalität rassistisch ist, weil sie vor allem Migranten trifft, dann sagt das ja nichts anderes aus, alsdass Migranten überproportional kriminell sind.

    Ich habe selbst Mihigru und fühle mich nicht angesprochen, wenn von Kriminalitätsbehämpfung die Rede ist. Ich möchte für diese Sichtweise nicht vereinnahmt werden.

    • @Gustavo Cortes:

      Nein. Sie führt zunächst allgemein aus und nennt dann ein Beispiel. An dem Beispiel lässt sich dann allerdings Thematisierung von Rassismus hineininterpretieren, allerdings meines Erachtens nicht mit dem Ergebnis Ihrer Schlussfolgerung.



      Kriminalisierung, also Menschen zu Kriminellen zu erklären, ist ein machtvoller Prozess, anhand dessen für Privilegierte Sicherheit durchgesetzt werden soll, dessen Kehrseite weitere Unterdrückung für weniger Privilegierte schafft. Thompsons hinterfragt diese Politik des Status Quo. Es geht um Teilhabe und Gleichheit/Ungleichheit.

  • Viele Menschen werden nur einmal im Leben Opfer eines Verbrechens. Deswegen (Wegen dieser Seltenheit) die Polizei für entbehrlich zu halten, ist schon zynisch. Es geht ja nicht um die ständige Anwesenheit sondern um die Verfügbarkeit polizeilicher Hilfe. Ohne diese wäre unsere Gesellschaft deutlich unsicherer, da Menschen nun mal nicht immer gut & edel handeln ... nicht nur für die Schwachen sondern für alle wäre Angst & reale Gefahr ein Begleiter ... wer kann so was wollen?

    • @TazTiz:

      Ja, und im schlimmsten Fall wird mensch auch nur einmal im Leben Opfer von Polizeigewalt. Aber diese Opfer und Andere, die mit bleibende psychische und physische Schäden klar kommen müssen, haben Sie offenbar nicht auf dem Schirm.

      • @Uranus:

        Klassisches Patt. Tatziz hat die einen Uranus die anderen Opfer nicht auf dem Schirm.

        • @Amandas:

          Sicher habe ich die auf dem Schirm. Ich glaube nur nicht, dass Polizei samt Justizssystem bspw. an sexuellen Übergriffen viel ändert. Da geht es um Grundlegenderes: Sozialisation, Geschlechterbilder, liebevolles, einfühlsames, anitautoritäres u.ä. Begleiten von Kindern von Geburt an, das Wirken und Funktionieren des Patriarchats ...



          Die Polizei ist zudem für die Strafverfolgung da. Sie verhindert in den meisten Fällen keine Gewalttaten bzw. kann diese auch gar nicht verhindern. Das "Gewaltproblem" muss meines Erachtens, wie ich bereits anriss, anders gelöst/angegangen werden. Ein anderer Aspekt von Polizei ist deren Repressionsfunktion für den Staat/System d.h. auch den Erhalt des Status Quo, der Eigentumsordnung und diverse soziale Ungleichheiten.

    • @TazTiz:

      Ich weiss ja nicht, wer hier die Polizei für entbehrlich hält. Frau Thompson sicher nicht, das geht aus dem Text hervor.

      Hauen Sie weiter auf Ihren Strohman ein, wenn's denn Spass macht.

      • @tomás zerolo:

        Dann lesen Sie doch nochmal genau: sie diskutiert recht konkret eine Gesellschaft ohne Polizei bzw. Alternativen zur Polizei. Nix Strohmann.