Schützenpanzer für die Ukraine: Der Weg zu Verhandlungen
Berlins Lieferung von Panzern ist richtig und mit Washington und Paris abgesprochen. Kiew kann nur auf Augenhöhe mit Moskau über Frieden verhandeln.
D ie angekündigte Lieferung von Schützenpanzern westlicher Bauart aus Deutschland und den USA ist eine gute Nachricht. Ja, auch für Pazifisten und im Hinblick auf eine diplomatische Lösung und baldigen Waffenstillstand. Das klingt zunächst paradox. Betonen doch die hiesigen Kritiker:innen der Waffenlieferungen – vor allem aus Linkspartei und AfD – dass die militärische Logik durchbrochen und ein Frieden nicht auf dem Schlachtfeld, sondern diplomatisch errungen werden muss.
Damit haben sie sogar recht. Eine Friedenslösung gibt es nur am Verhandlungstisch. Doch zu Verhandlungen müssen beide Seiten bereit sein – Russland und die Ukraine. Das ist derzeit nicht der Fall. Wladimir Putin führt einen offenen Krieg gegen die ukrainische Zivilbevölkerung, lässt Elektrizitäts- und Wasserwerke und sogar Kinderkliniken bombardieren und begeht damit offensichtliche Kriegsverbrechen.
Noch vor Weihnachten gab er sich in einer Rede vor hochrangigen Militärs weiterhin siegessicher und versprach ungebremste Aufrüstung. Auch wenn man einen Teil davon als Propaganda zum Zweck der inneren Ermutigung verbucht, ist davon auszugehen, dass Putin nur zu Verhandlungen bereit sein wird, wenn er Teile der Ukraine halten kann.
Derzeit besetzen die russischen Truppen etwa ein Sechstel des ukrainischen Territoriums. Dass sich die ukrainische Seite unter diesen Bedingungen auf Verhandlungen einlässt, ist abwegig. Denn das würde die Moral in der Bevölkerung untergraben. Präsident Wolodomir Selenski hat den völligen Abzug der russischen Truppen zur Voraussetzung von Verhandlungen gemacht und im Sommer die Rückeroberung der Krim als Kriegsziel definiert.
Beachtliche Steigerung der Rüstungshilfe
Das sind berechtigte und gleichzeitig unrealistische Maximalforderungen. Dennoch bringen nur weitere Geländegewinne der ukrainischen Armee die Ukraine weiter auf Augenhöhe mit Russland und damit beide Seiten an den Verhandlungstisch. Die neuen westlichen Waffen können hier einen Unterschied machen. Die deutschen Schützenpanzer sind etwa in der Lage Truppentransporte und damit eine Offensive abzusichern.
Dass Deutschland solche nun liefert, ist jedoch keine Kehrtwende in der deutschen Politik, wie manche meinen, sondern eine weitere beachtliche Steigerung der militärischen Unterstützung für die Ukraine. Die nicht ganz überraschend kommt. Denn mit dem Flugabwehrpanzer Gepard hat Deutschland bereits 30 hochmoderne Panzer an die Ukraine geliefert und zuvor ukrainische Soldaten daran ausgebildet.
Panzerhaubitzen stehen im Kampf gegen russische Truppen, und das hochmoderne Abwehrsystem Iris T schützt Kiew mit. Bundeskanzler Olaf Scholz ist zudem seinem Credo treu geblieben, alles penibel mit den westlichen Verbündeten, vor allem den USA, vorzubereiten und abzusprechen. Man wolle immer im Geleitzug handeln, hatte Scholz im vergangenen Jahr verkündet, und genau so hat er es auch diesmal gemacht.
Macron inszeniert sich
Die Entscheidung für die Lieferung von Kampfpanzern war lange vorbereitet. Seit dem 10. Dezember sollen bereits Gespräche laufen, an deren Abschluss nun eine gemeinsam mit Joe Biden abgegebene Presseerklärung steht. In der kündigen auch die USA an, Schützenpanzer vom Typ Bradley zu liefern und die Ausbildung daran zu übernehmen.
Dass Emmanuel Macron schon einen Tag vor der deutsch-amerikanischen Erklärung die Lieferung französischer Radpanzer verkündete, zeugt eher von der Geltungssucht des Franzosen als von der Zögerlichkeit des Deutschen. Denn die kann man in diesem Fall nicht erkennen. Deutschland wird die Ukraine weiterhin unterstützen, finanziell, humanitär, diplomatisch und auch militärisch. So steht es ebenfalls in dem gemeinsamen Statement von Scholz und Biden.
Möglich also, dass Deutschland und die USA in den nächsten Monaten auch „richtige“ Kampfpanzer an die Ukraine liefern. Zunächst aber müssen die Schützenpanzer flott gemacht und die Ukrainer:innen daran ausgebildet werden. Hier kommt es auf jede Woche, jeden Tag an. Kommt die Hilfe zu spät, geraten die ukrainischen Truppen unter Druck, dann kann auch ein mögliches Zeitfenster für einen Waffenstillstand schon wieder geschlossen sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen