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Schule neu gedachtZu viel, zu alt, nicht nachhaltig!

Die Kritik am Schulsystem ist seit Jahren die Gleiche, verändert wird trotzdem nichts. Es braucht andere Lernweisen und keinen 45-Minuten-Takt.

Eine 9. Klasse der Europaschule in Guben Foto: Rainer Weisflog

Eigentlich wissen wir doch, wie Lernen gelingt. Es soll Spaß machen, mit sinnvollen Inhalten gefüllt werden, deren Nutzen wir erkennen, und es soll zu unserem Wissensstand passen. Fortbildungen in der Arbeitswelt mögen diesen Prinzipien vielleicht noch folgen. Im Schulsystem lassen sie sich dagegen nur schwer erfüllen, sagt Anke Langner, Professorin für Erziehungswissenschaft an der Technischen Universität Dresden.

Hier erwarten wir von den Kindern, dass sie mit gleicher Begeisterung und gleichem Erfolg englische Grammatik, römische Geschichte oder binomische Formeln lernen und wiedergeben. Und zwar im 45-Minuten-Takt, einzig unterbrochen von kurzen Pausen. Das geflügelte Wort vom Bulimie-Lernen beschreibt es wohl ganz gut. Lernen im Akkord, bereit, das Wissen für die Klassenarbeit auszukotzen und danach schnell wieder zu vergessen.

Tatsächlich wurden die Lehrpläne in den letzten Jahren kaum entschlackt. Längst kommt auch Kritik aus der Lehrerschaft. Sie beklagt immer weniger Zeit für ein pädagogisches Miteinander, geschweige denn für eigene Projekte oder neugierige Umwege.

Doch was ist die Alternative? Ein häufiger Reflex ist die Forderung nach neuen Fächern – weniger Latein und weniger Goethe, dafür mehr Lebenspraxis – wie funktionieren Aktien-Märkte, wie schließt man Versicherungen oder Mietverträge ab. Sehr beliebt ist auch das Fach Digitalisierung. Was in der Diskussion gern übersehen wird: Noch mehr Fächer sind der falsche Weg. Und mal ehrlich, wer sollte denn Digitalisierung unterrichten? Den meisten Lehrkräften fehlt dafür schlicht die Kompetenz. Auch in der Lehrerausbildung werden die nötigen Inhalte nicht gelehrt.

Zum Glück gibt es auch sinnvolle Impulse, zum Beispiel eine stärkere Fokussierung auf wichtige Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und die Grundrechenarten. Das sollten junge Menschen am Ende ihrer Schullaufbahn sicher beherrschen. Selbstverständlich ist das nicht: So verließen 2021 laut Bertelsmann Stiftung 47.500 junge Menschen die Schule ohne Abschluss. Ihre Chancen auf einen Ausbildungsplatz sind damit gering. Natürlich muss und soll Schule weiterhin handfestes bis theoretisches Wissen vermitteln. Aber wie?

Alles beim Alten: Stundenpläne haben heute noch die gleichen Inhalte wie in den 70ern Foto: Frank Aussieker/Visum

Kinder könnten bei Citizen-Science-Projekten mitmachen

Das Weltwissen wächst rasant, gleichzeitig ändert sich unser Verhältnis zum Wissen. Nicht erst seit ChatGPT ist reines Auswendiglernen völlig unnötig. Unser Gehirn ist schließlich zu Höherem berufen als dem simplen Abspeichern von Informationen. Viel wichtiger ist die kreative Anwendung von Wissen, das Finden von gemeinsamen Lösungen und das Denken in größeren Zusammenhängen – genau darin sind wir künstlicher Intelligenz (noch) überlegen.

Genau deshalb formulierte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 2019 auch die sogenannten Future Skills – Kompetenzen also, die Schule in Zukunft vermitteln sollte. Hier finden sich sinnvolle Ideen wie Problemlösungskompetenz, kritisches Denken, Kreativität, Flexibilität, Eigeninitiative, interkulturelle und technische Kompetenz.

