Sexismus und der Fall Sawsan Chebli: Chauvinistisch, reduzierend, dumm
Der Shitstorm, den Staatssekretärin Chebli mit ihrem Facebook-Post provoziert, zeigt: Jede öffentliche Debatte über Sexismus ist nötig, immer wieder.
Nein, es war kein so drastischer Spruch à la „grab ’em by the pussy“ von Donald Trump, den Sawsan Chebli da am Wochenende auf einer Podiumsdiskussion kontern musste. Chebli, 39 Jahre alt, Staatssekretärin in der Senatskanzlei, wurde dort von einem Botschafter a. D. dem Saal mit den folgenden Worten vorgestellt: „Ich habe keine so junge Frau erwartet. Und dann sind Sie auch so schön.“
Und gerade weil diese zwei Sätze so harmlos daherkommen, ist es richtig, dass Chebli ihr Schockiertsein über den Vorfall auf Facebook öffentlich gemacht hat. Weil es eben genau dieser vermeintliche „Kleinkram“ ist, der zeigt, dass Sexismus ein sehr hartnäckiges Übel ist – oder, besser: Es ist vor allem ein sehr hartnäckiges Übel, dass dieser „Kleinkram“ noch immer als solcher abgetan wird, wie es Chebli nun in den Kommentaren auf ihren Facebook-Post zu spüren bekommt. „Ein wenig empfindlich die Dame“, ist da noch eine der netteren Einträge.
Solange da also ein gemischter Chor schreit, da möge doch eine bitte nicht gleich so hysterisch reagieren – als Ex-Innensenator Frank Henkel (CDU) eine junge Abgeordnete als „große süße Maus“ bezeichnete, war das ähnlich –, so lange müssen all die Cheblis ihre Erfahrungen öffentlich machen. Weil es eben nichts mit Empfindlichkeit zu tun, wenn man ein „Kompliment“ als das entlarvt, was es ist: chauvinistisch, reduzierend, dumm.
Dem Sprücheklopfer einfach einen spitzen Kommentar zuzuraunen, wie es die Kollegin einer anderen Zeitung empfiehlt? Nein. Wenn es einen Fortschritt beim Thema Sexismus gegeben hat, dann den, dass Frauen sich trauen, solche Vorfälle öffentlich zu machen, ohne sich von der Angst um ihre Karriere erpressen zu lassen: Siehe die „süße Maus“, siehe die Vorwürfe gegen den Filmmogul Harvey Weinstein in den USA.
„Es ist bemerkenswert, dass Alter und Aussehen bei Frauen überhaupt eine Rolle spielen in der Bewertung ihrer Funktion und Glaubwürdigkeit“, kommentierte eine Senatssprecherin den Vorfall. Wenn selbst der Senat darüber noch so erstaunt ist, tut die Sexismusdebatte, die Sawsan Chebli anstoßen will, wirklich not.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“