„Sea-Watch 3“ legt in Lampedusa an: Kapitänin festgenommen

Die „Sea-Watch 3“ hat in Lampedusa angelegt, trotz Verbot. Die Kapitänin tat es zum Wohl der Geretteten an Bord – nun drohen ihr zehn Jahre Haft.

Nahaufnahme von Carola Rackete, hinter ihr ein Polizist

Bestraft für das Retten von ertrinkenden Menschen: Carola Rackete wird in Lampedusa abgeführt Foto: reuters

LAMPEDUSA afp | Dramatisches Ende einer zweiwöchigen Irrfahrt: Das Flüchtlings-Rettungsschiff „Sea-Watch 3“ hat sich in der Nacht zum Samstag ohne Zustimmung der italienischen Behörden den Weg in den Hafen der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa erkämpft. Die deutsche Kapitänin Carola Rackete wurde festgenommen und das Schiff beschlagnahmt, wie Italiens Innenminister Matteo Salvini mitteilte. Die 40 zuletzt an Bord verbliebenen Flüchtlinge durften an Land gehen.

Rackete hatte in der Nacht entschieden, das Schiff trotz Verbots in den Hafen einlaufen zu lassen. Ein Polizei-Schnellboot versuchte dies vergeblich zu verhindern. „Wir haben uns in den Weg gestellt, aber wenn wir dort geblieben wären, hätte die ‚Sea-Watch‘ das Schnellboot zerstört“, sagte ein Polizist.

Rackete gab in einem von der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch veröffentlichten Video an, sie habe lange auf eine Lösung gewartet. Eine solche habe sich jedoch nicht abgezeichnet, weshalb sie selbst entschieden habe, in den Hafen einzulaufen.

Im Hafen versammelten sich Anwohner und Aktivisten. Einige jubelten, andere riefen: „Schande“ und „Hau ab!“ Rackete wurde von Polizisten abgeführt. Ihr wird Widerstand oder Gewalt gegen ein Kriegsschiff vorgeworfen. Italienischen Medienberichten zufolge drohen der 31-Jährigen bis zu zehn Jahre Haft. Zuvor hatte Rackete angegeben, sie wisse, was sie riskiere und sei bereit, für ihre Entscheidungen ins Gefängnis zu gehen. „Ich kann die Sicherheit der Menschen nicht mehr gewährleisten“, hatte Rackete bereits am Freitag im Interview mit der taz gesagt. Sie fürchte, dass manche sich aus Verzweiflung selbst verletzen könnten.

„Eine Schande für Europa“

„Mission erfüllt“, schrieb Innenminister Salvini von der rechtsradikalen Lega-Partei im Kurzbotschaftendienst Twitter. „Verbrecherische Kapitänin festgenommen, Piratenschiff beschlagnahmt, Höchststrafe für die ausländische Nichtregierungsorganisation.“

Italiens Regierungschef Giuseppe Conte erklärte am Rande des G20-Gipfels in Osaka, er wolle sich nicht anstelle der Justiz setzen, die für die Anwendung des Gesetzes zuständig sei. „Aber die Gesetze existieren, ob wir wollen oder nicht.“

Der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) verurteilte die Festnahme der Kapitänin. Dies mache ihn „traurig und zornig“, erklärte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. „Eine junge Frau wird in einem europäischen Land verhaftet, weil sie Menschenleben gerettet hat und die geretteten Menschen sicher an Land bringen will. Eine Schande für Europa!“

Sea-Watch-Geschäftsführer Johannes Bayer erklärte im Kurzmitteilungsdienst Twitter, die Kapitänin habe „genau das Richtige getan“. Rackete habe das Seerecht eingehalten und die Flüchtlinge in Sicherheit gebracht.

18.000 Tote im Mittelmeer

Die Flüchtlinge verließen am frühen Morgen das Schiff. Einige von ihnen lächelten, andere weinten. Sie wurden anschließend in das Aufnahmelager auf Lampedusa gebracht.

Das Schiff hatte am 12. Juni insgesamt 53 Menschen vor der Küste Libyens von einem Schlauchboot gerettet. 13 von ihnen, darunter Frauen, Kranke und Kinder, waren in den vergangenen Tagen an Land gebracht worden.

Fünf europäische Länder, darunter Deutschland, hatten am Freitag zugesagt, Flüchtlinge von Bord des Schiffes aufzunehmen. Dennoch hatte die italienische Regierung weiterhin keine Genehmigung zum Anlegen erteilt. Das italienische Innenministerium hatte erklärt, es warte auf „gesicherte Garantien“. Die Regierung in Rom fährt eine äußerst restriktive Flüchtlingspolitik und hat die italienischen Häfen für internationale Rettungsschiffe geschlossen. Dennoch kommen immer wieder Flüchtlinge dort an.

Seit 2014 sind mehr als 18.000 Menschen bei dem Versuch gestorben, von Libyen über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Das UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR spricht deshalb von „der tödlichsten Meeresüberquerung der Welt“.

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