Fähigkeiten, deren Wichtigkeit einleuchtet, die aber trotzdem von den Lehrplan-Machenden weitestgehend ignoriert werden. „Mit klassischer Fächertrennung lassen sich solche Kompetenzen kaum vermitteln. Schließlich geht es darum, die Komplexität der Welt zu verstehen und verschiedene Perspektiven einzunehmen“, sagt Langner. Die Zukunft liege deshalb in einer breiten Betrachtung der Welt statt in einzelnen Fächern.

Zum Beispiel könnten sich die Schülerinnen und Schüler aus ganz unterschiedlichen Perspektiven mit dem Klimawandel beschäftigen – mit den naturwissenschaftlichen Prinzipien des Temperaturanstiegs und den Folgen für die Artenvielfalt, Lösungen für soziale Fragen entwerfen, die aus der Klimakrise entstehen, oder im Fremdsprachenunterricht mit Menschen aus dem Globalen Süden über ihr Erleben der Klimaveränderungen sprechen.

Sie könnten sich mit Verschwörungstheorien zur Klimakrise beschäftigen oder sich an Citizen-Science-Projekten zur Artenbeobachtung beteiligen, etwa aus der Ferne Fotofallen aus dem Dschungel auswerten. Diese breite Betrachtungsweise lässt sich auch auf andere Themen übertragen – künstliche Intelligenz zum Beispiel, in den Naturwissenschaften aus einer eher technischen Perspektive, im Politikunterricht aus einem ethisch-gesellschaftlichen Blickwinkel.

Deutschland trennt besonders stark nach Leistungsniveau

Doch eine Veränderung der Inhalte allein reicht nicht aus. Auch wie gelernt wird, muss sich drastisch verändern, findet Britta Klopsch, Professorin für Schulpädagogik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Wenn wir es mit der Inklusion und der Überwindung eines selektiven Schulsystems ernst meinen, müssen wir Lernen und den Schulalltag stärker individualisieren“, sagt sie.

Im internationalen Vergleich trennt unser Schulsystem besonders stark nach Leistungsniveaus. Um das zu überwinden, hat Klopsch eine Vision: Statt mit 30 anderen in einem Raum zu sitzen und einem durchgetakteten Stundenplan zu folgen, könnten die Schülerinnen und Schüler in Zukunft stärker über das eigene Lernen bestimmen.

Logo-Kindernachrichten oder ein Kinderpodcast können genauso gut einen Themeneinstieg bieten wie ein Schulbuch oder das Video-Gespräch mit Forschenden. Ob sie einen Vortrag zu Hause ausarbeiten oder in einem ruhigen Raum der Schule ein Lernvideo für die anderen Kindern aufnehmen, bliebe ihnen überlassen.

Gewonnene Erkenntnisse verschwinden dann nicht in Heften, sondern werden aufbereitet und mit den anderen geteilt – als Video, Kurzgeschichte oder Podcast. Statt mit Hausaufgaben und Frontalunterricht lernen die Kinder häufiger voneinander. Die Lehrkräfte vermitteln nun weniger Inhalte, sondern unterstützen beim Lernen.

Wendiges Schiff statt schwerer Tanker

Wie eng die Begleitung ist, hängt dabei ganz vom Kind ab. Manche brauchen stärkere Vorgaben und eine enge Begleitung durch die Pädagoginnen und Pädagogen, andere genießen Freiheiten. Gleichzeitig sorgen die Lehrkräfte dafür, dass die Kinder im Austausch bleiben, zusammenarbeiten und nicht zu lernenden Einzelkämpfern und Einzelkämpferinnen werden.

Wie lassen sich Fächer und Lehrpläne neu denken, wenn das Bildungssystem an fehlenden Mitteln und föderalen Grabenkämpfen krankt? „Wir brauchen mehr Schullabore in der Breite, mehr Platz zum Ausprobieren im pädagogischen Alltag“, sagt Klopsch. Sie schiebt aber auch selbst einen Hinderungsgrund hinterher. Der Berufsalltag von Lehrkräften werde immer voller, viele seien bereits am Limit.

