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Der Berliner Wochenkommentar IErmüden ist keine Option

Malene Gürgen
Kommentar von Malene Gürgen

In der Sexismusdebatte um Staatssekretärin Sawsan Chebli gehen die Stimmen auseinander.

Dass Staatssekretärin Sawsan Chebli auf einer Veranstaltung auf ihr Äußeres reduziert wurde, lies sie nicht durchgehen Foto: dpa

W ieder einmal wird über Sexismus diskutiert. In den sozialen Medien, wo Tausende Frauen mit dem Hashtag #metoo zeigen, dass auch sie sexuelle Belästigung erlebt haben, und in Berlin, wo der Fall der Staatssekretärin Sawsan Chebli Wellen schlägt. Chebli sollte während einer Veranstaltung am letzten Wochenende eine Rede halten, der Versammlungsleiter Hans-Joachim Kiderlen erkannte sie nicht und überspielte seinen Fehler dann mit dem Satz „Ich habe keine so junge Frau erwartet. Und dann sind Sie auch so schön.“ Inzwischen hat er sich dafür entschuldigt.

Wenn man diese Debatten verfolgt, kann man schon mal müde werden. Müde angesichts der vielen Männer, die sich wieder einmal empören, es sei ­heutzutage doch unmöglich, ein Kompliment von einer Belästigung zu unterscheiden. Müde angesichts auch vieler Frauen, die der Staatssekretärin vorwerfen, die Sache zu sehr aufzubauschen – sie selbst hätten schon Schlimmeres erlebt. Müde angesichts des Bekannten, dem zuallererst der Hinweis einfällt, er sei auch schon mal von Frauen auf sein Äußeres reduziert worden. Müde angesichts der Kollegen, die bei diesen Diskussionen nur verstockt vor sich hin schauen. Müde angesichts der Erregungswellen, mit denen dieses Thema jedes Mal wieder verhandelt wird und von denen am Ende trotzdem so wenig übrig bleibt.

Es ist nicht das Gleiche

Aber aufgeben ist keine Option. Wenn Sexismus die immer gleichen Reaktionen hervorruft, dann müssen diese auch immer wieder aufs Neue mit den gleichen Antworten bedacht werden: Nein, es ist nicht das Gleiche, wenn jemand etwas zu seiner Freundin sagt oder zu einer Kollegin. Nein, so furchtbar schwierig ist das gar nicht, kein Sexist zu sein. Nein, man kann als Mann diese Diskus­sio­nen nicht den Frauen überlassen. Nein, man sollte die eigenen leidvollen Erfahrungen nicht gegen die anderer ausspielen. Nein, vom gesellschaftlichen Machtverhältnis Sexismus sind Männer nicht annähernd stark betroffen wie Frauen.

Überzeugungsarbeit im eigenen Umfeld kann Sexismus vielleicht nicht abschaffen. Aber sie ist immerhin ein Anfang.

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Malene Gürgen
Reportage und Recherche
Redakteurin im Ressort Reportage&Recherche | Jahrgang 1990 | Seit 2014 Redakteurin der taz, zunächst im Berlinressort | 2016-2020 schwerpunktmäßig Recherchen zur extremen Rechten, dazu 2019 "Angriff auf Europa" im Ch. Links Verlag erschienen (mit C. Jakob, P. Hecht, N. Horaczek, S. am Orde) | 2020-2022 als Produktentwicklerin verantwortlich für die Konzeption der wochentaz | 2022-2023 Redakteurin im Ressort Zukunft – Klima Wissen Utopien | Seit 2023 im Investigativteam der taz.
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11 Kommentare

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  • Es geht doch nicht darum, dass man niemandem ein Kompliment machen dürfe. Kein vernünftiger Mensch wird sich aufregen, wenn ein Mensch einem anderen sagt, er habe eine schöne neue Frisur, das neue T-Shirt kleide ihn oder die Brille stehe ihm gut. Aber wenn man einer Staatssekretärin zu verstehen gebe, weil sie so hübsch sei, habe man sie sich gar nicht als Staatssekretärin vorstellen können, was impliziert das? Ja, genau - das eine Frau, die es so weit gebracht habe, ja unmöglich jung und schön sein könne. Um ihre Fähigkeiten, dieses Amt ausüben zu können, geht es dabei gar nicht. Das ist ohne Zweifel sexistisch. Ist eigentlich gar nicht sooo schwer zu verstehen.