Auch wegen ihrer Arbeitsbelastung und Gesundheit wäre es dringend nötig, Ballast abzuwerfen und die Lehrpläne von schweren Tankern zu wendigeren Schiffen zu machen.

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16 Kommentare

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  • Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

  • Es gibt diverse Alternativen auf Privatschulen. Wer nicht warten will bis die öffentlichen Schulen in die Pötte kommen und wieder Konzepte von dort übernehmen, schickt sein Kind dorthin.

    Das kann allerdings teuer werden, da Kinder auf Privatschulen pro Kind nur halb so stark vom Staat finanziert werden und die Eltern je nach Einkommen unterschiedlich für den fehlenden Teil aufkommen müssen.

    www.weser-kurier.d...7pxwxs4rne02geu1vx

  • Die katastrophalen Ergebnisse des Versuches „Schreiben nach Hören“ zu lernen sind offensichtlich schon vergessen.

  • Das ist alles andere als neu. Spätestens seit dem ersten "PISA-Schock" wird mit genau diesen Argumenten das Changemanagement im Bildungswesen von den neoliberalen Governance-Akteuren vorangetrieben. OECD, Bertelsmann Stiftung & Co. geben die Richtung im Bildungswesen vor. Der Kompetenzkatalog aus dem Assessment-Center hat den Bildungskanon abgelöst. Nebenbei sind fast unbemerkt Ideale wie Autonomie und Mündigkeit aus den Bildungszielen verschwunden, bzw. wurden umgedeutet. "Resilientes Humankapital" ist das erklärte Ziel.

    Die Schulen waren/sind bestimmt reformbedürftig. Ich fürchte aber, wir laufen einem falschen Messias hinterher.

  • 6G
    659554 (Profil gelöscht)

    Selbst dieser Artikel ist doch von Vorgestern. Edmund Stoiber wusste es schon besser, was wir brauchen ist die Kompetenzkompetenz!

    Ich hoffe, der Sarkasmus wird deutlich, der Artikel ist leider ein Sammelsurium von Gemeinplätzen des aktuellen pädadagogischen Diskurses; selbst wenn das Eine oder Andere davon sinnvoll wäre, nichts davon ist im aktuellen zusammengesparten Schulsystem auch nur ansatzweise umsetzbar. Für ein "individuelles Lernen" bräuchte man die viefache Menge an Lehrkräften, und eher noch mehr, denn die Inklusion kommt dann noch obendrauf.



    Stattdessen sollte der Fokus viel mehr auf gemeinsame Lernerfahrungen gelegt werden, die Gruppenerfahrung ist die eigentliche Stärke unseres Bildungssystems. Im Grunde ist es aber chancenlos gegenüber einem Gesellschaftsmodell, das statt des Gemeinwohls die Individualisierung, die Konkurrenz, den Kampf zur Grundlage von Allem macht, da man halt so die höchsten Profite erzielt.

  • bissel oberflächig dieser Artikel.



    Die Schule hat ein tiefsitzendes strukturelles Problem, leider wird nur an der Oberfläche gekratzt, wirkliche Paradigmenwechsel sind nicht in Sicht.

    Missstände denen man sich mal annehmen könnte (leider sicher immer noch nicht vollständig):

    Systemfehler der Schule:

    Einzelkämpfer und Konkurrenz statt Kollaboration und Kooperation

    Homogenität statt Heterogenität

    Bewertung statt messen

    Zwang statt Freiwilligkeit

    Extrinsische statt intrinische motivation

    Kontrolle statt Vertrauen

    Herrschaftshierarchie statt Gleichwürdigkeit

    Druck statt Freude

    Anleitung statt Begleitung

    Belehren statt gemeinsam lernen

    Hierarchie- und Rollenautorität statt natürlicher Autorität

    Rollenspiele statt Authentizität

    Konformität statt Individualität

    Wissensvermittlung statt Fähigkeits- und Kompetenzentwicklung

    Theorie statt Praxis

    Vergangenheitsorientiert statt zukunftsfähig

  • Das Weltwissen wächst also rasant.



    Was soll das heißen?



    Reicht es also, wenn am anderen Ende der Welt Jemand etwas weiß?



    Mir erscheint es praxisnah, wenn Menschen Lesen, Schreiben und Rechnen können.



    Da es hier, meiner Erfahrung nach, bereits hapert, ist die " spannende Frage": " wie funktionieren Aktienmärkte?" evtl. zweitrangig.



    Was vielen Kindern fehlt sind klare Strukturen.



    Es erscheint mir richtig, diese im schulischen Alltag zu vermitteln. Leider sind nicht Alle Überflieger, die nur nichts lernen, weil sie hochintelligent sind.



    Neben dem Thema Inklusion dürfte das Thema Integration auch ein schwerer Brocken für die Lehrerschaft sein.



    Abgesehen davon sind Verhaltensauffälligkeiten schwer im Kommen. Diese Baustellen halte ich für völlig ausreichend. Unausgegorenes "von einander Lernen", muss im Unterricht nicht noch hinzukommen.



    Was die Digitalisierung betrifft, so wird hier sehr Viel investiert, was leider wenig an der Problematik der nicht vorhandenen Grundlagen ändert.



    "Kreatives Anweden von Wissen" begegnet mir immer dann, wenn Nichtrechenkünstler Mitarbeitern mit 20 Jahren Berufserfahrung Ihren Job erklären.



    Ich bin für mehr Schule, gerne auch ganztags, damit Zeit für Förderbedarf da ist, In diesem Rahmen finde ich auch " von einander Lernen" sinnvoll.



    Erlerntes, oder noch nicht Verstandenes hier praktisch anzuwenden und umzusetzen ist zielführend.



    Davon auszugehen, dass die kleinen Genies nur genügend Animation brauchen um Ihr Potenzial auszuschöpfen, geht meilenweit an der Realität vorbei.

  • Der hier beschriebene Ist-Zustand mit starrem Abarbeiten des Lehrplans, Frontalunterricht, reinem Auswendig- und Bulemielerenen scheint mir wenig glaubhaft, das mag im Kaiserreich, vielleicht auch noch in den 50ern so gewesen sein, schon meine Schulzeit wäre damit aber nicht mehr zutreffend beschrieben. Und vieles von dem was hier gefordert wird, wie fachübergreifende Projektarbeiten, EVA-Stunden (Eigenverantwortliches Arbeiten), Kompetenz- statt Faktenvermittlung, wird soweit ich aus pädagogischem Umfeld regelmäßig höre längst praktiziert, allerdings wohl mit höchst zweifelhaften Erfolg, weil Kinder sich von Erwachsenen eben dadurch unterscheiden, dass Eigenverantwortung und Selbstorganisation noch nicht so ausgeprägt sind.



    Nun kann man natürlich den Ansatz einer "breiten Betrachtung der Welt statt [...] einzelnen Fächern" fordern, wenn sich dann aber "mit den naturwissenschaftlichen Prinzipien des Temperaturanstiegs" befasst werden soll wäre es aber doch ganz gut zu wissen was eine Funktionsgleichung ist und wie man ihre Extremwerte bestimmt und derartiges mal so eben in irgendeinem Projekt zu vermitteln weil Stundenplan und reiner Mathmatikunterricht gestrichen wurden dürfte schwierig werden.



    Es bleibt die Forderung nach der Entschlackung der Lehrpläne weitstgehendst ohne zu klären welche Inhalte wegfallen sollen. Konkret genannt werden Latein (das aktuell noch 6% der Schüler*innen lernen) und Goethe, der mittlerweile selbst in Bayern nicht mehr obligatorisch ist. [1] Was ansonsten rausfliegen soll um in substranziellem Umfang Zeit für neue Ansätze zu schaffen bleibt dann aber doch offen, so dass eigentlich nur die Utopie bleibt Schule solle doch irgendwie moderner und agiler werden, dass die Kinder sich New Work-mäßig ihre Projekte und sich selbst managen und das Lernen zu einem reinen Genuss frei von jeglicher Anstrengung werden möge.