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @Svenne:

      Es ist ein saudummes, deplaziertes und vorallem unprofessionelles Kompliment. Mehr aber auch nicht. Da macht man mal wieder aus einer Mücke einen Elefanten. Aber Frau Chebli braucht wohl Aufmerksamkeit.

      • @4845 (Profil gelöscht):

        Was wäre denn ein "professionelles" Kompliment?

        Nein, es ist eben nicht nur dumm und deplatziert. Oder können Sie sich vorstellen, dass jemand den designierten Austro-Kanzler Kurz öffentlich ähnlich anspricht? "Ach Sie sind der Kanzler? Hätte ich nicht gedacht, sie sind doch so jung und auch noch fesch."

        • 4G
          4845 (Profil gelöscht)
          @Svenne:

          Aber gut, die Formulierung hätte besser lauten sollen: Das Kompliment war in der Situation absolut unprofessionell.

        • 4G
          4845 (Profil gelöscht)
          @Svenne:

          Mit unprofessionell ist das Verhalten im beruflichem Umfeld gemeint, denn dort haben Komplimente - egal ob gelungen oder nicht - nichts zu suchen. Und ja, ich kann mir sehr gut vorstellen, dass ein junger Politiker oder junger Manager für sein atrettes auftreten und seine teure Kleidung ein Kompliment erhält. Denn auf so äußerlichkeiten kommt es leider immer noch an, auch bei "männlichen" Karrieren. Nichtsdesto trotz ist dies genaus deplaziert wie gegenüber einer Frau.

  • Das Aufregen über derartige Lappalien unter dem Label "Sexismus" erreicht das Gegenteil: Die wirklichen Probleme von sexueller Diskriminierung und sexuellen Übergriffen in unserer Gesellschaft, die es noch viel zu stark gibt, werden verharmlost, gehen unter im hyperempfindlichen Opfer-Kult.

  • Die Sawsan Chebli die zu spät zu dieser Veranstaltung kam bei der sie ein Grußwort halten sollte ?

     

    Die bei ihrer Wutrede auf Twitter behauptet das nur Männer auf dem Podium waren, und die Frau Cornelia von Oheimb die ebenfalls mit auf dem Podium saß einfach mal ignoriert und damit selber sexistisch beleidigt ?

     

    Quelle: Morgenpost

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Wenn ich ehrlich bin muss ich sagen, dass mir so ein "Kompliment" auch rausrutschen könnte.

     

    Jetzt muss ich einfach mal zur Kenntnis nehmen, dass es sich nicht um ein solches handelt, sondern dass es ein Übergriff ist.

     

    Ich denke dennoch, dass man in dieser Sache manchmal auf einem schmalen Grat unterwegs ist.

     

    Komplimente, die ich Frauen mache, beziehen sich ja oft Äußerlichkeiten: Neue Frisur, neuer Look, neuer Nagellack. Und bisher hatte ich den Eindruck, dass diese Komplimente gern angenommen wurden.

     

    Viele Männer achten bei sich nicht so auf das Äußere, von daher beschränkt es sich hier oft auf ein: Schönes Hemd.

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @88181 (Profil gelöscht):

      "Wenn ich ehrlich bin muss ich sagen, dass mir so ein "Kompliment" auch rausrutschen könnte. "

       

      Mir nicht. Ich finde diese Frau jetzt nicht besonders attraktiv...

  • mein kommentar zum artikel: bla, bla, bla

     

    der einzig stimmige teil; "dem zuallererst der Hinweis einfällt, er sei auch schon mal von Frauen auf sein Äußeres reduziert worden."

     

    wie recht er hat

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    "Müde angesichts der Erregungswellen, mit denen dieses Thema jedes Mal wieder verhandelt wird und von denen am Ende trotzdem so wenig übrig bleibt."

     

    Es bleibt wenig übrig, weil - nicht nur in diesem "Fall" - Mücken zu Elefanten aufgeblasen werden. Wer soll das dann noch ernst nehmen? Dieser künstliche Empörung dient der Sache nicht, sondern sie schadet ihr.