    [1] www.br.de/nachrich...-kritisiert-bayern

    • @Ingo Bernable:

      Soweit ich das sehe, hat es seit etwa den 1990er bis 2000er Jahren einen Rollback gegeben, z.B. durch zentrale Prüfungen, Wiedereinführung der Kopfnoten (die jetzt Arbeits- oder Sozialverhalten heißen statt Fleiß und Betragen, aber Namen sind Schall und Rauch, wenn man mal vom "Verhalten" absieht, das die Schule auf eine Stufe mit einer Skinner-Box stellt).







      Daneben sind die Vorschläge selbstverständlich nicht neu, aber umgesetzt wurde nicht so besonders viel, wenn man mal davon absieht, dass die Schwarze Pädagogik wirklich nicht mehr das Niveau der Jesuitengymnasien erreicht. Im Großen und Ganzen wurde aber die Reformpädagogik des frühen 20. Jahrhunderts größtenteils ignoriert, die Dreiteilung des Schulsystems, die ihre Begründung im Ständestaat hatte, bis heute nicht aufgegeben etc. Es muss sich einiges tun!

  • Bei dem ständigen Doomsaying möchte ich eine Gegenbewegung einwerfen: Heutige Schulabgänger:innen können Wissen vermitteln.

    Die Studierenden in meinen Kursen können binnen 5 Minuten einen 1-Minuten-Vortrag vorbereiten und dann verständlich, strukturiert, und wirklich in einer Minute halten.

    Das klingt nicht nach viel, ist aber krass: Was Leute können hängt v.a. daran, wie sie es lernen. Und die aktuelle Generation ist in der Lage, eine wirkliche Kultur gemeinsamen Lernens aufzubauen.

    Darauf müssten Firmen noch viel mehr aufbauen: neues Wissen von kleinen Gruppen aufarbeiten und dann vermitteln lassen.

  • Neue Konzepte mit Ausrufezeichen zu fordern, ist nun wahrlich schon oft passiert.

    Lernen sei nicht nötig, wichtig sei die Anwendung des Wissens.



    Ohne zumindest Basiswissen, wird es nie eine Idee zur Anwendung geben. Das Hirn muss trainiert werden, am besten mit Hand-Auge koordination. Nicht nur Bildschirm gucken.



    Und dafür sind durchaus abstrakte Dinge und Weltwissen hilfreich. Steuererklärungen und Verwaltungsstrukturen sind zwar alltagstauglich, aber bitte nicht für die Schule. Oder möchte man nur treue Staatsdiener?

  • Das hier vorgestellte Konzept riecht schwer nach Integrierter Gesamtschule. Eine Klasse. Drei Geschwindigkeiten. Lernkontrolle lediglich im Rahmen der selbst gemachten Vorgaben. Das ganze auch furchtbar gern noch ohne Noten bis zur 8. Klasse. Klingt toll und ist in der Praxis der größte Schrott.

    Den Lerplan entschlacken wäre sicher denkbar. Aber auch das ist leider nicht so einfach. Was genau ist obselet?

    Einzig der Punkt mit fächerübergreifender Behandlung erscheint erstrebenswert. Und so gut wie nicht zu machen, sofern das diverse Lehrer unterrichten...

  • Man merkt eine gewisse Distanz zur Schule.

    Lernen ist Arbeit, Spaß kann durch das Gemeinschaftserlebnis, die Interaktion und auch durch die erfahrene Bestätigung kommen, muss aber nicht. Inhalte erscheinen häufig erst später in Verbindung und Verknüpfung mit anderen Inhalten als sinnvoll. Bildung ist gerade als Prozess der Erweiterung des Wissens zu sehen, Herausforderungen sind ein wichtiges Element der Motivation.

    Sicher es gibt noch Auswendiglernen und die Klassenarbeit als Abfrage der letzten Unterrichtseinheiten, im Vordergrund steht die Anwendung von Inhalten und Methoden, steht die Verknüpfung von Inhalten, der Fächerverbund.

    Was nicht im Mittelpunkt stehen sollte, ist die Ausrichtung auf die letzte Mode, das Aufspringen auf den imaginären Zug, wie am Beispiel "Digital".



    Was soll das sein, das Produktpaket von Microsoft, oder doch lieber Open Office, heute LibreOffice, Programmieren, HTML, R oder Go, oder einfach mal ein Video machen?



    Oder jedem Kind einen Laptop und Zugang zum Internet geben, damit alle Kinder recherchieren können und Kontakt zu ihren Lehrkräften aufnehmen können?

    Eine nette Idee ist auch das Selbstbestimmte Lernen, das sich immer sehr gut anhört, bis man nachfragt, woher das kommen soll. Auch das muss gelernt werden und auch hier greift die soziale Selektion, die eigentlich unser Problem ist. Es gibt Eltern, die ihre Kinder unterstützen können und wollen und die das auch umsetzen. Und dann gibt es Eltern, bei denen das nicht so der Fall ist.

    Alle Studien sagen, dass ein großer Teil der Schüler Unterstützung erhalten und gute Resultate erzielen. Und dass jener Teil, der zu Hause keine Unterstützung erfährt, in unserm Schulsystem auch ignoriert wird.



    Wir brauchen nicht mehr Spaß, sondern mehr Ernst, mehr Geld und weniger Politik und das seit Jahren.

    • @Octarine:

      Absolute Zustimmung. Ich weiß nicht, welche Klausuren der Oberstufe die Autorin des Artikels zur Kenntnis genommen hat.



      Mit "Bulimie-Lernen" kommt man allenfalls in einem Vokabeltest weiter. Im Großen und Ganzen müssen SchülerInnen Kenntnisse anwenden und lernen, in Zusammenhängen zu denken.



      Man kann am Schulsystem vieles kritisieren und sollte dies auch tun. Wer in der Schule artbeitet, kann ein Lied davon singen. Aber dieser Artikel legt den Finger nicht in die entscheidenden Wunden, die doch längst bekannt sind.

  • In den ersten 30 40 Jahren der Republik ( auch DDR ) hat das Schulsystem doch funktioniert. Was hat sich denn geändert ( nein, ich meine nicht die Wiedervereinigung) ?

    • @Stoffel:

      Einerseits wohl die Anforderungen einer komplexeren Welt und auf dem Arbeitsmarkt. Reine Hilfsarbeiterjobs die sich ggf. auch mit mangelhafter Alphabetisierung bewältigen lassen gibt es immer weniger.



      Dann wohl auch die Entwicklung, dass viele Kinder immer weniger Vorwissen mitbringen und Bildung oft ohne das Elternhaus und teils auch gegen es vermittelt werden muss. Das führt dann zu solchen Vorschlägen von Unterrichtsinhalten wie dem Abschließen eines Handyvertrags. Die Idee, dass die Eltern so etwas beibringen könnten kommt da irgendwie nicht mehr vor und manche können es auch tatsächlich nicht.



      Und schließlich dann auch ganz simpel Finanz- und Personalausstattung der Schulen. Hier wäre eigentlich zunächst mal wieder eine tragfähige Basis herzustellen, stattdessen wird primär über die 'Digitalisierung' der Schulen debattiert, die den Unterricht kaum besser machen wird, erstmal sehr viel Geld kostet und dann selbst zu einem riesen Problem werden wird weil man nicht nur die absehbaren Folgekosten total unterschätzt, sondern vor Allem auch überhaupt nicht in der Lage sein wird ausreichend Administrator*innen anzuheuern die all die Technik sicher und am Laufen halten.